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Kein Steigbügelhalter der Politik: Hubert Gorbachs Ausblick auf die Koalition

20.10.2024 • 07:00 Uhr
Kein Steigbügelhalter der Politik: Hubert Gorbachs Ausblick auf die Koalition
Hubert Gorbach in seinem Frastanzer Reitstall. Hartinger

Alt-Vizekanzler Hubert Gorbach analysiert im Gespräch mit der NEUE am Sonntag die Wahlen und liefert eine Prognose der sich anbahnenden schwarz-blauen Vorarlberger Landesregierung – inklusive Personalia in den Schlüsselressorts.

NEUE am Sonntag: Herr Gorbach, wie beurteilen Sie im Nachgang den Ausgang der Wahlen?

Hubert Gorbach: Der Wahlkampf verlief überraschend ruhig und sachlich. Anders als bei früheren Wahlen gab es wenig polemische Angriffe, stattdessen standen Sachthemen im Vordergrund. Das wichtigste Signal, das die Wahl ausgesendet hat, ist der Wunsch der Bevölkerung nach Veränderung. Die letzten Jahre unter der schwarz-grünen Koalition waren von Stagnation geprägt, vor allem in der Wirtschaft und in der Verkehrspolitik. Der Wunsch nach einer Neuausrichtung ist klar, und das spiegelt sich auch im Ergebnis wider.

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Die NEUE am Sonntag traf den Alt-Vizekanzler in der Frastanzer Pizzeria Sole. Hartinger

NEUE am Sonntag: Warum erhielt die schwarz-grüne Regierung in Vorarlberg eine Abfuhr?

Gorbach: Vor allem die Wirtschaft und die Infrastruktur haben unter der Koalition von ÖVP und Grünen gelitten. Projekte, die für den Wirtschaftsstandort Vorarlberg von zentraler Bedeutung sind, wie die S 18 oder die Tunnelspinne in Feldkirch, wurden entweder verzögert oder blockiert. Auch die Bürokratie hat sich verfestigt und hemmt die unternehmerische Entwicklung im Land. Der Wirtschaftsstandort Vorarlberg braucht dringend eine Erneuerung, und das war eines der zentralen Themen im Wahlkampf, besonders für die FPÖ unter Christof Bitschi.

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Wie gewohnt nahm sich der ehemalige FPÖ-Spitzenpolitiker kein Blatt vor den Mund. Hartinger

NEUE am Sonntag: Haben die Grünen zu wenig Kompetenz in Wirtschaftsfragen?

Gorbach: Die Wirtschaft war eines der Kernthemen. Es geht um mehr als nur Infrastrukturprojekte wie die S 18 oder die Anbindung an die Nachbarländer. Es geht um die gesamte wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Vorarlbergs. Wir sehen immer noch eine hohe Belastung durch die Lohnnebenkosten, einen Fachkräftemangel und gleichzeitig hohe Lebenshaltungskosten, die es besonders für Unternehmen schwierig machen, im Wettbewerb mit anderen Regionen zu bestehen. Bitschi hat in diesem Zusammenhang betont, dass Vorarlberg ein wirtschaftsfreundlicheres Umfeld benötigt, und das wird sicher auch in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen. Ich bin der Überzeugung, und das bestätigen auch vergleichbare Konstellationen in anderen Ländern, dass die Grünen nicht regierungsfähig sind, wenn es um Wirtschaftsfragen geht. Das mag vielleicht hart klingen, aber ich halte es mit dem Sprichwort: „Mein liebster Grüner ist ein Veltliner.“ 

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Gorbach beim Spaziergang durch seine Heimatgemeinde Frastanz.Hartinger

NEUE am Sonntag: Die S 18 wurde und wird heftig diskutiert, auch in Zusammenhang mit der Volksbefragung. Wie beurteilen Sie das Lustenauer Wahlergebnis?

Gorbach: Landesrat Daniel Zadra von den Grünen hat oft mit der Volksbefragung argumentiert, bei der angeblich 70 Prozent gegen die S 18 gestimmt hätten. Wenn man sich die letzten Wahlergebnisse in Lustenau anschaut, sieht man, dass die FPÖ dort 33 und die ÖVP 32 Prozent erhalten haben – also ein Großteil für Partein, die pro S 18 sind. In meinen Augen war das Argument der Grünen, immer wieder die Volksbefragung zu bemühen, ein Eigentor. Die Grünen haben sich in eine Position manövriert, in der sie jeden Strohhalm ergriffen haben, um über Wasser zu bleiben. 

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Das Reiten und die Jagd haben es Hubert Gorbach schon immer angetan.Hartinger

NEUE am Sonntag: Vorarlberg als Exportland und die FPÖ mit einem EU-kritischen oder sogar feindlichen Kurs. Wie geht das zusammen?

Gorbach: Vorarlberg ist stark exportorientiert, und daher spielt die Europäische Union eine zentrale Rolle. Die FPÖ unter Herbert Kickl auf Bundesebene ist deutlich EU-skeptischer als die Landespartei unter Christof Bitschi. Bitschi hat einen pragmatischeren Ansatz und weiß, wie wichtig die EU für die Vorarlberger Wirtschaft ist. In den Verhandlungen wird die FPÖ in Vorarlberg sicher versuchen, diesen pragmatischen Kurs beizubehalten. Es wird jedoch darauf ankommen, wie stark die Bundes-FPÖ auf die Landespartei Einfluss nimmt. Ich bin aber zuversichtlich, dass Bitschi in dieser Frage einen eigenständigen Kurs verfolgen wird. Diesen habe ich übrigens damals ebenfalls vertreten, auch im Match mit Jörg Haider, der meine proeuropäische Meinung immer respektiert, vielleicht aber auch nicht geteilt hat.

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Ein Blick auf Gorbachs Jagdtrophäen. Hartinger

NEUE am Sonntag: Blicken wir auf die morgen startenden Koalitionsverhandlungen im Landhaus. Wie beurteilen Sie die Ausgangspositionen?

Gorbach: Ich gehe stark davon aus, dass die FPÖ das Verkehrsressort beanspruchen wird. Das wäre auch nur logisch, wenn man die Prioritäten ansieht, die sie im Wahlkampf gesetzt hat. Die FPÖ hat klargemacht, dass sie Projekte wie die S18 vorantreiben möchte, und das geht nur, wenn sie im Verkehrsressort auch Verantwortung übernimmt. Hier würde ich mir, wie generell in der Personalpolitik, jemanden wie Christof Bitschi wünschen. Ein Mann mit beruflicher Erfahrung und Hintergrund, der etwas umsetzen möchte. Außerdem könnte ich mir gut vorstellen, dass es zu einer neuen Ressortverteilung kommt. Ein Verkehrslandesrat Christof Bitschi mit weiteren Kompetenzen in Sachen Hochbau und Lawinen- und Wildbachverbauung. 

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Gorbach zeigt sich angesichts des starken FPÖ-Ergebnisses erfreut.Hartinger

NEUE am Sonntag: Mit Daniel Allgäuer sitzt auch ein renommierter Landwirt am Verhandlungstisch. Könnte es hier zu einem Duell mit Christian Gantner um das Ressort kommen?

Gorbach: Das Landwirtschaftsressort wird sicher von der ÖVP verteidigt werden, zumal gerade bei den Bauern die Freiheitlichen stark punkten konnten. Ich halte Daniel Allgäuer für einen hervorragenden Kandidaten mit viel Rückhalt in der Bevölkerung. Was man von Christian Gantner, wenn man das Ergebnis in seiner Heimatgemeinde Dalaas betrachtet, nicht behaupten kann. Aber das ist Sache der ÖVP, dies zu beurteilen. Auch hier könnte es zu neuen Ressortumstrukturierungen kommen. Zumal die FPÖ mit Gantners Linie als Sicherheitslandesrat größtenteils zufrieden sein dürfte.

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Hubert Gorbach im Gespräch mit der NEUE am Sonntag.Hartinger

NEUE am Sonntag: Die FPÖ konnte zwar bei Frauenthemen punkten, wird aber bei jetzigem Stand von nur zwei Frauen im Landtag vertreten. Hat die FPÖ ein Problem mit Frauen in Führungsverantwortung?

Gorbach: In meiner Zeit als Vizekanzler hatten wir den höchsten Frauenanteil in allen Kabinetten. Ich bin aber entschieden gegen vorgegebene Frauenquoten. Frauen haben es nicht nötig, sich über Quoten zu definieren. Im Fall der Vorarlberger FPÖ gibt es engagierte Frauen wie Andrea Kerbleder, die sowohl im Landtag als auch als Vizebürgermeisterin von Feldkirch hervorragende Arbeit leistet. Sie wäre eine hervorragende Landesrätin, wird sich aber voraussichtlich für die Position als Feldkircher Bürgermeisterin empfehlen. Und hier wird sich der jetzige Amtsinhaber Manfred Rädler warm anziehen müssen. Unabhängig von der Jahreszeit. Insgesamt glaube ich, dass der Mangel an Frauen in der Vorarlberger FPÖ nicht als großes Problem wahrgenommen wird – weder von den Frauen selbst noch von den Wählern. Wichtig ist, dass die Kompetenz und die Bereitschaft zur politischen Verantwortung im Vordergrund stehen, unabhängig vom Geschlecht.

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Sein Jagdstüble grenzt direkt an den Pferdestall an.Hartinger

NEUE am Sonntag: Wie eng sind die Bande zwischen Herbert Kickls Bundes-FPÖ und den Vorarlberger Freiheitlichen?

Gorbach: Die Vorarlberger FPÖ unter Christof Bitschi ist pragmatischer und weniger scharf in der Wortwahl als die Bundespartei unter Kickl. Bitschi hat im Wahlkampf gezeigt, dass er sich entwickelt hat und sachlich argumentiert. Das ist ein deutlicher Unterschied zu Kickl, der stärker auf Konfrontation setzt. Vorarlberg hat traditionell einen eigenständigen Kurs gefahren. Bitschis FPÖ bleibt aber eine FPÖ unter Herbert Kickl.

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Gorbach führt uns entlang seiner Koppel. Hartinger

NEUE am Sonntag: Abschließend eine Frage zum anstehenden Koalitionspoker.  Welches Verhältnis in der Regierung wird sich durchsetzen: Fünf zu Zwei mit Landestatthalter oder Vier zu Drei?

Gorbach: Wieso nicht Vier zu Drei mit Landestatthalter (schmunzelt)? Ich glaube, es wird auf jeden Fall eine gute Lösung für Vorarlberg gefunden werden, unabhängig davon, wie die genaue Aufteilung am Ende aussieht. Es braucht eine faire Verteilung, die dem demokratischen Wahlergebnis gerecht wird.

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(NEUE am Sonntag)