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„Fertig machen dich immer nur die Eigenen“ – gilt für ihn aber nicht

21.11.2024 • 07:30 Uhr
Gerald Loacker
Gerald ­Loacker, Jurist, 50, bei einem lockeren Reflexionsgespräch. Bereuter

Gerald Loacker war elf Jahre lang Nationalratsabgeordneter der NEOS und kandidierte heuer nicht mehr. Was waren die Gründe und welche Lehren zog er aus diesen Jahren?

Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at

Bei einer emotionalen Abschiedsrede anlässlich des letzten Nationalratswahlkampfes sagte Gerald Loacker seinen Parteifreunden Danke für die sehr gute Kooperation, für die Unterstützung und den Teamgeist, der stets geherrscht habe. Denn: „Fertig machen tun dich immer die Eigenen, nicht die der anderen Parteien.“ Tatsächlich ist die Liste jener lang, für die das gilt. Prominentestes Beispiel ist wohl Reinhold Mitterlehner, ÖVP-Bundesparteiobmann und österreichischer Vizekanzler von 2014 bis 2017. Er schrieb in seinem Buch „Haltung“ von Intrigen des späteren Jungpolitikers und Kanzlers, Sebastian Kurz, die ihn zum Rücktritt veranlassten.

„Fertig machen dich immer nur die Eigenen“ – gilt für ihn aber nicht
SERRA

Die SPÖ als Blaupause

Aber auch in der SPÖ hat diese Variante Tradition. Viktor Klima, Bundeskanzler von 1997 bis 2000, fiel zwischen dem linken und rechten Flügel in der SPÖ durch, Alfred Gusenbauer wurde intern als „Umfaller“ mit zu wenig Durchsetzungsvermögen bezeichnet. Werner Faymann, immerhin Kanzler von Ende 2008 bis 2016, wurde bei der Maifeier ausgepfiffen und trat mangels „vollem Rückhalt“ in seiner Partei zurück. Christian Kern erregte den Unmut seiner Partei, weil er sich selbst zum EU-Wahl-Spitzenkandidaten erkor und seine Nachfolgerin, Pamela Rendi-Wagner, wurde nach Querschüssen von Parteikollege Hans-Peter Doskozil innerparteilich abgewählt, sie erreichte bei einer Mitgliederbefragung hinter Doskozil und Babler mit 31 Prozent nur den dritten Platz und trat ab. Andreas Babler kämpft mit ähnlichen Problemen, weiteres bleibt abzuwarten.

Offene innerparteiliche Diskussion

Gerald Loacker habe immer den Rückhalt in seiner kleinen, jungen Partei gehabt und habe sich auf ein gutes Team verlassen können. Loacker: „Wenn das nicht der Fall ist, kostet das enorm Kraft und es schwächt dich, wenn du immer auf die internen Spitzen achten musst. Du verlierst damit das Vertrauen und den Rückhalt, ohne die geht es aber nicht. Und zudem führt das dazu, dass auch intern nicht mehr offen diskutiert wird, wenn Interna nach außen transportiert werden, wie zum Beispiel der Brief von Doris Bures, und dann gegen dich verwendet werden. Aber auch umgekehrt funktioniert das nicht, wie wir bei Sebastian Kurz gesehen haben, der sich seine Entscheidungskompetenz von der Partei absegnen ließ und seinen Kurs mit einem engen Kreis Vertrauter durchpeitschen wollte. Du darfst die Basis nicht verlieren und es braucht die offene innerparteiliche Diskussion, damit die besseren Ideen und der Rückhalt entstehen können. Das darf kein ‚Gesudere‘ sein, wie es der SPÖ-Kanzler Gusenbauer einmal ausdrückte. Ich konnte immer offen diskutieren und hatte auch den Rückhalt in meiner Partei.“

ABD0070_20231214 – WIEN – …STERREICH: Gerald Loacker (NEOS) im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlament, am Donnerstag, 14. Dezember 2023, in Wien. – FOTO: APA/EVA MANHART
Gerald Loacker im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlament. APA

Warum trotzdem der Ausstieg? Auf diese Frage präsentiert Loacker ein Mosaik von Gründen. Erstens sei man mit 50 Jahren gerade noch jung genug, um den Rest seines Erwerbslebens neu zu planen, oder eben nach weiteren fünf Jahren Berufspolitiker bis zur Pension zu bleiben. Das wollte er nicht. Zweitens sei es tatsächlich ermüdend, wenn deine Vorschläge als Oppositionspolitiker immer wieder vom Tisch gewischt würden, auch wenn er das Rauchverbot in der Gastronomie maßgeblich mit Rendi-Wagner durchgesetzt hatte. Aber in seinen Herzensangelegenheiten – der Pensionsthematik und der Staatsverschuldung – sei es schlimmer geworden, auch wenn er mit der Abschaffung der kalten Progression einen Erfolg verbuchte. Drittens, so Loacker: „Ist das Pendeln zwischen Vorarlberg und Wien sehr anstrengend, denn du willst und darfst den Kontakt zu deiner Basis nicht verlieren. Das heißt, Leben mit dem Koffer an deiner Seite. Und die Zeit in Wien nutzt du so gut es geht, mit vielen Abendterminen und bereitest dich danach wieder auf den nächsten Tag vor. Und auf der anderen Seite – zuhause – leidet dein Privatleben und Freundschaften gehen verloren.“

Lehrreiche Jahre fürs Leben

In einer exponierten politischen Position erfahre man sehr schnell, wer deine Freunde sind, oder auch nicht. Loacker: „Wenn dich jemand nicht mehr zum Geburtstag einlädt oder den Kontakt abbricht. Das kann sein wie im Kindergarten, aber wenn politische Arbeit private Beziehungen zerstört, ist dir das nicht egal“. Eine weitere Lehre sei jene, dass es sehr viele Menschen gebe, auch akademisch gebildete, die sich nicht mehr über Politik informierten und damit auch wenig von der Politik mitbekommen würden, für die man sich aber tagtäglich einsetzen würde. Und Loackers wichtigste Lehre: „Du brauchst mehr Pausen! Das ging bei mir so weit, dass ich bei der Schi Tour umkehrte, um zuhause im Anzug ein Online-Interview zu geben. Und mir war es wichtig, jeder und jedem auch zu antworten, sei es zurückzurufen oder Mails zu beantworten. Das halte ich auch für notwendig, aber du musst wissen, wo macht es Sinn, sich einzulassen, und wo wirst du nur instrumentalisiert.“

Was er erreichen wollte? Nichts weniger als zu helfen, das rot-schwarze System zu überwinden und das Pensionssystem, die Staatsverschuldung und die Bildung zu reformieren, um eine zukunftsfähige Stabilisierung zu erreichen, erklärt Loacker. Beim Pensionssystem sei das nicht gelungen, eher sogar in die andere Richtung gegangen. Aber man rede jetzt mehr darüber, es sei auch mehr Wissen vorhanden, auch im Vergleich mit anderen Ländern. Aber den großen Wurf hätten sie nicht machen können.

Die Meinung zur Demokratie hat sich verändert

Gerade in der Kurz-Ära hätten wir in Österreich gelernt, wie Medien und Demokratie funktionieren. Das Medienkonsumverhalten habe sich verändert und sei für unsere Demokratie tatsächlich eine Herausforderung. Menschen würden wählen gehen, aber sich nicht umfassend informieren, sondern gäben sich mit 30 Sekunden Instagram am Tag zufrieden und hielten sich für informiert. Das bereite ihm schon Sorge. Er denkt auch, dass der oder die Parteichef:in die entscheidende Rolle bei den Wahlen spiele. Dabei brauche es auch die vielen anderen, die nicht im Vordergrund stehen. Auch auf Gemeindeebene, wo viele in den Gemeindevertretungen mitarbeiten und adäquat bezahlt sei immer nur das Amt des Bürgermeisters, der Bürgermeisterin. Eine schwache Wahlbeteiligung auf Gemeindeebene mache ihm Sorgen, weil da kenne doch jede/r jemanden, der oder die kandidiere, und die seien wiederum sehr schlecht bis gar nicht zu finden. Dabei sei die Gemeinde die unmittelbarste Ebene unserer Demokratie.
Loacker ist vorläufig noch ein Jahr im Landesteam der Neos, dann schauten sie weiter. Er sei froh, dass er wieder in der Privatwirtschaft in einem sehr guten Team angekommen sei. Das sei als Ex-Politiker – gerade einer kleinen Oppositionspartei – gar nicht so leicht, weil es immer Abrisskanten gäbe, weil das Bild des Oppositionspolitikers, der er war, noch eine Zeit lang an ihm kleben bleiben würde. Das gilt es nun wohl eine Zeit lang auszuhalten, aber die Politik ist schnelllebig und vergisst sehr schnell.