Von Dornröschen bis Burger-King: Schaffa schaffa, Hüsle baua

Sophia Juen alias Nika lebt und arbeitet in Berlin. Die Musikerin und vielseitige Künstlerin kann auf eine Reihe außergewöhnlicher und teils skurriler Job-Erfahrungen zurückblicken – vom Leben als Disney-Prinzessin bis hin zum Gesicht einer Burger-Werbekampagne.
Von Sophia Juen
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“Wie? Musik machen Sie auch noch?”, mein Gegenüber blickt mit hochgezogenen Augenbrauen auf das Papier vor ihm, das auf zwei Seiten bis zum Anschlag mit Stichworten zu meinem beruflichen Werdegang vollgekritzelt ist. Ich sitze in einem großen Altbau Raum in Berlin Mitte und habe soeben von meinen Job-Erfahrungen erzählt. Mit dem Bachelor in der Tasche geht es nun um die Frage, ob ich weiterhin eine hauptberufliche Selbstständigkeit wage oder mich bei eben jenem Arbeitgeber anstellen lasse, der mir in Sakko und Hemd gegenübersitzt. Und zugegebenermaßen, habe ich schon allerlei absurde Job-Erfahrungen gemacht.

In Vorarlberg bin ich mit der klaren Vorstellung aufgewachsen, dass man nur mit Fleiß, Arbeit und Gottes Segen seine Ziele erreichen kann, ganz nach dem Vorarlberger Motto: “Schaffa Schaffa Hüsle baua”. Kurzum: Wenn ich etwas wollte, musste ich dafür arbeiten. Diese Mentalität hat mich tief geprägt, und als ich nach Berlin kam, um zu studieren, war klar, ich muss Wege finden, um meinen Alltag zu finanzieren. Keine Ahnung, woher diese komische Aussage kommt, die Studienzeit sei die entspannteste Zeit des Lebens. Ich für meinen Teil, hatte alle Hände voll damit zu tun, Ausbildung, Jobs und die ersten Lebenserfahrungen als Erwachsene unter einen Hut zu bekommen. Neben dem Vollzeitstudium hatte ich zu Beginn keine Zeit für einen Job mit regelmäßigen Arbeitszeiten, also mussten andere kreative Ideen her. “Work smart”, lautete meine Devise. Und so kam es, dass ich die verrückte Vielfalt des Berliner Jobmarktes kennenlernte. Manche Erfahrungen waren schön, manche eine absolute Enttäuschung.

Für eine kurze Zeit verdiente ich etwas Geld als Disney-Prinzessin auf Kindergeburtstagen. Meine Mission? In voll gestylter Montur sollte ich die Partys junger Geburtstagskinder als Dornröschen, Elsa oder Anna mitgestalten. Da kam es schon mal vor, dass ich als Dornröschen mit meiner Kollegin um 22 Uhr auf einer Party mit rund 400 Gästen und einer Live-Band landete. Das 2-jährige Geburtstagskind war dabei die eigentliche Prinzessin, so erzählte mir die Mutter, sie hätte für die Feier extra zwei verschiedene Festkleider anfertigen lassen. Eines für den feierlichen Festzug, eines für die Party. Statt Disney-Lieder zu singen, sollten wir, Dornröschen und Cinderella, das in Tüll gehüllte Geburtstagskind, beim Einzug begleiten. Seit meiner Kommunion war das wohl der feierlichste Festzug, bei dem ich je mitlief. An diesem Abend wurde mir auch zum ersten und definitiv zum letzten Mal Trinkgeld in meinen Ausschnitt zugesteckt. Das Fazit: für zwei Stunden Prinzessinnen-Einsatz ein wirklich ereignisreicher Abend.

Das waren aber natürlich nicht die einzigen Jobs, in denen ich mich in eine Verkleidung warf. In einem Kleid aus dem 19. Jahrhundert verkaufte ich beispielsweise schon den Opernfundus und machte somit die Erfahrung, was für ein Privileg Jogginghosen im Vergleich zu den störrischen Kleidern aus alten Zeiten sind. Manche Job-Erfahrungen gaben mir auch wichtige Lebenslektionen mit auf den Weg. Als ich als kleine Meerjungfrau bei einer Open-Air Veranstaltung bei 35° auf der Bühne eine rote Perücke tragen musste, obwohl ich selber rote Haare hatte, lernte ich “Nein” zu sagen. Unangenehme Situation, aber ein Skill, den man wohl lernen sollte, vor allem wenn man eine Vorliebe für die wilde Entertainment-Industrie hat. Eine hingegen sehr lustige Erfahrung war die Burger King Plant Based Kampagne, für die ich Model stand. Meine Aufgabe bestand darin, zwei Stunden lang Veggie-Burger zu essen und dabei möglichst authentisch und fotogen auszusehen. Eine Aufgabe, die mir zum Glück gelang und so eine nette Gage und mein Gesicht auf großen Werbewänden einbrachte. Jede absurde oder unerwartete Erfahrung hat mir etwas mitgegeben – sei es die Fähigkeit, mich in unbekannten Situationen zurechtzufinden, flexibel zu sein oder Chancen zu erkennen. Als ich meinem Gegenüber von meinen Jobs erzähle, merke ich, wie er zwischen Faszination und Verwirrung schwankt. Die hochgezogenen Augenbrauen verraten: Das hier ist kein gewöhnlicher Lebenslauf. „Und jetzt wollen Sie in die Musikbranche?“, fragt er schließlich und schiebt das vollgekritzelte Papier zur Seite. Ich lehne mich zurück und lächle: „Ich bin längst mittendrin.“. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag!