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Was Adolf ­Hitler mit einigen ­Berggemeinden in Vorarlberg plante

31.01.2025 • 08:30 Uhr
Aufbaugemeinden
Die Zwangsarbeiter waren in vielen „Aufbaugemeinden“ vor allem im Straßenbau verpflichtet worden, wie in Fraxern beim Fadratzaweg. Privat/Summer

Das Franz-Michael-Felder-Museum in Schoppernau veranstaltet am Samstag einen Vortrag zu den Vorarlberger „Aufbaugemeinden“ im Nationalsozialismus, darunter auch drei Gemeinden im Bregenzerwald.

Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at

Unter dem Titel „Vorarlberger Bauern im Nationalsozialismus“ präsentiert das Felder-Museum in Schoppernau, unter der Leitung von Burkhard Wüstner, einen Vortrag von Albert Summer aus Fraxern. Summer ist pensionierter Lehrer und beendete sein „Studium generale“ mit der Masterarbeit „Wie ist die Aufarbeitung der NS-Zeit in den Vorarlberger Aufbaugemeinden bzw. Aufbaugenossenschaften erfolgt?“ Die Recherchen zu dieser Thematik startete Summer in seiner Heimatgemeinde Fraxern, die er auch mit videogestützten Zeitzeugeninterviews festhielt und 2016 veröffentlichte er dazu ein sehr lesenswertes Buch zum Thema: „Musterdorf Fraxern“. In seiner wissenschaftlichen Arbeit nahm er sich dann die weiteren zehn „Aufbaugemeinden“ Vorarlbergs vor, darunter auch jene drei im Bregenzerwald: Sibratsgfäll, Damüls und Schwarzenberg.

Aufbaugemeinden
Albert Summer wird in Schoppernau die Vorarlberger „NS-Aufbaugemeinden“ präsentieren.

Die Aufbaugemeinde

Die nationalsozialistische Diktatur wollte alle Lebensbereiche der Menschen durchdringen. Dazu zählte auch die „Gesundung des Bauernstandes“ mit dem Ziel, die Ertragskraft der bäuerlichen Betriebe zu steigern und die „Blut-und-Boden-Ideologie“ in dieser Bevölkerungsgruppe und deren Familien zu festigen. So wurden besonders Bergbauern stark gefördert und ausgewählte Dörfer – die sich dazu bewerben konnten – wurden als „Aufbaugemeinden“ ausgewählt, die dann besonders unterstützt und propagandistisch inszeniert wurden. In Vorarlberg wurde die „Aufbaugemeinde“ Silbertal-Bartholomäberg als Mustergemeinde auserkoren. Daneben waren Fontanella, Fraxern, Sonntag, Übersaxen, Laterns und eben auch die drei Bregenzerwälder Gemeinden Damüls, Schwarzenberg und Sibratsgfäll zu Aufbaugemeinden ausgewählt worden. Diese Gemeinden erhielten in Folge bis zu einer Million Reichsmark jährlich für öffentliche Investitionen und für die „Aufbauarbeit“ wurden den Gemeinden völkerrechtswidrig Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter zugeteilt, die unterschiedlich hart ausgebeutet wurden, bis hin zur Versklavung.

Aufbaugemeinden
Die von den „Aufbaugenossenschaften“ angeschafften Motormäher waren eine enorme Arbeitserleichterung und ersetzten viele Mäher, die wegen des Kriegseinsatzes fehlten.

Das Beispiel Sibratsgfäll

Sibratsgfäll hatte 1939 nur 256 Einwohnern und als „Aufbaugemeinde“ für die Zwangsarbeiter ein Kriegsgefangenenlager mit zeitweise über 100 Ostarbeitern, vorwiegend junge Ukrainerinnen und vor allem junge Ukrainer. Die Versorgung dieser Menschen sei mangelhaft gewesen. Hilfe erhielten sie aber teilweise aus der Bevölkerung oder wenn sie bei Bauern oder in Haushalten mitarbeiteten. Anlässlich des Starts der Aufbaugemeinde, im Mai 1943, besuchte die lokale NS-Elite samt Gauleiter Hofer das kleine Dorf am Ende des Vorderwaldes, wo noch heute die – allerdings für den motorisierten Verkehr gesperrte – Straße durch das Rohrmoostal ins deutsche Oberstdorf führt. NS-Ortsgruppenleiter Jodok Dür und NS-Bürgermeister Josef Natter kamen nach Kriegsende in einer Beurteilung des vor- und nachmaligen Bürgermeisters, Konrad Stadelmann, glimpflich davon, anders als die Ehefrau Dürs, die für Denunziationen, sogar des Dorfpfarrers, verantwortlich gemacht wurde. Nachzulesen im Band von Wolfgang Weber: „Die Jahre 1938 bis 1945 in den Selbstdarstellungen der Vorarlberger Gemeinden des Bezirks Bregenz“.

Die Sibratsgfäller Maßnahmen

Altbürgermeister Reinhold Walser, geboren 1946, berichtete dem Vortragenden und Buchautor über die Aufbaumaßnahmen im Bauerndorf: „Vor allem Zufahrts- und Forstwege wurden gebaut, aber in der Hauptsache Häuser.“ Landwirtschaftliche Anwesen, sogenannte „Hitler-Häuser“, das Gemeindehaus mit Dorfwirtschaft, das es bis heute gibt, das „Zollhaus“, die Schmiede und eine Stickerei. Es wurde auch ein Schießstand errichtet, Alpweiden von Steinen befreit, Drainagen angelegt und Steinbrüche wie Sandgruben eröffnet. Für den „Aufbau“ der Gemeinde wurde eine Aufbaugenossenschaft errichtet und diese schaffte Schlepperfahrzeuge, Bodenseilzüge, Zentrifugen und auch Motormäher an, aber auch Kunstdünger und Schädlingsbekämpfungsmittel. Alles Maßnahmen, die die Ertragskraft der Bergbauerngemeinde steigern und die nationalsozialistische Ideologie stärken sollten.

Nach dem Krieg bis heute?

Dass die Gemeinden die finanziellen Mittel gerne nutzten, mag dem bäuerlichen Pragmatismus geschuldet sein, dass sie dafür auch Menschen völkerrechtswidrig und teilweise äußerst inhuman ausbeuteten, der Ideologie, die auch in diesen Gemeinden auf großen Zuspruch traf. Heute ist Sibratsgfäll eine funktionierende Vorderwälder Kleingemeinde mit knapp 500 Einwohnern, Landwirtschaft, Tourismus, Kleingewerbe, Nahversorgung und Auspendlern. Gegenwärtig spielt einer der ältesten Ortsteile von Sibratsgfäll – der Krähenberg – eine größere Rolle, weil dort anstelle der gleichnamigen Alpe ein gleichnamiges Luxusresort gesetzeswidrig aufgebaut wurde.

Schwarzenberg als Sonderfall

Lediglich die Gemeinde Schwarzenberg, unter Bürgermeister Schmid und der Amtsleiterin, verweigerte dem Forscher Einsicht in die Gemeindeakten, man „wolle sich mit dieser Thematik nicht befassen“. Schwarzenberg wurde von Summer trotzdem nicht ausgeklammert. So drohte Schwarzenberg die Abtrennung des Bödelegebietes nach Dornbirn, was jedoch mit Hilfe des aus Schwarzenberg gebürtigen NS-Oberbürgermeisters von Innsbruck, Dr. Egon Denz, verhindert werden konnte. Offenbar treffe auch heute noch der Satz im Schwarzenberger Heimatbuch aus dem Jahr 2000 zu: „Leider fließen die schriftlichen Quellen zur nationalsozialistischen Epoche in Schwarzenberg spärlich“. In diesem Heimatbuch werde auch nicht erwähnt, dass die Gemeinde Schwarzenberg eine „Aufbaugemeinde“ war und es für agrartechnische Maßnahmen Arbeiter- und Kriegsgefangenenbaracken gegeben habe. Über Schwarzenberg als Aufbaugemeinde schwieg sich schon Nachkriegsbürgermeister Anton Kaufmann aus. Albert Summer wird das 80 Jahre später, bei seinem Vortrag in Schoppernau, nachholen.

Vortrag: Vorarlberger Bauern im Nationalsozialismus

Referent: Albert Summer
Veranstalter: Franz-Michael-Felder-Museum
Ort: Feuerwehrhaus Schoppernau
Datum: Samstag, 1. Februar, ab 20 Uhr
Referent: Albert Summer

Das Buch von Albert Summer, „Musterdorf Fraxern – Gemeinschaftsaufbau im Bergland in der
Aufbaugemeinde Fraxern”, ist beim Gemeindeamt Fraxern um 20 Euro erhältlich.