Gefordert: Persönliche Assistenz braucht neue Lösung

Servicestelle Persönliche Assistenz zieht sich aus Pilotprojekt zurück. Land prüft Folgemodell. Lebenshilfe setzt sich für Zugang für alle Menschen mit Behinderung ein.
Die Servicestelle Persönliche Assistenz Vorarlberg ist eine zentrale Einrichtung, die Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben ermöglicht. Seit Anfang 2024 bündelt ein Pilotprojekt das Angebot für Menschen mit körperlichen Behinderungen. Nur ein Jahr später steht fest: Das Projekt wird seitens der Servicestelle eingestellt. Diese hat mitgeteilt, dass sie sich Ende 2025 aus der Leistungsvereinbarung zurückzieht und die Verträge mit dem Land per 1. Jänner gekündigt hat. Wichtig: Im laufenden Jahr wird der Verein Persönliche Assistenz seine Leistungen noch in vollem Umfang und in allen Lebensbereichen erbringen. Menschen im Alter von 15 bis 65 Jahren mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent können die Dienste bis zu einem Umfang von 3.600 Stunden jährlich in Anspruch nehmen.
Projekt zu groß geworden
Obfrau Sabrina Nitz erklärte in einer Medienmitteilung: „Der Vorstand, als Selbstbetroffene, bedauert die Abgabe der Persönlichen Assistenz sehr. Unter diesen Bedingungen war es uns jedoch nicht mehr möglich, die Verantwortung weiterhin zu tragen. Es bedarf einer neuen Struktur.“ Geschäftsführerin Simone Grabher ergänzte: „Anfang 2024 haben wir begonnen, Assistenten anzustellen. Mittlerweile sind es über 100 Mitarbeiter.“ Das Projekt sei zu groß geworden, „wir können es nicht mehr stemmen“. Dabei spielen sowohl die vorhandenen Ressourcen als auch die finanzielle Last eine Rolle.
Land reagiert
Die Teilnahme am Pilotprojekt zur Ausweitung der Persönlichen Assistenz war für das Land ein Erfolg. Mit der Einführung und schrittweisen Ausweitung wurden bedeutende Schritte in Richtung Inklusion gesetzt, so Landesrätin Martina Rüscher. „Ich bedauere den Rückzug der Servicestelle, verstehe aber, dass die hohe Arbeitsbelastung im Rahmen des Pilotprojekts zu viel wurde.“ Das Land reagiert umgehend auf diese Entwicklung, betonte Rüscher. „Es ist uns wichtig, dass Menschen mit Behinderungen weiterhin die nötige Unterstützung erhalten, um ihre Selbstständigkeit zu wahren. Das Land prüft, in welcher Struktur das Angebot der Persönlichen Assistenz ab 2026 weitergeführt werden kann.“ Bei der Suche nach einer neuen Lösung kann das Land auf die Unterstützung der Servicestelle zählen. „Wir wollen unsere Erfahrungen miteinbringen“, sagt Simone Grabher.
Lebenshilfe mit Nachdruck
Ein großes Thema ist die Persönliche Assistenz auch bei der Lebenshilfe Vorarlberg, die sich mit Nachdruck dafür einsetzt, dass alle Menschen mit Behinderungen, einschließlich Personen mit intellektuellen Beeinträchtigungen, Zugang zur Persönlichen Assistenz erhalten. Am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen präsentierte die Lebenshilfe eine Deklaration mit konkreten Maßnahmen und Lösungen. Diese wurde an Landesrätin Martina Rüscher übergeben. „Das Land Vorarlberg hat zwar Ende letzten Jahres eine aktuelle Bestandsaufnahme zur Persönlichen Assistenz präsentiert. Unsere Lösungsansätze und Forderungen aus der Deklaration ‚Persönliche Assistenz für alle‘ sind darin jedoch noch nicht enthalten. Wir setzen uns daher weiterhin mit Nachdruck dafür ein, dass alle Menschen mit Behinderungen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen“, erklärt Geschäftsführerin Michaela Wagner-Braito.

Neue, angepasste Strukturen
Der Rückzug der Servicestelle Persönliche Assistenz betrifft die Lebenshilfe nicht direkt, da Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen im Pilotprojekt bisher nicht berücksichtigt wurden. „Dennoch bedauern wir diese Entscheidung, da sie einen Rückschritt für das gesamte Projekt in Vorarlberg darstellt – und damit auch unsere Klienten betrifft“, so Wagner-Braito. Sie betont: „Auch wir sehen die Notwendigkeit einer neuen, angepassten Struktur für die Persönliche Assistenz. Unsere Lösungsansätze liegen auf dem Tisch und zeigen konkrete Wege auf, wie Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderungen, einschließlich Personen mit intellektuellen Beeinträchtigungen, umgesetzt und sichergestellt werden kann.“
Die Geschäftsführerin erwartet, dass „nicht nur wir, sondern alle relevanten Träger auf Augenhöhe in diesen Prozess einbezogen werden. Es braucht eine abgestimmte Lösung, die klar definiert, welche Träger welche Bereiche der Persönlichen Assistenz abdecken können, um ein bedarfsgerechtes und nachhaltiges Angebot sicherzustellen.“
Politik muß tätig werden
Ohne umfassende politische Maßnahmen bleibt für Michaela Wagner-Braito die Umsetzung der Persönlichen Assistenz für Menschen mit mentaler Behinderung ein unerfülltes Versprechen. Die Politik auf Bundes- und Landesebene müsse die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. „In Anbetracht der aktuellen Situation haben unsere Forderungen noch mehr Gewicht. Denn nun sind nicht nur Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen, sondern alle Menschen mit Behinderungen von dieser ungewissen Situation betroffen. Umso wichtiger ist es, die Dienstleistung der Persönlichen Assistenz durch eine offene Ausschreibung neu aufzustellen. Wir betonen daher erneut: Eine transparente Ausschreibung unter Einbeziehung aller Träger ist essenziell, um ein nachhaltiges und bedarfsgerechtes Angebot zu schaffen.“
Für alle verfügbar sein
Die Lebenshilfe hat sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und hält es für dringend notwendig, die Ursachen für das Scheitern des bisherigen Modells genau zu analysieren. „Zudem sind wir überzeugt, dass unsere Forderungen und Lösungsvorschläge in die Neuausrichtung der Persönlichen Assistenz einfließen sollten. Mit unserer Expertise werden wir weiterhin aktiv dazu beitragen, dass Persönliche Assistenz in Vorarlberg für alle Menschen mit Behinderungen verfügbar ist.“