Lehrermangel bleibt Herausforderung

Seit 1. Oktober 2024 ist Elisabeth Haas Rektorin der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg. Im Interview spricht die 56-jährige Tirolerin über ihre ersten Monate, Vorhaben und vieles mehr.
Wie war Ihr Start an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg?
Elisabeth Haas: Ich habe mich vom ersten Tag an willkommen gefühlt. Als aufgeschlossene Person suche ich aktiv den Kontakt zu den Mitarbeitern – das erleichtert vieles. Ich schätze die interessante Aufgabe in einem schönen Umfeld sehr.
Was hat Sie motiviert, sich für das Rektorat zu bewerben?
Haas: Lehrperson zu sein hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Ich habe den Beruf selbst viele Jahre ausgeübt und engagiere mich seither in der Lehrer(aus-)bildung. Als Rektorin möchte ich Verantwortung übernehmen und diese wichtige Aufgabe mitgestalten.

Ihre Erfahrungen?
Haas: Ich bringe eine Kombination aus akademischen Qualifikationen, pädagogischen Erfahrungen und unterschiedlichen Kompetenzen – gerade auch im Führungsbereich – mit, die ideal zu den Anforderungen einer Hochschulleitung passt. Als promovierte Bildungswissenschaftlerin mit langjähriger Hochschulerfahrung verstehe ich sowohl die theoretischen als auch die praktischen Herausforderungen in der Lehrer(aus-)bildung. Dazu kommen strategische Leitungserfahrung und Projektarbeit. All das ermöglicht mir, sowohl langfristige Visionen zu entwickeln als auch operative Prozesse effektiv zu steuern.
Ihr Vorgänger war nicht unumstritten – wie gehen Sie mit diesem „Erbe“ um?
Haas: Ich habe ihn nur zweimal getroffen. Wichtig ist mir, das Positive weiterzuführen und Gutes wertzuschätzen.
Zur Person
Die im März 1969 in Tirol geborene Elisabeth Haas ist verheiratet und hat einen Sohn. Die 56-Jährige war selber Pflichtschullehrerin und hat sich in ihrem weiteren Karriereverlauf als Bildungswissenschaftlerin vor allem im Forschungsfeld zu Mentoring von angehenden Lehrpersonen einen Namen gemacht. Vor ihrem Engagement als Rektorin an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg war sie an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Edith Stein in Tirol als Institutsleiterin tätig. Ihre Hobbys sind Skifahren, Radfahren und Reisen.
Wie war die Stimmung im Haus bei Ihrem Amtsantritt?
Haas: Viele haben mich sehr unterstützt, wofür ich dankbar bin. Ich sehe ein engagiertes Team. Gleichzeitig unterstütze ich als Psychologin den professionellen Umgang mit Konflikten und deren Aufarbeitung – etwa durch Mediation oder Supervision.
Was haben Sie als Erstes verändert?
Haas: Zunächst habe ich mir einen Überblick über Strukturen verschafft und Kommunikationswege gestärkt – intern wie extern. Der Dialog mit allen Beteiligten ist mir ein großes Anliegen. Prozesse, bei denen alle eingebunden sind, sind für mich wichtige Richtlinien für eine gelingende Hochschulstruktur.

Welche Vision verfolgen Sie für die PH Vorarlberg?
Haas: Einen besonderen Fokus lege ich darauf, innovative Lehrkonzepte zu fördern, den Teamgeist zu stärken und die Hochschule im nationalen wie internationalen Bildungsnetzwerk zu positionieren. Zentrale Werte sind für mich Offenheit, Kooperation und klare Kommunikation. Wertschätzung und Begegnung auf Augenhöhe sind mir ebenso wichtig.
Wie beurteilen Sie den Lehrkräftemangel? Welche Maßnahmen setzt die PH?
Haas: Das ist eine große Herausforderung. Ich denke, dass wir davon ausgehen müssen, dass der Lehrkräftemangel den Bildungsauftrag der Schule auch in den nächsten Jahren beeinträchtigen wird. Die PH Vorarlberg ergreift als erste Maßnahme die Überstellung der Studierenden in die neue Lehramtsstruktur mit dreijährigem Bachelorstudium und zweijährigem Masterstudium. Dadurch kommt ein Studienjahrgang schneller ins Schulfeld, und wir erhöhen die Zahl der Absolventen für Schulen. Öffentlichkeitsarbeit, gezielte Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung und die Stärkung des Ansehens von Lehrpersonen sind ebenso zentral.
Fakten ph Vorarlberg 2025/26
Anzahl Studenten
Bachelorstudium Primarstufe: ca 240 Studierende
Bachelorstudium Primarstufe mit erhöhtem Fernstudienanteil: ca. 50 Studierende
Masterstudium Primarstufe: ca. 80 Studierende
Bachelorstudium Sekundarstufe Allgemeinbildung: ca. 250 Studierende
Masterstudium Sekundarstufe Allgemeinbildung: ca. 70 Studierende
Bachelorstudium Sekundarstufe Berufsbildung: 126 Studierende
Absolventinnen und Absolventen
Bachelorstudium Lehramt Primarstufe : ca. 80 AbsolventInnen
Masterstudium Lehramt Primarstufe : ca. 40 AbsolventInnen
Quelle: Pädagogische Hochschule Vorarlberg
Werden neue Ausbildungsformate oder Quereinstiege forciert?
Haas: An der PH Vorarlberg werden gegenwärtig unterschiedliche Angebote durchgeführt: Hochschullehrgänge für Quereinsteiger und Sondervertragsbedienstete sowie das Bachelorstudium „Fernstudium Lehramt Primarstufe“ in Zusammenarbeit mit der PH Oberösterreich. Im Weiteren wird in Abstimmung mit der Bildungsdirektion Vorarlberg der Stundenplan für das berufsbegleitende Masterstudium in einer regelmäßigen Struktur angeboten, sodass eine Berufstätigkeit und der Einsatz in der Schule gegeben sind.
Wie attraktiv ist das Studium beziehungsweise der Lehrberuf aktuell – was müsste sich ändern?
Haas: Man könnte sicher über einige Punkte diskutieren und in Austausch gehen: mehr Praxisbezug im Studium, finanzielle Anreize, bezahlte Praktika, ein besseres Image und langfristige Perspektiven im Beruf. Auch flexiblere Studienmodelle und Spezialisierungen könnten helfen.

Die Anforderungen werden auch komplexer.
Haas: Ja. Zukünftige Lehrkräfte müssen entsprechend den beruflichen Anforderungen der Schulrealität ausgebildet werden. Die schulische Praxis und damit die Anforderungen an die Lehrpersonen werden zunehmend komplexer: Ganztag, Digitalisierung, Heterogenität, Inklusion. Die Lehrerausbildung kann sich daher nie auf dem bereits Erreichten ausruhen.
Stichwort Künstliche Intelligenz?
Haas: Der Einzug von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Klassenzimmer – wie er derzeit vor allem in Bezug auf den Sprachbot ChatGPT und ähnliche Modelle diskutiert wird – zeigt, dass ein Umdenken bei der Gestaltung von Lernen, Lehren, Unterricht und Leistungsbeurteilung in der Schule notwendig ist. Lehrpersonen müssen sowohl selbst neue Kompetenzen für die nachhaltige Ausübung ihres Berufs erwerben als auch bei ihren Schülern den Kompetenzerwerb fördern können.

Wie wichtig ist Ihnen in der Ausbildung Praxisnähe?
Haas: Sehr wichtig. Ab dem Studienjahr 2025/26 (Lehramt Primarstufe) und 2026/27 (Lehramt Sekundarstufe) sind gesetzlich 25 ECTS-AP im Bachelorstudium und 20 ECTS-AP im Masterstudium für pädagogisch-praktische Studienanteile – also für Praxisanteile vor Ort an den Schulen – vorgesehen. Der Praxisanteil und der vorgeschriebene begleitende Anteil erhöhen sich in den neu konzipierten Curricula. Im Weiteren bieten Schulen in den Praktika ein Lern- und Erprobungsfeld. Die neue Studienarchitektur sieht vor, dass theoretische und praktische Inhalte systematisch miteinander vernetzt werden.
Gibt es diesbezüglich etwas Neues?
Haas: An der PH Vorarlberg wird ab Herbst 2025 ein Zentrum für Pädagogisch-Praktische Studien etabliert. Eine Aufgabe besteht darin, die Zusammenarbeit mit den Schulen im Land zu forcieren und zu stärken.
„Zukünftige Lehrkräfte müssen entsprechend den beruflichen Anforderungen der Schulrealität ausgebildet werden.“
Elisabeth Haas, Rektorin
Was wünschen Sie sich von der Bildungspolitik?
Haas: Bildung darf kein Sparfeld sein. Neben kurzfristigen Maßnahmen braucht es nachhaltige Strategien zur Nachwuchssicherung. Studienabbrüche zeigen, dass Praxisnähe fehlt. Wir brauchen mehr Durchlässigkeit und gezielte Rekrutierung. Was die geplante Umwandlung der PHs in „Schools of Education“ betrifft, bleibt offen, wie das konkret umgesetzt wird.