Mit Gott in einer WG?

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche, Religionslehrerinnen, Theologinnen und andere ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Jakob Geier, Kaplan im Seelsorgeraum Bludenz.
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Sonntagsevangelium
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen. Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht. Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch. Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich. Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.
Johannes 14,23-29
Mit Gott in einer WG?
Es gibt Wohnungen, in die kommt man hinein – und fühlt sich sofort wohl. Da hängt der Geruch von frisch gekochtem Kaffee in der Luft, da stehen Schuhe kreuz und quer, da redet jemand in der Küche. Und trotzdem oder gerade deshalb spürt man: Hier ist jemand zu Hause. Hier ist Leben. Hier wohnt Wärme.
Im biblischen Text für diesen Sonntag sagt Jesus etwas Überraschendes: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“ Gott wohnen bei einem Menschen? Das klingt fast vermessen – oder kitschig. Aber vielleicht ist es genau das, was viele Menschen sich insgeheim wünschen: dass das, was sie glauben oder hoffen, nicht bloß in Kirchenräumen stattfindet, sondern mitten im Alltag. Am Küchentisch, im Beruf, im Gedanken, der einem morgens durch den Kopf geht.
Jesus spricht nicht von einem Gott, der aus sicherer Entfernung beobachtet, bewertet oder kontrolliert, sondern von einem Gott, der einzieht. Der nicht nur zu Besuch kommt, sondern bleibt. Und zwar nicht nur bei besonders religiösen Menschen oder moralischen Vorbildern, sondern dort, wo jemand liebt – und diese Liebe ernst meint. Es ist eine Art göttliche WG (Wohngemeinschaft), eine Einladung an den, der bereit ist, die Tür zu öffnen.
Aber dieser Einzug bringt mehr als nur angenehme Gesellschaft. Jesus sagt: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ – als wäre dieser Frieden sein Gastgeschenk. Und es ist nicht irgendein Friede, sondern einer, „wie ihn die Welt nicht geben kann“. Kein Vertragsfrieden, kein Kompromiss, keine kurzfristige Beruhigung. Sondern etwas Tieferes: innere Ruhe, Vertrauen, eine leise Kraft, die bleibt – und leben hilft.
Das Besondere: Dieser Friede hängt nicht von den äußeren Umständen ab. Er ist nicht davon abhängig, ob das Leben gerade leicht ist oder schwer, ob alles klappt oder sogar schiefläuft. Im Gegenteil: Gerade in den Momenten der Unsicherheit, des Abschieds, der Veränderung – also genau dort, wo dieser Text in der Bibel seinen Platz hat (am Vorabend des Karfreitags) – spricht Jesus diesen Frieden zu.
Vielleicht ist das Jesu größte Hoffnung: Dass Menschen erfahren, dass Glaube kein Pflichtprogramm ist, sondern ein offener Raum. Eine Einladung, sich bewohnen zu lassen von etwas, das größer ist als Angst. Größer als Unsicherheit. Größer als man selbst. Das heutige Evangelium ist eine Einladung. Wer liebt, öffnet sich – für Menschen, für Beziehungen, für das Leben. Und wer sich öffnet, wird erleben: Es kommt etwas in Bewegung. Etwas zieht ein. Vielleicht nennt man es Frieden. Vielleicht nennt man es Gott.