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Gräben zuschütten und in die Zukunft blicken

09.08.2025 • 09:00 Uhr
Gräben zuschütten und in die Zukunft blicken
Johannes Feurle wurde mit nur 29 Jahren Bürgermeister von Sulzberg. Stiplovsek

Der erst 30-jährige Johannes Feurle ist seit 2023 Bürgermeister von Sulzberg, nachdem sein Vorgänger, dessen Vize und zwei weitere Gemeindevertreter zurücktraten. Im Neue-Interview spricht er zur Geschichte und zur Zukunft von Sulzberg.

Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at

Im November 2023 hatten Lukas Schrattenthaler, sein Vize Peter Blank und zwei weitere langjährige Gemeindevertreter ihr Amt niedergelegt, wegen unzumutbarer Belastungen und Angriffen und Drohungen gegen die Familien. Was war geschehen?

Feurle: Es waren mehrere Angelegenheiten zusammengekommen, die zu dieser heftigen Auseinandersetzung in der Gemeinde, aber auch gegen Gemeindemitarbeiter, führten. Es gab anonyme Beschuldigungen, auch zum Umgang mit der Gesamtsituation um die Entlassung des Heimleiters während der Covid-Pandemie. Anfang November legten zwei Gemeinderäte ihr Vorstandsmandat zurück, später folgten fünf Rücktritte, zu denen es sich leider hochschaukelte. Unsere Gemeinde war handlungsunfähig und es folgten intensive Sitzungen. Die Gemeindeführung musste neuformiert werden.

Es kam sogar zu einer Anzeige wegen gefährlicher Drohung.

Feurle: Die hat es gegeben, aber das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

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„Wir haben viele Dialoge geführt, sind Themen neu an­gegangen und sind wieder zu einem Miteinander zurückge­kommen.“

Johannes Feurle, Bürgermeister Sulzberg

Sind die Gräben zugeschüttet?

Feurle: Ja, die sind recht gut geschlossen. Schon das Jahr vor der Wahl, als ich nach dem Rücktritt mit allen Stimmen und einer Enthaltung zum Bürgermeister gewählt wurde, hat gezeigt, was möglich ist, wenn ein gemeinsamer Weg anvisiert wird. Wir haben viele Dialoge geführt, sind Themen neu angegangen und sind wieder zu einem Miteinander zurückgekommen. Die Streitthemen aus der Vergangenheit dürfen ruhen, unser gemeinsamer Blick ist nach vorne gerichtet.

Es gab immer zwei Listen, heuer drei.

Feurle:
Ja, es gab immer die „Liste Sulzberg“ und die „Thaler Liste“, die aus dem Sprengel Thal entstammt. Heuer gab es eine neue Liste „Sulzberg jetzt“. Wir hatten mit allen Fraktionen eine gemeinsame Klausur und konnten die Themen aufgleisen und arbeiten in der Gemeindevertretung sehr gut zusammen. Darauf werden wir auch in Zukunft gut achten, obwohl wir mit unserer Liste sogar eine Zweidrittelmehrheit haben. Wir sind alle gemeinsam die Gemeindevertretung.

Ihre Liste führte Vorwahlen durch. Wo sind Sie gelandet?

Feurle: Ja, die gab es als urdemokratische Wahl und ich war mit Abstand auf dem ersten Platz gelandet, was mich sehr freute und bestärkte. Die Sulzberger Bevölkerung konnte mich vor der Wahl schon mehr als ein Jahr im Amt besser kennenlernen und wissen, wen sie da mit unserer Liste wählen.

Hatten Sie sich eine Direktwahl als Bürgermeister überlegt, um Ihre Position zu stärken?

Feurle: Nein, weil es bei dieser Wahl auch keinen Gegenkandidaten gab. Aber ja, es hätte den Vorteil eines klaren Votums der Bevölkerung für das Amt. Für die Zukunft lasse ich das offen.

Was sind denn nun die Themen für Sulzberg?

Feurle: Bei den großen Themen steht an erster Stelle die Schaffung von Wohnraum für unsere Bevölkerung. Wir haben ein großes Projekt in der Parzelle „Falz“, auf gemeindeeigenem Grund, wo wir mit Nachdruck arbeiten. Das Projekt galt schon als gescheitert, aber es ist gelungen, mit allen Beteiligten das Vorhaben neu aufzustellen und ein Bebauungskonzept zu erarbeiten, das den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht. Es sind jetzt drei Mehrwohnungshäuser geplant mit Wohnungen zur Miete, zum Mietkauf und Verkauf. Aber auch Grundparzellen können erworben werden. Wir denken hier an Wohnraum für alle Generationen. Wir sind eine familienfreundliche Gemeinde und wollen das auch bleiben. Daneben haben wir noch einen Grund in der Parzelle „Badhaus“, wo ebenfalls Wohnraum geplant ist. Unser Ziel ist, dass Sulzbergerinnen und Sulzberger leistbaren und geeigneten Wohnraum finden können.

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Der Sulzberger Bürgermeister im Gespräch mit der NEUE.

Ist Sulzberg eine Zuzugsgemeinde?

Feurle: Aufgrund der attraktiven Gemeinde mit nahen Wegen in den Bregenzerwald, in die Städ­te und auch nach Deutschland ist das naheliegend. Wir bieten eine gute Infrastruktur im Ort, von Ärzten über die Nahversor­gung und Geschäften bis zu den vielen Sportmöglichkeiten. Wir haben ein sanftes Wachstum, das auch mit dem verfügbaren Wohnraum zusammenhängt. Interessant ist, dass der Sprengel Thal am Wachsen ist und wie Zuziehende dort sehr schnell in die Gemeinschaft hineinwachsen. Der Selbsthilfeverein leistet hier Außergewöhnliches und es wird in Kürze wieder einen Nahversorgerladen geben, der von zwei Thalerinnen betrieben werden wird. Das Gasthaus wird im November hoffentlich eine Nachfolge finden und der architektonisch wertvolle Saal ist mit Kulturveranstaltungen und durch die Vereine gut ausgelastet. Dort ist auch das Probelokal der Thaler Musik untergebracht und eine kleine Bankstelle. Thal funktioniert.

Sulzberg ist eine beliebte Destination für Tagestouristen.

Feurle: Das ist richtig, aber wir haben daneben einen Nächtigungstourismus mit unseren Gasthäusern, aber auch mit Privatzimmervermietern. Davon hätten wir gerne noch mehrere, die Nachfrage ist vorhanden. Wir haben ein sehr aktives Tourismusbüro und bieten über das Jahr ein attraktives Veranstaltungsprogramm. Wir sind auch Teil des Bregenzerwald-Tourismus und kooperieren mit dem nahen Allgäu. Im Rahmen des Naturparks Nagelfluhkette sind wir in diese Richtung bestens vernetzt und leben einen naturnahen, sanften Tourismus.

Sulzberg sollte einmal ein Nordic-Center werden.

Feurle: Wir haben einen Nordic Sport Park mit mehreren Loipen, sogar eine mit Nachtbeleuchtung und eine Biathlonanlage. Den Nordic Sport Park wollen wir wieder stärken und das Angebot erweitern. Auch präparieren wir Wege zum Winterwandern. Im Ortskern haben wir einen Dorflift, der privat betrieben wird. Eine Zukunftssicherung für die Schilifte Hagenberg, die als Genossenschaft geführt werden, wird erarbeitet. Hier wird offen in alle Richtungen gedacht. Dazu hat sich ein sehr aktives Team gebildet und wir sind gespannt auf die Möglichkeiten dieser Freizeitanlage.

Welche Rolle spielt die Landwirtschaft?

Feurle: Eine große und wichtige, wir haben eine Sennerei und eine gute Kooperation mit den „Sulzberger Käserebellen“. Viele Familien aus dem Ort leben direkt von der Landwirtschaft. Für den Tourismus ist eine funktionierende Landwirtschaft wichtig und der Erhalt unserer schönen Kulturlandschaft hängt davon ab.

Ihre Vision?

Feurle: Wir wollen eine attraktive Gemeinde bleiben und unsere hohe Lebensqualität weiter ausbauen. Die Infrastruktur soll weiterentwickelt werden, dass sich alle Generationen wohlfühlen und wir für lokale Unternehmer gefragt bleiben. Mir persönlich ist das Miteinander sehr, sehr wichtig. Nur gemeinsam mit der Bevölkerung kommen wir voran. Wir haben eine sehr lebenswerte Gemeinde an einem sehr schönen Platz mit vielen aktiven Vereinen und Ehrenamtlichen, was nicht selbstverständlich ist. Mir gefällt mein neuer Beruf sehr gut und wir gestalten gemeinsam als Gemeindevertretung mit der Bevölkerung die Zukunft unserer Gemeinde.

Zur Person

Johannes Feurle (30) ist im November 2023 von der Gemeindevertretung zum Bürgermeister gewählt worden. Er besuchte in Bregenz die HTL für Maschinenbau und studierte anschließend Rechts- und Politikwissenschaften (BA), daneben war er selbständiger EDV-Techniker und Schulungsleiter. Er lebt seit acht Jahren in einer Partnerschaft, liest gerne, bewegt sich gerne in der Natur, spielt im Musikverein Trompete und fährt vielleicht wieder einmal Motorrad, wenn es die knappe Freizeit zulassen wird.