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„Das begehrteste Tal im Alpenraum“

03.09.2025 • 07:30 Uhr
„Das begehrteste Tal im Alpenraum“
Joachim Fritz wurde im Frühjahr zum Bür­germeister von Mittelberg, dem Kleinen Walsertal, gewählt.hartinger

In der Gemeinde Mittelberg, dem Kleinwalsertal mit 5000 Einwohnern, waren drei Kandidaten zur Bürgermeisterwahl angetreten. FPÖ-Kandidat Joachim Fritz gewann, seine Mitbewerber haben sich aus der Gemeindepolitik zurückgezogen.

Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at

Woran lag es, dass Sie als Kandidat überzeugen konnten?

Fritz: Das müsste man die Wähler selbst fragen, aber die Menschen im Tal kennen mich und die Sympathie spielt sicher eine große Rolle. Ich vermute, dass mein Einsatz für das Ärztehaus eine Rolle spielte. Da sind einige Dinge in der Vergangenheit nicht optimal gelaufen. Ich habe über meine Kontakte im Vorarlberger Landtag im Herbst 2024 den Kontakt zum „Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin“ (aks) hergestellt und Gespräche geführt, um die Mangelversorgung in diesem Bereich zu beseitigen. Der aks würde das Ärztehaus bauen und betreiben, was für uns eine große Erleichterung ist.

Sie haben aber in der Gemeindevertretung keine Mehrheit und auch keine Koalition.

Fritz: Das ist richtig und es war von Anfang an meine bewusste Entscheidung, keine Koalition zu bilden. Ich habe den anderen Listen auch den Vize-Bürgermeister angeboten, aber das wurde abgelehnt und so wird auch der Vize-Bürgermeister von meiner Fraktion gestellt. Eine Koalition würde zwar das politische Geschäft vereinfachen, aber ich bin ein Fan der echten Demokratie. Das heißt, wenn das Spiel der freien Kräfte stattfindet, musst du zwar mehr Überzeugungsarbeit im Vorfeld leisten, dafür hast du aber anschließend Beschlüsse, die standhalten, weil sich alle Listen zu einem Thema deklarieren und dann ein breiter Beschluss zustande kommen kann. Die Stimmung in der Gemeindevertretung war in der Vergangenheit aufgrund der absoluten Mehrheiten sehr angespannt, das habe ich geändert. So machen wir jetzt vor Gemeindevertretungssitzungen mit komplexen Themen im Vorfeld eine Klausur, um alle Gemeindevertreter und Ersatzleute umfassend zu informieren und offene Fragen zu klären, damit dann alle für die Sitzung gut vorbereitet sind und alle denselben Wissensstand haben. Für die kommenden Klausuren werden auf Wunsch einer Fraktion sogar alle auf einer Liste angeführten Personen eingeladen. Ob sich das bewährt, werden wir sehen, weil es dann weit über 100 Personen sind.

„Das begehrteste Tal im Alpenraum“
Joachim Fritz im Gespräch mit der NEUE.

In Mittelberg werden die Gemeindevertretungssitzungen gestreamt und stehen dann drei Tage online zum Nachschauen zur Verfügung.

Fritz: Ja das stimmt, denn Transparenz ist wichtig, damit sich die Menschen ein Bild von der Gemeindepolitik machen und sich auch in die Politik einbringen können. Es greifen bis zu 1000 Menschen darauf zu. Die Gemeindevertretung hat mittlerweile eine Routine mit dem Livestream entwickelt und in einer Fachgruppe wird aktuell auch ausgearbeitet, ob und wie diese Aufzeichnungen dauerhaft zur Verfügung stehen sollen, das war mein Wunsch.

Es gab 2012 eine Volksabstimmung im Tal zur Panoramabahn, die ja ab­gelehnt wurde. Auch lehnte die Bevölkerung in den 80er-Jahren einen ins Auge gefassten Tunnelbau in den Bregenzer­wald klar ab.

Fritz: Ich bin absolut für die direkte Demokratie. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, dass die gewählten Mandatare ihre Arbeit machen und Entscheidungen treffen. Aber bei wichtigen, heiklen und emotionalen Themen soll die Bevölkerung direkt mitentscheiden können. Ich bin ein Anhänger der direkten Demokratie. Ein Tunnel in den Bregenzerwald wäre für das Tal sehr ungünstig, weil wir dann vermutlich eine Durchzugsregion zum Arlberg wären. Diese „schönste Sackgasse der Welt“, wie wir auch schon beschrieben wurden, macht uns aus und das wollen wir auch bleiben.

Das Kleine Walsertal ist eine der größten Tourismusgemeinden Österreichs und man empfindet ihn schon sehr massiv inklusive des Verkehrs.
Fritz: Wir haben ein sehr schönes Tal und liegen für die deutschen Touristen geografisch sehr günstig, mit einer Autobahn und Schnellstraße bis 30 Kilometer vor das Tal. Aber wir haben keinen Übertourismus, wir sind gut aufgestellt und haben einen Tourismus, der sehr gut funktioniert. Wir setzen dabei auf Qualitätstourismus, der von unseren Gästen geschätzt wird und der auch auf die Einheimischen Rücksicht nimmt. Unsere gepflegte Kulturlandschaft ist neben den Tourismusbetrieben unser Kapital und deshalb unterstützen wir beispielsweise auch von Gemeindeseite finanziell unsere Landwirte, die sich um diese kümmern. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal und gibt es sonst meines Wissens nirgendwo. Der Tourismus funktioniert also sehr gut, auch wenn der Verkehr immer ein Thema ist. Aber da erarbeiten wir laufend neue Konzepte, haben mit dem Walserbus-System einen guten öffentlichen Nahverkehr mit engem Takt. Klar, zu den Beginn- und Schlusszeiten des Schibetriebs haben wir Stoßzeiten wie in allen Skiregionen auch. Für dieses Thema haben wir Arbeitsgruppen eingerichtet, wobei auch eine Fachgruppe „Zukunftswerkstatt“ als Visionsgruppe arbeitet, die losgelöst von kommunalen Problemstellungen eben Visionen erarbeiten soll, die in weiterer Folge auf Umsetzung geprüft werden und neue Denkansätze liefert. In dieser können auch Menschen aus dem Tal mitwirken, die nicht in der Gemeindevertretung sind, mit dem Ziel, in der ganzen Breite zu denken.

„Das begehrteste Tal im Alpenraum“

„Bei wich­tigen, heiklen und emotionalen Themen soll die Bevölkerung direkt mitent­scheiden können.“

Joachim Fritz, Bürgermeister

Das kleine Walsertal profitierte vor der EU-Mitgliedschaft als Zollausschlussgebiet und hatte bis zur Abschaffung des österreichischen Bankengeheimnisses 2016 eine enorme Bankendichte mit extrem hohen Bilanzsummen wegen der deutschen „Anleger“.

Fritz: Aufgrund unserer Sonderstellung waren wir immer schon wie eine kleine EU, deutsches Wirtschaftsgebiet und österreichisches Hoheitsgebiet. Für uns gab es diese Grenze nach Deutschland nicht. Trotzdem ist und war die Heimatverbundenheit zu Vorarlberg immer sehr groß, wir sind überzeugte Österreicher. Die Bankendichte wurde nach den rechtlichen Änderungen geringer und die Summen wurden kleiner, aber eine große Veränderung für das Tal hat das nicht bedeutet. Der Tourismus ist stabil geblieben.

Das Ärztehaus und das Sicherheitszentrum waren in den letzten Jahren immer wieder medial Thema. Wie geht es weiter?

Fritz: Beim Ärztehaus in Hirschegg soll es am 18. September einen Beschluss zu den Verträgen mit dem aks geben. Wir übernehmen eine Ausfallhaftung und es gibt auch schon Interessenten aus der Ärzteschaft. Beim Sicherheitszentrum gab es vor meinem Amtsantritt massive Konflikte mit den Anrainern und Grundeigentümern, was von dieser Seite dann auch zur Aufkündigung der Erlaubnis zum Betrieb der Langlaufloipe führte. In vielen gemeinsamen Gesprächen mit den Anrainern ist es nun gelungen, mit einem Plan „B“ das Projekt zu überarbeiten, die Anrainer ins Boot zu holen und wir haben dadurch einen Standort gefunden, der bei den Anrainern und in der Gemeindevertretung Zustimmung findet.

Gibt es eine große Vision des neuen Bürgermeisters?

Fritz: „Wir leben dank unserer Natur und unserer geografischen Lage in einer sehr günstigen Situation und haben einen gut funktionierenden Tourismus. Wir setzen weiter auf Qualitätstourismus und wollen „das begehrteste Tal im Alpenraum“ werden. Nicht das Größte oder Beste, sondern das Ursprüngliche bewahren. Die Verkehrssituation müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern im Allgäu immer wieder im Miteinander neu überdenken und zusammen entwickeln. Das geschieht.“

Zur person

Joachim Fritz (51), stammt aus dem Kleinwalsertal, besuchte dort die Schulen und wurde Bautechnischer Zeichner. Nach dem Präsenzdienst wechselte er zur Polizei und machte dort in der Personalvertretung Karriere bis zum freigestellten Personalvertreter und Gewerkschafter bei der AUF/FEG. Seit November 2024 ist er für die FPÖ im Vorarlberger Landtag und seit Frühjahr 2025 auch Bürgermeister von Mittelberg. Er hat zwei erwachsene Kinder und war viele Jahre lang auch nebenberuflich als Musiker sehr erfolgreich tätig.