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Trachten: Von alter Kunst und Tradition

13.09.2025 • 15:00 Uhr
Trachten: Von alter Kunst und Tradition
Ulrike Bitschnau (Bild Mitte) und ihre Familie leben die Vorarlberger Tradition.hartinger

Für Ulrike Bitschnau sind Vorarlberger Trachten nicht nur gelebte Tradition, sondern eine Herzensangelegenheit. Sie setzt sich für die Weitergabe und den Erhalt des Kulturgutes ein.

Von Christine Moosmann-Hämmerle
neue-redaktion@neue.at

Als Ulrike Bitschnau im Alter von 14 Jahren zum ersten Mal zu einer Trachtengruppe ging, konnte sie sich wohl noch nicht vorstellen, wie wichtig Vorarlberger Trachten für sie werden sollten. Aus dem anfänglichen: „Ich schau mir das mal an“, wurde eine Aufgabe fürs Leben. „Es war ein besonderes Gefühl, als ich das erste Mal die Tracht anhatte. Man fühlt sich ganz anders“, erinnert sie sich. Mittlerweile ist die Vandanserin seit zehn Jahren Obfrau des Vorarlberger Landestrachtenverbandes und setzt sich mit viel Leidenschaft und Engagement für den Erhalt der Vorarlberger Trachten ein. Sie ist stolz auf die Vielfalt, die diese bieten. „Seit ich mich mit den unterschiedlichen Trachten Vorarlbergs befasse, sehe ich wie schön sie sind. Jede einzelne hat etwas Besonderes an sich“, erzählt sie. Von allen Bundesländern Österreichs gibt es in Vorarlberg die meisten noch erhaltenen historischen Trachten. Ulrike Bitschnau ist es besonders wichtig, dass das Wissen um die Herstellung der Tracht in den jeweiligen Regionen erhalten bleibt.

Trachten: Von alter Kunst und Tradition
In einer historischen Montafoner Frauentracht stecken unzählige Arbeitsstunden, was sie zu einem wahren Kunstwerk macht.

Deshalb wurde auch vor 15 Jahren das Projekt „Mäßli Montafon“ gestartet. Das Mäßli ist eine historische Kopfbedeckung der Montafoner Tracht. Seit über 100 Jahren war kein Mäßli mehr im Montafon hergestellt worden. Ulrike Bitschnau machte sich auf die Suche nach dem richtigen Material und jemandem, der die Mäßli filzen kann. In alten Unterlagen war zu lesen, dass die Kopfbedeckung aus Ziegenhaar der Walliser Schwarzhalsziege besteht – einer Ziegenrasse, die es im Montafon nie gab. Eine Laboranalyse des historischen Mäßlis ergab, dass es aus Wolle vom Bergschaf und vom Montafoner Steinschaf besteht. In Dornbirn fand sie einen Schafzüchter, der historische Schafrassen hält, von denen jetzt die Wolle stammt. Mit einer Filzerin vereinbarte sie, dass diese einige Mäßli herstellt und danach das Wissen um die Herstellung ins Tal zurückgibt. Inzwischen werden die Mäßli wieder in Tschagguns gemacht. „Das ist der Zweck der ganzen Sache, dass das Wissen und die Herstellung ins Tal zurückkehren“, erklärt die Mutter von drei Kindern und ergänzt: „Es ist auch viel Idealismus dabei.“

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Ob bei Festen, Musik oder Tanz, die Männer und Frauen tragen ihre Tracht mit Stolz und halten so lebendiges Brauchtum aufrecht.

Besonderer Kopfschmuck

Mit Idealismus geht auch ihr Ehemann Hermann ans Werk, wenn er ein neues Schäppel herstellt. Das Schäppel ähnelt einer kleinen Goldkrone und wird von Mädchen und jungen unverheirateten Frauen auf dem Kopf getragen. Seit etwa 20 Jahren fertigt Hermann Bitschnau den filigranen Kopfschmuck an und restauriert alte Schäppel. Dabei braucht er viel Geduld und Fingerspitzengefühl. „Man darf die alten Sachen kaum angreifen, weil sie einem sonst in den Händen zerbrechen“, erklärt er. Die Nachfrage ist groß. Derzeit warten sechs Bestellungen für Schäppel darauf, von ihm gemacht zu werden.

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Die Obfrau des Vorarlberger Landestrachtenverbandes trägt eine historische Frauentracht und das Mäßli, eine traditionelle Kopfbedeckung.

Kulturerbe

Im Trachtenwesen wird zwischen der historischen und der erneuerten Tracht unterschieden. Die historische Tracht bleibt über Jahrhunderte nahezu unverändert. Die erneuerte Tracht ist alltagstauglicher, besteht aus strapazierfähigeren Stoffen und bietet mehr Bewegungsfreiheit, etwa beim Tanzen oder Musizieren. In einer historischen Montafoner Frauentracht stecken unzählige Arbeitsstunden, was sie zu einem wahren Kunstwerk macht. Entsprechend hoch sind die Kosten für das Ensemble. Allein die kunstvollen Stickereien aus Gold- und Seidenfäden kosten etwa 2000 Euro. Früher wurden auch die dazugehörigen Handschuhe handgehäkelt. Im Montafon gibt es noch zwei Juppennäherinnen, die das traditionelle Kleidungsstück anfertigen. „Wenn wir keine Kleidermacherinnen mehr haben, dann sieht es für die Trachten nicht gut aus“, sagt Ulrike BitschnauMännertrachten werden schon seit längerem von Vereinsausstattern bezogen und sind keine Einzelanfertigungen mehr.

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Auch der Nachwuchs wird in die Tradition eingebunden.

Wissen weitergeben

Um das Kunsthandwerk, das in einer Tracht steckt, zu bewahren, finden seit etwa 20 Jahren in den verschiedenen Regionen Vorarlbergs Kurse statt. Hier wird das Wissen um die Herstellung von Kopfbedeckungen oder Stickereien weitergegeben. Ein weiterer positiver Effekt der Kurse ist, dass über sie mehr Leute Zugang zur Tracht haben und sich dafür interessieren. Es gibt besonders in den Tälern einen Trend zu mehr Tracht. „Wir haben jetzt viele junge Frauen im Bregenzerwald, im Montafon und in den Walsertälern, die sich wieder eine Tracht anschaffen. Sie sagen, das ist das günstigste ‚Häß‘, das kannst du überall anziehen, zu jedem festlichen Anlass“ erzählt Ulrike Bitschnau und fügt hinzu: „Mir ist ganz wichtig, dass jeder eine Tracht anziehen kann, der sich in einer Region heimisch fühlt.“

Die Montafoner Tracht, die zur Bregenzer Tracht gehörende Radhaube und die Bregenzerwälder Tracht sind auf der Liste des Unesco Kulturerbes. Dabei ist es nicht die Tracht selbst, sondern das Wissen um das Tragen und die Herstellung der Tracht, die zum immateriellen Kulturerbe gehört. Als nächstes möchte sich Ulrike Bitschnau darum kümmern, dass auch die Kleinwalsertaler Tracht in das Unesco Kulturerbe aufgenommen wird.

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Ella (6) trägt ein Schäppel und Zopfbänder.

Für die Zukunft wünscht sie sich, dass sich wieder mehr Leute für das Anfertigen von Trachten interessieren und die dafür nötigen Kunsthandwerke erlernen, zu denen auch das Trachtenschneidern gehört. „Und dass sich weiterhin so viele junge Männer und Frauen wieder Trachten anschaffen. Denn eine Tracht hat kein Alter, man kann sie in jedem Alter anziehen. Und wir sollten stolz auf unsere Kultur in Vorarlberg sein.“