Astronomischer Herbststart: Warum Tag und Nacht doch nicht gleich lang sind

Kürzlich war astronomischer Herbstbeginn. Da stand die Sonne senkrecht über dem Äquator. Weltweit sollte sie im Osten auf- und im Westen untergehen und der Tag sollte genau zwölf Stunden dauern.
Von Robert Seeberger
neue-redaktion@neue.at
Aus Kalendern entnehmen wir, dass heuer am Montag, dem 22. September um 20.19 Uhr MESZ astronomischer Herbstbeginn war. Es ist allgemein bekannt, dass dann der Tag und die Nacht genau gleich lang sind. Überprüfen wir das, so gibt es im gebirgigen Land einige Hindernisse. Es ist schwierig, einen Beobachtungsort zu finden, von dem aus weder im Osten noch im Westen Hügel, Berge oder andere Hindernisse die Sicht zum tatsächlichen Horizont verstellen. Daher verspäten sich die Sonnenaufgänge um etliche Minuten oder gar um eine Stunde. Umgekehrt sinkt die Sonne deutlich früher unter den natürlichen Horizont.
Daher können wir eine Astronomie-Software zurate ziehen, die Wetterseiten von Tageszeitungen konsultieren oder in einer Suchmaschine die Auf- und Untergangszeiten abfragen. Daraus ergibt sich für Bludenz am 22. September eine Tageslänge, die gut zehn Minuten länger als zwölf Stunden dauert. Sucht man den Herbsttag mit exakt zwölf Stunden, so kommt man auf den 26. oder 27. September.
Die verschiedenen Jahreszeiten
Die Definition der Jahreszeiten unterscheidet sich darin, wen man fragt. Für Meteorologen dauert jede Jahreszeit genau drei Kalendermonate: Jänner bis März ist Winter, April bis einschließlich Juni ist Frühling, und so weiter. Diese Definition berücksichtigt die Trägheit der Atmosphäre gegenüber Temperaturänderungen. Nach dem Sonnenhöchststand dauert es noch über einen Monat, bis sich die Lufthülle erwärmt hat. Der Herbst hat bei den Meteorologen am 1. September begonnen. Da war der Tag noch fast 13,5 Stunden lang.
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Die astronomische oder kalendarische Definition bezieht sich auf die Bewegungsabläufe der Erde um die Sonne. Die Erdachse ist um 23,5 Grad gegenüber der Senkrechten geneigt. Daher steht die Sonne zum Herbst- und Frühlingsbeginn mittags senkrecht über dem Äquator. Zu Winterbeginn (auf der Nordhalbkugel) steht die Sonne senkrecht über dem südlichen Wendekreis, also bei 23,5 Grad südlicher Breite, während sie zu Sommerbeginn über dem nördlichen Wendekreis steht.
Diese Definition hat zur Folge, dass zu den Äquinoktien, wie die Tag- und Nachtgleichen auch genannt werden, überall die Sonne genau im Osten aufgeht und im Westen untergeht. Zudem dauern jeweils Tag und Nacht genau zwölf Stunden.
Sonnenaufgang
Der Sonnenaufgang beginnt dann, wenn der oberste Rand der Sonne morgens am Horizont erscheint. Die Sonne hat einen Winkeldurchmesser von einem halben Grad. Daher dauert es mindestens zwei Minuten (wenn die Sonne die Horizontlinie senkrecht überschreiten würde), in der Praxis aber mehr als fünf Minuten, bis der ganze Sonnenball über dem Horizont ist. Das lässt sich sehr schön bei Aufgängen über dem Meer messen.
Die Tag- und Nachtgleiche bezieht sich jedoch auf den Sonnenmittelpunkt. Schon deshalb ist der Tag zu Herbstbeginn einige Minuten länger als die Nacht.
Es gibt zwei Festlegungen des Horizonts. Beim geozentrischen geht die Horizontebene durch den Erdmittelpunkt, beim topozentrischen durch den Beobachtungspunkt. Auch dieser Effekt führt zu Differenzen zwischen den tabellarischen und den beobachteten Aufgangszeiten.
Die Refraktion, auch Lichtbrechung genannt, bewirkt, dass wir die Sonne schon sehen, bevor sie den Horizont überstiegen hat. Auch dadurch gewinnen wir morgens und abends je zirka zwei Minuten Sonnenlicht.
Mit anderen Worten: Tag- und Nachtgleiche wäre nur dann am 22. September gewesen, wenn die Sonne punktförmig wäre und die Erde keine Lufthülle hätte.
Eine Kuriosität zum Schluss: Würden wir den Herbstbeginn so definieren, dass es je zwölf Stunden hell und dunkel ist, wäre morgen Tag- und Nachtgleiche.