_Homepage

Evangeliumkommentar: Der Beginn am Ende

29.11.2025 • 09:00 Uhr
Evangeliumkommentar: Der Beginn am Ende
Panagiotis Papgeorgiuo

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche, Religionslehrerinnen, Theologinnen und andere ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Johannes Lampert von der Jungen Kirche Vorarlberg.

Sonntagsevangelium

Denn wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen. Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. Matthäus 24,37-44

Der Beginn am Ende

Eine Meditation. Ein Innehalten. Der Raum vergrößert sich und biegt sich nach außen. Es bieten sich Blickwinkel. Der abgekürzte Weg geht in die Innenschau. In der Herberge des Körpers: das nackte Selbst. Facettenreich. Abgründig. Peinlich. Lustig. Gezaubert und verzaubert. Ich bin das also? All das? Unausweichlich? Der kurze Weg in das Selbst. Wie auf dem Mond mit Siebenmeilenstiefeln. Die Erkenntnis aller Selbstaspekte ist ein Achtsamkeitswerk, ein schwerwiegendes In-Verantwortung-Gehen. Ein Innehalten. Niemals kann ich mich vor mir selbst verstecken. Ein Verleugnen ginge, ist aber heute keine Option – nur ein Aufschieben der Notwendigkeit. Und jederzeit ist heute.

Der ständige Weg. Die großartige Innenschau nach draußen. Nach der Erkenntnis (eben) der Selbstaspekte: Sie berühren die Welt. Die Beschau wird körpergrenzenlos und übersinnlich. Uns ist zwar die Wahrnehmung für alles in allem nicht geschenkt; die Achtsamkeit sehr wohl. Also sehe ich durch mich hindurch in die Welt: aus dem beschlagenen Winterfenster, am Straßensaum über die Raureifwiese, aus der Tiefe des jeweiligen Tages in die Weite des Gewichtes von Begegnung und Tatendrang. „Wir sind Freunde, weil wir über dieselbe Erde gehen. Wir sind Feindschaftsverweigerer. Wir sind: ohneeinander nicht denkbar.“

Dieses Leben ist ein Verantwortungsbeweis. Ein Achtsamkeitsdenkmal. Weshalb? Weil wir zuschauen können (in Echtzeit), was Lautstärke und Machtfantasie anrichten (es ist angerichtet). „Traut nicht dem, der Feinde braucht, um vor der Menge reden zu können. Seid ihm Freund, damit auch er Freund sein kann.“ Weil wir zuschauen können (in Wahrheit), wie die Liebe in leiser Sprache spricht und selbst den kleinsten Hass entmachtet. Zu welcher Stunde? Zu jeder Stunde?

Der wachsame Geist ist ein Ewigkeitsfreund, ein Allesdenkender in Allem, ein Jedermensch im Zwischenraum. Der wachsame Geist hält nach draußen inne. Er sieht immer das Vergehen: das Ende der Stunde am Anfang der nächsten. Er sieht im Seinlassen (Sterben) den Freudenmoment, die Geburt: Die Menschwerdung ändert (gar) alles. Und wir werden sehen, was ein Mensch sein kann. Wenn am Ende alles beginnt.

Johannes Lampert
Johannes Lampert ist bei der Jungen Kirche Vorarlberg.