„Allmählich beginnt ein Aufwachen“ – Pfarrer Toplek über Advent, Frieden und innere Ruhe

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Die vier Adventsonntage stehen bei der NEUE heuer im Zeichen der Gedanken und Erfahrungen katholischer Geistlicher. In dieser Woche kommt der Dornbirner Pfarrer Dominik Toplek zu Wort. Sein Wunsch: dass sich jeder Mensch getragen fühlen kann.
Mögen Sie den Advent?
Dominik Toplek: Ja, ich mag ihn wirklich gern. Der Advent lädt mich ein, Atem zu holen. Es gibt mehr Bewusstes, Besinnliches, mehr Stille. Ich mache mir abends ab und zu einen Glühwein, solche ganz eigenen Momente koste ich gerne aus.
Sie persönlich mögen den Advent. Gilt das auch für Ihre Arbeit?
Toplek: Auch die Leute mögen die Bräuche im Advent sehr, weil sie besonders sind und die Vorfreude auf das Weihnachtsfest prägen. Kürzlich war der Adventbasar, da sind alle voll in ihrem Element, schaffen, verzieren, bereiten Kekse vor, Kaffee und Kuchen, Kränze, ein guter Gedanke ist da präsent. Außerdem haben wir die Rorate-Feiern, das heißt zwei Mal in der Woche um fünf Uhr aufstehen, da kommt man an eine innere Grenze, wird wachgerüttelt. Diese Gottesdienste sind mit schöner Musik, viel Kerzenlicht, da ist einfach ein Zauber drin.

Was bedeutet Weihnachten aus theologischer Sicht?
Toplek: Wir bereiten uns auf Menschwerdung Gottes vor. Früher durch eine Bußzeit, eine Fastenzeit, wo man enthaltsam war. Das ist heute nicht mehr so, trotzdem gibt es viele Rituale, Bräuche, Momente, die einen bereit machen für das Kommen Gottes. Rorate zum Beispiel, wir bieten Meditationen an, das eine oder andere Konzert. Für Kinder machen wir ein Singen um den Adventskranz, und wir laden ein zum gemeinsamen Christbaumschmücken, mit Keksen und Glühwein, das alles ist ein Auskosten der Vorweihnachtszeit.
Weihnachten ist ja auch ein Friedensfest. Glauben Sie an den Frieden?
Toplek: Ja, ich glaube an den Frieden. Kürzlich habe ich einen Gottesdienst für die Blaulicht-Organisation im Land gehalten – ich bin ja auch Polizeiseelsorger. Es war zwar auch ein Totengedenken, wir haben aller Verstorbenen gedacht. Aber es ist auch der Friedensgedanke eingeflossen, weil Polizisten viel zu dem Frieden beitragen, den wir im Land erfahren. Was ist eigentlich Frieden? Die Wurzel dessen, was Unfriede ist, zu Krieg führt, ist immer Angst. Und was wirkt der Angst entgegen? Die Liebe, die Hinwendung, Hingabe, dass ich deutlich mache, „ich bin da, begleite dich“. Das bewirkt, dass der andere seine Schattenseiten akzeptieren kann, sich so annehmen kann, wie er ist. Das führt zu innerem Frieden, der nach außen wirkt. Es ist ein Friede, der von anderen Stelle kommt und der im Weihnachtsfest gipfelt: „Fürchte dich nicht, ich bin ein Gott, der da ist für dich, der konkret in dein Leben hineinwirkt, sich greifbar macht.“ Das feiern wir an Weihnachten.

Der gesellschaftliche Druck durchs Smartphone nimmt uns die Menschlichkeit.
Dominik Toplek, Pfarrer
Haben Sie das Gefühl, Sie können etwas für den Frieden tun?
Toplek: Ich kann persönlich schauen, dass ich mich im Akzeptieren übe. Ich kann mir bewusst machen: „Das ist mir danebengegangen“, und dann glauben: „Ich bin trotzdem geliebt“. Ich kann auch an meinem eigenen inneren Frieden arbeiten, indem ich für andere da bin und sage: „Ich respektiere, wie du bist und bin mit dir in deiner dunklen Situation, in der du vielleicht gerade steckst, und geb dem Frieden einen Raum“. Ich verzichte damit darauf, immer Schuldige zu suchen für meine Unzufriedenheit, meine Angst. Ich weiß, ich bin mit dem Gegenüber verbunden. Es gibt nichts Trennendes, das Trennende schaffen wir selber.
Was für ein gesellschaftliches Thema beschäftigt Sie im Moment noch?
Toplek: Der gesellschaftliche Druck durchs Smartphone und wie sehr es uns die Menschlichkeit nimmt. Immer am Ball, immer noch mehr Vernetzen mit einer scheinbar wichtigen Community, dabei sind diese Netzwerke menschlich arme Beziehungen. Ein Philosoph hat uns in diesem Zustand „Phonosapiens“ genannt. Wenn ich junge Menschen sehe, die nebeneinander hergehen, jeder mit dem Smartphone in der Hand, das erschüttert mich.
Allmählich gibt es aber ein Aufwachen. Gerade habe ich von einer Studie gelesen, dass Kinder, die aufs Handy verzichten, mental stärker sind.
Sind die Leute heute denn auch einsamer als früher?
Toplek: Ja, würde ich behaupten. Die Medien haben sich entsprechend entwickelt, man muss sich nicht mehr begegnen, die Leute nicht mehr Face-to-Face treffen. Alles, was das aufbricht, finde ich super. Wir haben zum Beispiel Seniorennachmittage. Die Community-Nurses haben sich gegen Vereinzelung und Vereinsamung engagiert. Gespart wird überall, aber gerade da finde ich es besonders schade.

Sind wir mehr im Machen als im Sein?
Toplek: Es ist ein Mühen ein Leben lang, wieder ins Sein zu kommen. Einfach mal ins Feuer zu starren, hat keinen unmittelbaren Nutzen. Aber es erfüllt das ganze Leben, wenn ich einen Moment nur schaue und entspannen kann. Kinder können das ganz hervorragend, wir haben es verlernt und finden es vielleicht im Spielen, im Puzzlen. „Nur Sein“, das wirkt echt langweilig, aber es ist enorm erfüllend, es beruhigt, da wird das Gehirn entspannt und es kommen einem die wunderbarsten Ideen. Da kann was einfallen, man wird kreativ.
Wir haben über Entwicklungen gesprochen, die eher schwierig sind. Gibt es etwas, das Sie mit Hoffnung erfüllt?
Toplek: Immer mehr gerade bei jungen Menschen das Interesse am alles Übergreifenden. „Wo finde ich ein erfülltes Leben?“ Das bedeutet ein großes Engagement für die Umwelt, für eine lebenswertere Zukunft. Ein Weitermachen wie bisher ist auf lange Sicht nicht möglich. Hoffnung schenkt mir, dass in ein scheinbar Aussichtsloses trotzdem ein Handeln kommt, ein Dagegen Handeln. Es ist nie zu spät. Nur darf ich nicht erwarten, dass es so wird, wie ich es mir vorstelle.
Was wünschen Sie uns allen?
Toplek: Dass jeder Mensch sich getragen fühlen kann. Dass immer jemand da ist, der eine Hand anbietet, die er nur ergreifen muss. Dass er aufgrund dieses Bewusstseins sagt: Ich bemühe mich, alles wegzuräumen, was dem entgegensteht – und ich baue mehr kontemplative Momente ein.