Der erste Eiskanal seiner Art

In Bludenz werden derzeit die ersten Betonwannen gesetzt.
Das Sägeblatt der Handkreissäge quält sich durch die Eisenstange. Funken sprühen in weitem Bogen davon. Die Hand des Arbeiters biegt die Stange an der Schnittstelle nach unten, bis das obere Teil klirrend zu Boden fällt. Bald wird hier flüssiger Spritzbeton die Eisenstangen verdecken. Es ist ein Spezialgemisch, welches sonst nur selten zum Einsatz kommt. Aber bei der Kunsteisbahn in Bludenz-Hinterplärsch ist überhaupt einiges speziell.
Rund 100 Meter weiter oben schiebt ein anderer Arbeiter die Rüttelplatte über die Erde. Es sind die Vorbereitungen, um schließlich das Fundament zu setzen. Hier soll einmal der Kinderstart für die Rodelbahn erfolgen. Der Beginn für die Junioren lässt sich zu diesem Zeitpunkt erst erahnen.

Pionierprojekt
In etwa der Mitte der Rennstrecke sind die Arbeitskräfte bereits einige Schritte weiter. Die ersten Betonwannen wurden auf das Fundament gesetzt und miteinander verbunden. Zur Fertigstellung werden dann über 320 dieser Elemente die vollständige Bahn ergeben. Das ganze Projekt ist eine Neuentwicklung der Universität Innsbruck und die erste ihrer Art. Das Besondere dabei ist, dass die Betonelemente bereits vorgefertigt zur Baustelle kommen und dort zusammengesteckt werden. Kühlschläuche direkt hinter der etwa drei Zentimeter dicken Wand werden dann für die notwendigen Temperaturen sorgen.

Damit lässt sich der Aufwand und in der Folge auch die Kosten erheblich minimieren. Andere Eiskanäle verschlingen schnell einen dreistelligen Millionenbetrag und werden daher nur mehr zu Großereignissen errichtet. Das Pionierprojekt in Bludenz sollte ursprünglich mit vergleichsweise geringen 6,6 Millionen Euro zu Buche schlagen. Mittlerweile ist der finanzielle Aufwand auf 7,5 Millionen angestiegen. Die Mehrkosten trägt allerdings der österreichische Rodelverband mittels Sponsoren. Die Stadt Bludenz ist mit 1,1 Millionen beteiligt. Daneben tragen Land und Bund die Hauptkosten. Auch der internationale Rodelverband ist an dem Projekt in der Vorarlberger Alpenstadt beteiligt.

Noch im Plan
Der Baustart erfolgte Ende des vergangenen Jahres. Bis November diesen Jahres sollen die Bautätigkeiten abgeschlossen sein und im Anschluss die ersten Testfahrten möglich sein. Aktuell ist alles noch im Plan, wie Bauleiter Markus Stropnik erklärt. Allerdings ist auch für den Polier und seine zwölf Mitarbeiter alles Neuland. Deshalb lässt sich kaum abschätzen, ob gewisse Tätigkeiten nicht doch noch zu Verzögerungen führen können.
Das Zusammenführen der Kühlschlauche, welche hinter dem Beton händisch durchgezogen werden müssen, funktioniert zumindest zu Beginn ohne größere Probleme. Nach Fertigstellung werden sie das Wasser, welches direkt auf den Beton gegossen wird, in Eis verwandeln. Eine weitere Nylonplane oder ähnliches wird nicht mehr benötigt, da die Oberfläche des Baugemisches bereits äußerst glatt ist.

Bis zu 100 Stundenkilometer
Wenn alles fertig ist, werden die Sportler auf einer Länge von rund 780 Metern den Eiskanal und die sechs Kurven hinunterjagen. Und jagen ist dabei durchaus zutreffend, soll doch eine Spitzengeschwindigkeit von bis zu 100 Stundenkilometern möglich sein. Diese werden auf der längsten Gerade der Welt auf einer Rodelbahn erreicht. 174 Meter haben die Winterathleten dabei Zeit, sich auf die Zielkurve vorzubereiten.

Mit seiner Gesamtlänge ist die Bahn jedoch zu kurz für die erwachsenen Rennrodler und damit dem Nachwuchs vorbehalten. Mit der Bahneröffnung sollen auch erste Wettbewerbe der Jugend nach Vorarlberg gelotst werden. Für die Junioren-Weltmeisterschaft 2023 wurde zudem bereits angesucht. Neben den Rodlern können auch Sportler der Disziplinen Skeleton und Zweierbob den Eiskanal nützen. Die Länge reicht zumindest auch für Sprint-Bewerbe. Ansonsten müssen die Bludenzer Rodler wie Thomas Steu und Jonas Müller allerdings weiterhin den Weg nach Innsbruck antreten, um für ihre Bestform zu trainieren.
Doch nicht nur für Athleten wird die Bahn nutzbar sein. Im Sommer werden Rollen an die Sportgeräte montiert und damit auch für touristische Zwecke nutzbar gemacht. Abenteuerlustige können sich dann ebenfalls in den Kanal wagen. Bis es soweit ist, müssen allerdings noch einige Eisenstangen abgeflext und Betonwannen aufgestellt werden