Allgemein

EPU als Meister der Vernetzung

26.09.2020 • 19:35 Uhr
Ein-Personen-Unternehmen in der Corona-Zeit - eine Herausforderung. <span class="copyright">Dietmar Stiplovsek</span>
Ein-Personen-Unternehmen in der Corona-Zeit - eine Herausforderung. Dietmar Stiplovsek

Interview mit Susanne Rauch-Zehetner und Susanna Troy.

Die beliebte NEUE-am-Sonntag-Serie der Ein-Personen-Unternehmen geht in die nächste Runde. An den kommenden Sonntagen holt die NEUE am Sonntag wieder spannende Charaktere aus Vorarlbergs Wirtschaft vor den Vorhang und stellt diese vor. Dabei wird es auch um gelingendes Netzwerken gehen. Um Coworking-Spaces, Kooperationen und Weiterempfehlungen. Zum Auftakt der Serie erzählen Susanna Troy, EPU-Beauftragte der Vorarlberger Wirtschaftskammer, und EPU-Sprecherin Susanne Rauch-Zehetner, Mentalcoach und damit selbst Ein-Personen-Unternehmerin, von dem, was EPU – auch und gerade in dieser Zeit – ausmachen.

Was zeichnet Ein-Personen-Unternehmen im Unterschied zu anderen Unternehmen aus?
Susanne Rauch-Zehetner: EPU sind sehr flexibel, sie können schnell und individuell auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren und dadurch neue Dienstleistungen, neue Ideen umsetzen. Das ist eine Chance gerade in der heutigen Zeit, wo es individuelle Lösungen braucht.
Susanna Troy: EPU spiegeln den Zeitgeist wider. In Vorarlberg haben wir auch deshalb die sehr hohe Zahl von 56 Prozent EPU, das heißt die Mehrheit aller Unternehmen. Immer mehr Menschen möchten ihr eigenes Ding machen, eigenverantwortlich ihre Talente und Ideen leben. Daraus ergibt sich ein Wandel im Unternehmertum. Es wird gerne behauptet, aber EPU sind alles andere als eine Verzweiflungslösung. Ein geringer Prozentsatz von ungefähr sechs Prozent ist durch Betriebsschließungen oder drohende Arbeitslosigkeit den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen. Überwiegend sind Ein-Personen-Unternehmer vielmehr Menschen, die während ihrer Berufslaufbahn ihre Talente und ihre Motivation zum eigenverantwortlichen Tun und Handeln erkannt und beschlossen haben: Ich will mein eigener Chef sein.

Ein-Personen-Unternehmen sind derzeit besonders gefordert. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Ein-Personen-Unternehmen sind derzeit besonders gefordert. Klaus Hartinger

Was charakterisiert Ein-Personen-Unternehmer noch?
Rauch-Zehetner:
Dazu eine weitere spannende Zahl: Ein Drittel der Ein-Personen-Unternehmer sind zwischen 50 und 60 Jahre alt. Generell sind alle Altersgruppen vertreten. Denn was auch nicht stimmt: dass EPU sagen, ,für den Anfang ist ein Ein-Mann- oder -Frau-Betrieb in Ordnung, ich will aber in jedem Fall wachsen‘. Vielmehr ist das EPU für viele genau ihr Unternehmens- und Lebensmodell.

Frau Rauch-Zehetner, Sie sind selbst ein EPU. Was für ein Verhältnis haben Sie, haben EPU zu ihrer Arbeit?
Rauch-Zehetner:
Typisch sind hoher Arbeitseinsatz und große Arbeitsfreude. Der Begriff „selbst“ und „ständig“ ist in diesem Zusammenhang interessant. Wer wirklich für eine Sache brennt, zählt keine Arbeitsstunden. Wenn man mich fragen würde, könnte ich sagen, wie viele Stunden ich mit Kundengesprächen belegt habe. Aber der Rest? Das kommt, denke ich, daher, dass man sich sehr stark mit seinem Tun identifiziert.

Susanne Rauch-Zehetner. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Susanne Rauch-Zehetner. Klaus Hartinger

Zur Person:

Susanne Rauch-Zehetner ist EPU-Sprecherin und als solche Bindeglied zwischen den Mitgliedsbetrieben und der Wirtschaftskammer. Sie ist viel bei den Unternehmen vor Ort und trägt die Anliegen der Ein-Personen-Unternehmen zurück in die Wirtschaftskammer.

Wie sieht es generell mit Frauen und EPU aus?
Troy:
EPU sind zeitlich sehr flexibel. Daher auch der hohe Frauenanteil von 56 Prozent. Denn oft ist die Tätigkeit zwar herausfordernd, aber durchaus kombinierbar mit einer Angestelltentätigkeit, mit Familie, mit Pflege oder Studium. Wir haben auch EPU, die schon in Pension sind und nebenher noch etwas Sinnstiftendes machen möchten. Sinn und Freude an der Selbstständigkeit ziehen sich bei den EPU durch wie ein roter Faden.

In der folgenden Serie wird es immer auch ums Netzwerken gehen. Inwieweit ist das typisch für EPU?
Rauch-Zehetner:
Auf die Bedürfnisse des Marktes zu reagieren, bedeutet auch, sich zu vernetzen. Das ist gleichzeitig eine Riesenchance, weil man die eigene Dienstleistung noch besser an Mann und Frau bringt, wenn man mit jemandem zusammen ein ergänzendes Paket schnüren kann. Wenn Experten ihre Expertisen zusammenbringen und dann individuell auf Kunden abgestimmt anbieten, ist das ein Marktvorteil – so schnell kann ein großes Unternehmen gar nicht reagieren.
Troy: Einen weiteren Vorteil bieten die modernen Kommunikationstools. Sie sind das Rüstzeug für Ein-Personen-Unternehmen, und es macht einfach einen Unterschied, ob ich als EPU über diese Medien kommuniziere oder ob das die Marketingabteilung eines großen Unternehmens tut. EPU sind authentisch, direkt, live dran. Sie beherrschen diese Kommunikation – und infolgedessen die Vernetzung. Wo sind Synergien sinnvoll, wo dagegen individuelle Lösungen notwendig? Dieses permanente Switchen beherrschen die Meis­ter der Vernetzung: die eigene Spezialisierung leben, sich aber auch in Netzwerke einbringen und darüber größere Projekte stemmen. So ist es möglich, über die Kooperationen zu wachsen, sich unternehmerisch, inhaltlich und persönlich weiterzuentwickeln.

Susanna Troy. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Susanna Troy. Klaus Hartinger

Zur Person:

Susanna Troy ist EPU-Beauftragte der Vorarlberger Wirtschaftskammer. Für Ein-Personen-Unternehmen schafft sie branchenübergreifende Angebote wie Weiterbildungen und Möglichkeiten der Vernetzung untereinander. Außerdem setzt sie sich in der Interessenvertretung für kleinunternehmerfreundliche Rahmenbedingungen ein.

Wie bewähren sich solche Netzwerke in Krisen, wie wir jetzt eine haben?
Troy:
Netzwerke bewähren sich als stabilste Organisationsform, gerade auch in turbulenten Zeiten. Denn ein Netz ist beweglich, im Idealfall dicht geknüpft, aber man kann auch neu anknüpfen. Nicht, dass EPU von der Krise nicht betroffen wären, das sind sie leider doch, aber sie sind es immer schon gewohnt gewesen, immer wieder dichter zu knüpfen, neue Fäden spinnen.
Rauch-Zehetner: In der Zeit des Lockdowns durften viele Dienstleister nicht arbeiten. Natürlich bedeutet das teilweise gravierende Einschränkungen und Verdienstausfälle, aber trotzdem habe ich die wenigsten Klagen von den EPU gehört. Viele haben sich ganz schnell fit gemacht, sind auf andere Modelle umgestiegen. Sie sind es gewohnt, dass es Durststrecken gibt und bereit, dranzubleiben.
Troy: Die Einstellung war nicht: ,Wir warten mal, man wird uns schon helfen. Sondern: “Wenn das eine nicht geht, machen wir zumindest vorübergehend das andere.” Im Falle der Änderungsschneider, die zusperren mussten, waren es die Masken, die sie von heute auf morgen genäht haben.
Rauch-Zehetner: Viele haben am Anfang dann einfach Samstag und Sonntag durchgearbeitet, da hat die ganze Familie mitgeholfen. Sie haben mit hohem Einsatz auf die veränderte Situation reagiert. Womit wir wieder bei der Flexibilität wären.

Die EPU sind vielseitig und über alle Branchen verteilt. <span class="copyright">Dietmar Stiplovsek</span>
Die EPU sind vielseitig und über alle Branchen verteilt. Dietmar Stiplovsek