Allgemein

Bauernopfer für den Wintertourismus

26.09.2020 • 20:32 Uhr
Im Gasthaus Sternen wird von Wirtin Sieglinde Baumann (oben)  Hausmannskost serviert. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Im Gasthaus Sternen wird von Wirtin Sieglinde Baumann (oben) Hausmannskost serviert. Klaus Hartinger

Neuerliche Sperrstundenverkürzung stößt den Wirten sauer auf.

Die Sperrstundenverkürzung auf 22 Uhr ist am Freitag in Kraft getreten. Die NEUE am Sonntag hat sich in der Bludenzer Gastronomie-Szene umgehört, was das bedeutet.

Michaela Tschanun-Spescha ist Wirtin im Bludenzer Gasthaus Riedmiller. Das Riedmiller ist eine Bludenzer Institution. Seit 160 Jahren gibt es dieses Wirtshaus. Die Familie Spescha führt das Gasthaus in sechster Generation. „Für uns als traditionelles Gasthaus mit Abendbetrieb ist das eine massive Einschränkung. Das sind jetzt drei Stunden weniger als davor. Für uns ist das vor allem deshalb schwierig, weil wir Vereine haben, ohne Vereinslokal. Die kommen dann nach den Veranstaltungen zu uns. Und das meistens erst um halb zehn, zehn. Das wird alles wegfallen.“ Auch Geburtstagsfeiern und solche Dinge werden kaum mehr stattfinden. „Wir haben dann öfters geschlossene Veranstaltungen. Die wird es jetzt nicht mehr geben. Zumindest solange die Sperrstunde um 22 Uhr ist.“ Zudem wird im Riedmiller traditionell viel gejasst. Das werde sich nun auch einschränken oder in den privaten Bereich verlagern. „Aber wir haben einige, die so solidarisch sind, dass sie früher kommen und bis 22 Uhr fertig sind. Auf unsere Stammgäste ist halt Verlass.“ Die Tatsache, dass man damit den Wintertourismus retten will, ist für die Riedmiller-Wirtin klar ersichtlich: „Ich hoffe, dass es sinnvoll ist. In drei Wochen werden wir dann sehen, wie es mit den Fallzahlen aussieht. Und vielleicht dürfen wir dann wieder länger offen haben.“
Dass sich durch die frühe Sperrstunde vieles in den privaten Bereich verlagern könnte und die Menschen gleich gar nicht ins Wirtshaus gehen und gleich daheimbleiben, ist für Tschanun-Spescha als Wirtin natürlich ein Drohszenario.

„22 Uhr ist echt sehr früh. Das hat etwas Willkürliches, das man nicht nachvollziehen kann," sagt Michaela Tschanun-Spescha vom Gasthaus Riedmiller. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
„22 Uhr ist echt sehr früh. Das hat etwas Willkürliches, das man nicht nachvollziehen kann," sagt Michaela Tschanun-Spescha vom Gasthaus Riedmiller. Klaus Hartinger

Guter Sommer

Der Sommer war durchwegs positiv. „Die Gäste waren froh, wieder unter Menschen zu sein. Das Soziale und Gesellige ist allen abgegangen. Am Anfang war die Sperrstunde ja um 23 Uhr. Das war auch schon früh, ist aber gegangen. Aber 22 Uhr ist echt sehr früh. Das hat etwas Willkürliches, das man nicht nachvollziehen kann.“
An die Maske hat sich die Wirtin schon gewöhnt. Da gebe es ja genug Auswahl und Modelle, um etwas Passendes für sich zu finden. „Die größte Angst habe ich vor einem zweiten Lockdown. Zudem kommen jetzt der Herbst und der Winter, wo alles nur drinnen stattfinden kann.“ Wie es weitergehen wird, kann und will die Riedmiller-Wirtin nicht prognostizieren. „Wir müssen das jetzt einfach so akzeptieren, wie es ist. Auch wenn ich keine große Freude damit habe. Wir hoffen, dass alles bald wieder normal wird.“

Realitätsfremd

Sieglinde Baumann ist Wirtin im Gasthaus Sternen. Seit über 30 Jahren ist das Wirtshaus im Familienbesitz. Sie sieht die frühe Sperrstunde mit gemischten Gefühlen. „Generell geht das mit 22 Uhr schon. Weil wir viel Geschäft auch unter Tag haben. Aber Feiern und Familienfeste sind jetzt halt gar nicht möglich.“ Im Oktober habe man alles verschoben, was zum Verschieben ging, und dann müsse man weiter schauen. „Es ist schon eine schwierige Situation.“ Der Sommer sei gut gelaufen, weil man viele Stammgäste habe aus der näheren Umgebung. Und da das Wetter mitgespielt hat, konnte auch der große und schöne Gastgarten genutzt werden. „Ich kann das überhaupt nicht verstehen, was da für eine Überlegung dahintersteckt. 22 Uhr, das ist einfach komplett realitätsfremd. Und das, was die Verantwortlichen damit einschränken wollen, wird ganz sicher nicht so funktionieren.“
Wenn mit dieser Maßnahme die Infektionszahlen runtergingen, dann würde es natürlich Sinn machen. Auch hinsichtlich des Wintertourismus. „Wer fortgeht, geht nicht um 22 Uhr nach Hause. Das ist weltfremd und entspricht nicht der Realität.“ Niemand werde deshalb um halb elf ins Bett gehen. Zudem liege die klassische Nachtgastronomie eh schon am Boden. „Dass man jetzt die normalen Gasthäuser auch noch derartig beschränkt, halte ich persönlich für einen Blödsinn.“

Reinhard Bertleff ist öfters Gast in Bludenzer Lokalen. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Reinhard Bertleff ist öfters Gast in Bludenzer Lokalen. Klaus Hartinger

Natürlich soll diese Maßnahme dem Ski- und Wintertourismus zugutekommen. Das sei ja kein Geheimnis. „Jetzt ist Zwischensaison. Die Hotellerie kann derzeit gut mit so was leben. Aber wir müssen das jetzt ausbaden. Und es wird sich vieles in den privaten Bereich verlagern. Und dort wird’s dann sicher auch mal rund gehen.“
Unter der Woche ist die frühe Sperrstunde im Gasthaus Sternen nicht das große Problem. Denn wenn die Leute am kommenden Tag arbeiten müssen, bleiben die wenigsten lang. Aber am Wochenende sitzen die Leute gern etwas länger, so Baumann. Zudem hat der Sternen bis nach 22 Uhr warme Küche. Normalerweise. Das werde sich jetzt auch gezwungenermaßen ändern. Generell glaubt Baumann, dass diese Maßnahme sicher länger als drei Wochen aufrecht bleiben wird. „Wir werden das sicher bis Dezember haben. Bis dahin werden wir wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen.“

Ernüchterung

Eva Peter führt mehrere gastronomische Betriebe in Bludenz. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie das traditionelle Cafe Dörflinger in der Bludenzer Altstadt. Zudem hat sie seit geraumer Zeit die Ennoteca Cecconi und seit kurzem auch das Hotel Garni Brigitte am Bürserberg. Obwohl die Betriebe von Peter keine klassische Abend- und Nachtgastronomie sind, kann sie dieser neuen Verordnung gar nichts abgewinnen: „Vom Wirtschaftlichen her ist das natürlich eine Katastrophe. Ich habe das Gefühl, dass man da gar nicht nachdenkt, was damit angerichtet wird.“
Generell seien die ganzen Verordnungen sehr widersprüchlich. Da reihe sich die 22-Uhr-Regel in eine längere Liste ein. Zudem fühlt sich Peter von der Regierung im Stich gelassen. „Während dem Lockdown wurde groß getönt, dass niemand im Stich gelassen wird. Mittlerweile ist da große Ernüchterung und Enttäuschung eingetreten.“ Den ersten Betrag des Härtefonds habe sie nicht beantragen können. Die nächs­ten habe sie bekommen. Aber: „Das waren jeweils 1000 Euro. Ich habe Kreditrückzahlungen von fast 4000 Euro im Monat.“

„Meiner Meinung nach müsste so eine Regelung für ganz Öster­reich einheitlich gelten," meint Eva Peter von der Ennoteca Cecconi. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
„Meiner Meinung nach müsste so eine Regelung für ganz Öster­reich einheitlich gelten," meint Eva Peter von der Ennoteca Cecconi. Klaus Hartinger

Gast

Reinhard Bertleff ist öfters Gast im Cafe Dörflinger oder in der Ennoteca Cecconi. „Mich persönlich schränkt es kaum bis gar nicht ein. Ich bin hauptsächlich unter Tag im Café. Wir haben einmal im Monat ein Essen im Rössle in Braz. Da sitzen wir schon bis Mitternacht. Zudem haben wir eine Jass-Runde. Und da wird es manchmal auch länger. Aber jetzt haben wir beschlossen, dass wir schon um 19 Uhr anfangen. Dann geht sich das aus bis 22 Uhr.“ Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme bezweifelt ­Bertleff, denn es werde sich dadurch wieder vieles ins Private verlagern. „Und das wird die Infektionszahlen meiner Meinung nach eher in die Höhe treiben als sinken lassen.“ Denn zu Hause in den ­eigenen vier Wänden sind Kontrollen unmöglich.

„Das wird die Infektionszahlen meiner Meinung nach eher in die Höhe treiben als sinken lassen.“

Reinhard Bertleff, Gast

Verunsicherung

Wenn die Verordnung auf 23 Uhr geschoben worden wäre, hätte man zumindest den Speiselokalen geholfen, so Peter. „Aber wenn ich um 20 Uhr essen gehe: Dann wird das ganz schön stressig.“ Auch dass die Beschränkung nur für die westlichen Bundesländer gilt, kann Peter nicht nachvollziehen. „Meiner Meinung nach müsste so eine Regelung für ganz Österreich einheitlich gelten. Und ob das heuer mit dem Wintertourismus überhaupt was wird, wage ich zu bezweifeln. Seit der Reisebeschränkung von Deutschland rasseln die Stornierungen für unser Hotel nur so herein. Die Gäste sind sehr ängstlich und eingeschüchtert. Und mit jeder zusätzlichen Maßnahme steigt die Verunsicherung.“