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Junge Männer oder Altersfrage, die keine sein sollte

01.11.2020 • 20:00 Uhr
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Heidi Salmhofer mit Ihrer Sonntags-Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Wenn es draußen langsam kälter wird, die ersten Ni-koläuse aus den Einkaufsregalen „Ho ho ho“ entgegenrufen (im Oktober!) und sich manchmal zaghaft und leise ein feiner Glüh-weinduft in die Nase verirrt, dann wird es Zeit, sich beschau-lichen Themen zu widmen. Männern. Oder besser gesagt, jener Form des männlichen Ab-bildes, welches sich frau gerne via Kuchenrezept, ganz nach Geschmack mit Hefeteig und ganz viel Zucker, selber backen würde. Gleich vorweg: Ich nutznieße jetzt einmal aus der Erfahrungs-welt einer guten Freundin. Sie hat sich in einem Gedankenre-zept einen Mann mit folgenden Zutaten zurechtgelegt: fünf Ess-löffel Tanz im Mondschein, ein Mal Picknick leicht schaumig geschlagen, drei eischwer Humor, 200 Gramm Waschbrett-bauch und einen gestrichenen Teelöffel Intelligenz. Beim Zusammenstellen hat sie vor lauter Enthusiasmus etwas zu viel Waschbrettbauch verwendet und auf die Intelligenz komplett vergessen. Bekommen hat sie deshalb einen 20 Jahre jüngeren, romantischen Salsatänzer mit Teenie-Witz und schwungvoll muskulösen Hüften, aber ohne Begabung für Gespräche mit Tiefgang. So jemand mag zwar dem ab und an latent vorhandenen Bedürfnis nach einem gephoto-shopten, Filmromatik-erfahrenen und anhimmelnden Jungmann für kurze Zeit Befriedigung bieten, eignet sich aber nicht für eine Dauerbe-gegnung. Und schon kommt man ins frauliche Plaudern. Wie ist das überhaupt mit jüngeren Män-nern? Würden wir denn? Falls? Und: Würden wir ob unseres Alters schummeln, wenn da je-mand Jüngerer wäre? Resigniert stellen wir fest, das ginge sowieso nicht, denn neben den altersüblichen Fältchen sind wir noch dazu mit typischen 1990-er Jahre-Tattoos „gebran-det“. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass unsereins zwischen 1995 und 2000 nicht jünger als 18 Jahre war. Und dann fragt frau sich auch – und das ist wirklich absurd – könnte jemand Jün-gerer diesen Körper, der uns nun doch schon brav und geduldig für längere Zeit durchs Leben begleitet, ebenso mögen? Wir haben gemeinsam sofort prokla-miert, dass es sowieso herzlich wurscht wäre, denn wir sind toll und wer uns als Gesamtpaket nicht mag, wird sowieso igno-riert, ganz altersunabhängig. Und dann haben wir unsere Videotelefonie in die Küche verlegt, um unseren Kindern, die dieser grandiose Körper neun Monate mit sich herum-geschleppt hat, den Hungertod, der ihnen nach einem zehnmi-nütigen Telefonat unter allein-erziehenden Müttern droht, zu ersparen.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.