“Nicht so schnell herauskommen”

Apothekerkammer-Präsident Jürgen Rehak im Interview.
Sie bieten in Ihrer Apotheke Corona-Schnelltests an. Wie groß ist die Nachfrage?
Jürgen Rehak: Das schwankt ein wenig. Zeitweise ist sie sehr hoch, da können es zehn Anfragen am Tag sein, und manchmal ist es auch gar keine. Es geht ein bisschen auf und ab, aber insgesamt ist die Nachfrage nach diesen Schnelltests in den Apotheken hoch.
Wer macht bei Ihnen die Tests?
Rehak: Bei uns machen das drei Pharmazeuten, die entsprechend ausgebildet sind und natürlich auch die entsprechenden Vorkehrungen treffen.
Warum lassen sich die Leute testen?
Rehak: Der Grund ist meistens, dass in der privaten oder betrieblichen Umgebung ein Covid-Fall aufgetreten ist und damit eine gewisse Verunsicherung entsteht. Man möchte dann einfach wissen, ob man womöglich angesteckt worden ist. Es kommen keine Personen, die Krankheitssymptome haben, sondern solche, die einfach unsicher sind.
Wie viele sind positiv?
Rehak: Genau kann ich es nicht sagen, aber es sind einige.
Apotheken dürfen ja erst seit Kurzem diese Tests durchführen. Warum?
Rehak: Es war zuvor eine unklare Rechtslage: Dürfen wir das überhaupt, welche Voraussetzungen sind notwendig, was passiert, wenn ein Positiver dabei ist, wie kommt das sofort ins Meldesystem, dass es auch einen amtlichen Charakter kriegt. Es waren einfach ein paar Unklarheiten da, die zuerst einmal bereinigt werden mussten.
Zur Person
Jürgen Rehak
Geboren 1960 in Höchst.
Studium der Pharmazie in Innsbruck.
Seit 1999 selbständig in Höchst (Rhein-Apotheke).
Seit 2007 Präsident der Landesgeschäftsstelle Vorarlberg der Österreichischen Apothekerkammer.
Seit 2017 Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes.
Geschieden, zwei Kinder, lebt in Partnerschaft.
An diesem Wochenende finden in Vorarlberg die Massentests statt – eine sinnvolle Sache?
Rehak: Ich muss gestehen, dass ich die genaue Art der Durchführung nicht kenne, und ich weiß auch nicht genau, wie es mit den Auswertungen und Konsequenzen aussieht. Dass Testungen einen Sinn machen, um Infektionsherde zu lokalisieren, die man bis jetzt nicht erkannt hat, ist unbestritten. Ob das Setting, so wie es jetzt aufgesetzt ist, auch diese Ergebnisse liefern wird, darüber bin ich zu wenig informiert, um das beurteilen zu können.
Was wäre ein sinnvolles Setting?
Rehak: Wenn man es ganz extrem betrachten würde, müsste man in Österreich ein Neuseeland implementieren.
Das heißt?
Rehak: Einen Haufen Wasser rund herum, wo keiner raus und rein kann, und dann alle Personen auf einen Schlag durchtesten, und dann fünf Tage später noch einmal. Das wäre dann die hundertprozentige Variante, mit der man vermutlich nahezu alle erwischen würde und gleichzeitig verhindern, dass es zu Neuinfektionen kommt. Aber das ist natürlich völlig unrealistisch.
Und eine für Vorarlberg praktikablere Variante?
Rehak: Ich kann da sehr wenig dazu sagen. Die Apothekerschaft ist in diese Testungen nicht involviert.

Apotheken sind einige der wenigen Einrichtungen, die auch während der Lockdowns offen hatten. Hat sich das heurige Pandemie-Jahr auf den Umsatz ausgewirkt?
Rehak: Ja, natürlich. Vor der ersten Lockdownphase hatten wir extreme Umsatzzuwächse. Das war gar nicht zu bewältigen. Das war unmittelbar davor, als die Ankündigungen schon da waren. Dann ist es auf allen Ebenen massiv abgestürzt, sowohl was die Umsätze mit der Krankenkasse als auch was die privaten betrifft.
Und wie sieht die Situation aktuell aus?
Rehak: Nach meiner Erfahrung ist es derzeit so, dass die Krankenkassenumsätze, also das, was die Menschen von den Ärzten verordnet bekommen und von der Krankenkasse bezahlt wird, sich auf normalem Niveau eingependelt hat und die privaten Umsätze aber weiterhin nachhinken. Nicht mehr so dramatisch wie am Anfang, aber doch um einiges, weil viele Menschen sehr vorsichtig sind, was ja auch verständlich ist. Die Ergebnisse der Apotheken werden heuer am Jahresende im Minus sein, aber natürlich bei Weitem nicht so wie bei einem Unternehmen, das geschlossen halten musste. Aber die Apotheke braucht man als kritische Infrastruktur, und daher mussten wir offenhalten.
Was haben die Leute vor dem ersten Lockdown denn gekauft, dass die Umsätze so gestiegen sind?
Rehak: Alles. Klopapier nicht, weil es das bei uns nicht gibt. Aber im Ernst: Es gab damals auch eine unglückliche Empfehlung der Sozialversicherung, man möge Medikamente gleich für drei Monate aufschreiben, damit die Menschen nachher nicht in die Apotheke müssen. Das hat in kürzester Zeit ganz Österreich leergefegt, weil wir darauf nicht vorbereitet waren. Das hat massiv zu diesen Umsatzsteigerungen beigetragen. Aber das waren lediglich ein paar Tage, und dann ist das Geschäft um 40 Prozent hinuntergedonnert.
Laut Ankündigungen soll schon in wenigen Wochen mit den Impfungen gegen das Coronavirus begonnen werden. Wird das die herbeigesehnte Wende?
Rehak: Aus meiner Sicht bietet nur die Corona-Impfung die Chance, dass wir mit diesem Virus – und das werden wir ja nie wieder wegkriegen – halbwegs leben können. Wir haben auch ein Influenzavirus, und wir haben dort eine Impfung. Allerdings ist die normalerweise nicht so ansteckend. Das Schweinegrippevirus vor ein paar Jahren war extrem ansteckend, nur war die Krankheit eine harmlose. Corona ist ganz anders. Es ist keine harmlose Erkrankung und extrem ansteckend, und das werden wir nur in den Griff kriegen, wenn es gelingt, eine hohe Durchimpfungsrate zu erzielen. Das wird die Herausforderung.

Was sagen Sie Menschen, die fürchten, dass der Impfstoff aufgrund der kurzen Entwicklungszeit nicht sicher ist?
Rehak: Da geht man ein bisschen von einer falschen Vorstellung aus. Bei einer „normalen“ Entwicklung eines Impfstoffes werden alle Schritte nacheinander gesetzt. Das dauert halt so seine Zeit, und auch die Behördenwege gestalten sich langsamer. Hier ist aber der öffentliche Druck sehr hoch, das heißt, man hat in der Entwicklung dieses Impfstoffes viele Schritte parallel gemacht und damit sehr viel Zeit eingespart, und die Behörden arbeiten natürlich mit Hochdruck daran. Dadurch wurde das Ganze deutlich beschleunigt. Ich bin überzeugt davon, dass nur ein Impfstoff auf den österreichischen Markt kommt, der den Sicherheitskriterien entspricht, die man sonst gewohnt ist. Ich kann mir gar nichts anderes vorstellen.
Sind Sie für eine Impfpflicht?
Rehak: Grundsätzlich haben wir eine Meinungs- und eine Entscheidungsfreiheit über die eigene Gesundheit. Wenn es aber so ist, dass Nicht-Geimpfte breite Bevölkerungskreise gefährden, dann kann es nicht sein, dass der Einzelne mit seinem Freiheitsbewusstsein die Freiheit der anderen einschränkt. Dann bin ich dafür, dass es eine Impfpflicht gibt. Wir hoffen aber, dass allein die Erfahrungen dieser vielen Monate und die vielen schweren Krankheitsverläufe dazu beitragen, dass die Menschen den Sinn darin erkennen, sich impfen zu lassen und wir zu einer Durchimpfungsrate kommen, die mit einer Herdenimmunität vergleichbar ist.
Wie hoch muss die Durchimpfungsrate dafür sein?
Rehak: Nach unserem Wissensstand zwischen 60 und 75 Prozent.
Werden wir Weihnachten heuer anders feiern müssen als in den vergangenen Jahren?
Rehak: Ja. Ich glaube, dass wir die Abstandsregeln nicht so schnell aufgeben können und wir auch nicht die üblichen Familienfeste haben werden. Wir werden aus dem Ganzen nicht so schnell herauskommen, wie wir uns das alle wünschen.