Let it snow – dann ist auch wieder mal fertig

Heidi Salmhofer mit Ihrer Sonntags-Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Ich bin baufällig. Mein Rücken tut weh. Mein Po tut weh. Meine Oberarme tun weh. Mein Hals, meine Beine, und ich glaube, sogar mein kleiner Zeh’ tut weh. Ich bin baufällig.
Derweilen hat doch alles so lieb angefangen. Als die ersten großen Schneeflocken fielen, sind meine zwei Mädels mit riesigen Augen an der Fensterscheibe geklebt. „Juhu, endlich Schnee!“ Die Weihnachtsbeleuchtung, die noch immer nicht den Weg zurück auf den Dachboden gefunden hatte, konnte erstmals, eingetaucht in sanftes Weiß, echte Weihnachtsstimmung verbreiten. Leider um ein paar Wochen zu spät. Draußen säuselte einem das Schneegestöber um die Ohren. Man klopfte seine schneebedeckten Schuhe ab und flüchtete in die wohlige Wärme des Zuhauses. Die Kinder bekamen ad hoc Lust auf heiße Schokolade, und hätte ich diese romantische „Eingekastelt in den eigenen vier Wänden“-Stimmung nicht schon seit Monaten, wäre es ein doppelter Genuss gewesen.
Als aber die Einfahrt, unser Parkplatz vor und der Weg zum Haus immer mehr und mehr unter einer dicken Schicht aus Glitzerschnee verschwanden, verlor ich meine heimelige Winterstimmung. „Na gut. Ein wenig sportive Bewegung schadet dir sowieso nicht!“ Während also meine Mädels die Karotten aus meinem Kühlschrank für Nasen ihrer Schneemänner und Schneefrauen fladerten, fing ich an zu schaufeln. Ich war nicht die einzige. Rund um mich herum ertönte dieses typische knarzende Geräusch von Schaufeln, die über Asphalt kratzen, um ihn von Schnee zu befreien. Nach einer Stunde war ich halbwegs zufrieden. Gut. Das könnte für heute reichen.
Ich glaube, die Schneeflocken, die sich weiterhin auf meiner Haube niederließen, haben sich über diesen unschuldig-naiven Gedanken zerkugelt vor Lachen. Ein Schneeball, liebevoll geformt von einer meiner Töchter, landete direkt in meinem Genick. Der geschmolzene Schnee bahnte sich nass den Weg über meinen Rücken hinunter. Ich musste mich wärmen. Drei Stunden später stand ich wieder draußen. Die Schneeschaufel in der Hand und hatte das Gefühl, wie Don Quijote gegen Windmühlen zu kämpfen. Nach weiteren zwei Stunden fing mein Rücken an, ein Veto einzulegen. Ich musste gehorchen. Geschlafen habe ich seit Langem wieder einmal wie ein Stein. Um 7 Uhr früh schaute ich ängstlich aus dem Fenster. Die Arbeit vom Vortag war unter einer – ich würde behaupten – drei Meter dicken Schicht aus kaltem Weiß verschwunden. Meine Töchter jubelten. Ich seufzte. Wie wohl Tausende Vorarlbergerinnen und Vorarlberger mit mir.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.