Modellbau, Barbie, Ken und Superkräfte

Heidi Salmhofer mit ihrer Sonntags-Kolumne
in der Neue am Sonntag.
Letztens war ich ziemlich enthusiastisch in einem Geschäft für Malzubehör. Wie mir in solchen Läden immer das Herz aufgeht! Pinsel in allen Größen und Formen, Farbpaletten, dass einer warm ums Herz wird. Hätte ich noch irgendwo in meinem Leben Zeit übrig, dann würde ich malen.
Aber von der Sehnsucht retour in das Geschäft. Ich war dort, weil ich für mich ein kleines Modell einer Bühne bauen wollte, um mir selbst besser zu veranschaulichen, wie ein Bühnenbild funktionieren könnte. Ich hatte die schlaflosen Nächte satt, in denen ich mich im Bett herumwälzte und mich leicht angefressen dazu aufforderte, mir gewisse Arbeitsgedanken gefälligst am Tag durch den Kopf gehen zu lassen. Gut, Modell bauen also. Ich organisierte mir im papierduftigen Untergeschoss des Shops Kartons und Styropor verschiedener Dicke und malte mir schon aus, wie wunderbar doch diese Minibühne werden würde. Ich könnte dann darauf kleine Schauspieler platzieren und sie hin und her schieben, wie in einem Puppenhaus. Toll!
Als Kind durfte ich ab und zu bei einer Nachbarin mit dem großen Barbie-Haus ihrer älteren Tochter spielen. Das war voll von wunderschönen langbeinigen Puppen und einem Barbie-Nachbau. Ich glaube, Sissi hieß sie. Jedenfalls wurde diese immer von den Barbies gemobbt und ausgelacht. Insgeheim entwickelte sie aber Superkräfte. Als das Puppenhaus von einem Erdbeben zerstört wurde, rettete Sissi alle Barbies und wurde gefeiert. Schlussendlich fuhr sie mit Ken im rosaroten Auto in den Sonnenuntergang. Die Nachbarin verbot mir irgendwann, mit den Puppen zu spielen, weil es danach immer so furchtbar aussah.
Aber ich schweife schon wieder ab. Bepackt mit Bastelutensilien kam ich nach Hause und funktionierte den Küchentisch zu einer Modellbauagentur um. Nach fünf Stunden stand es dann vor mir und sah überhaupt nicht so aus, wie in meinen Vorstellungen. Der Maßstab passte zwar in der Länge, in der Höhe hatte aber mein Umrechnungsvermögen versagt. Die Bemalung mit Acrylfarben sah mehr so aus, als hätte ich meinen vierjährigen Neffen Hand anlegen lassen und da und dort klaffte ein Spalt, von dem meine Mini-Schauspieler verschluckt werden hätten können. Na gut, du musst es ja nicht in einer Kunstausstellung präsentieren, dachte ich mir. Geholfen, meine Gedanken zu ordnen, hat es dennoch.
Die Moral von der Geschichte: Man muss wirklich nicht alles perfekt können. Es lohnt sich aber, vieles zu probieren. Und wer weiß, vielleicht findet man dann auch seine Superkraft, und fährt mit oder ohne Ken in einem rosaroten Auto Richtung Sonne.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.