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Türkin behält vielleicht ihr Aufenthaltsrecht

18.07.2021 • 22:00 Uhr
Dien türkische Staatsbürgerschaft des Ehemannes hätte der Frau den Aufenthalt kosten können. <span class="copyright">Hochmuth</span>
Dien türkische Staatsbürgerschaft des Ehemannes hätte der Frau den Aufenthalt kosten können. Hochmuth

Höchstrichter bemängeln Arbeit der Bezirkshauptmannschaft.


Für die Arbeit der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch und des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg war es kein besonders gutes Zeugnis, das der Verwaltungsgerichtshof in einem jüngst veröffentlichten Erkenntnis ausstellte. In einem Fall, der das Aufenthaltsrecht von Frau Ö., einer Vorarlberger Türkin, betraf, sei die zentrale Fragestellung „weder vom Verwaltungsgericht noch von der Behörde erörtert“ worden, kritisierte das Höchstgericht in Wien.

Die juristische Odysse von Frau Ö., die aus der Türkei stammt, begann 2016 mit ihrer Heirat mit einem Landsmann, der in Österreich lebt. Um zu ihm ziehen zu können, benötigte sie einen Aufenthaltstitel, den sie pflichtgemäß bei der österreichischen Botschaft in Ankara beantragte. Dem Begehren schloss sie einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister an, aus dem hervorging, dass ihr Mann die türkische Staatsbürgerschaft besaß. Die Botschaft übermittelte sämtliche Unterlagen an die zuständige Bezirkshauptmannschaft Feldkirch. Allerdings stellte sich im weiteren Verlauf heraus, dass ein anderer Aufenthaltstitel für den EWR-Raum für sie günstiger wäre, da ihr Mann in der Schweiz arbeitete. Frau Ö. zog also ihren ersten Antrag zurück und reichte einen zweiten ein. Diesem legte sie keinen Registerauszug mehr bei, aber Unterlagen, die die Arbeitstätigkeit ihres Mannes in der Schweiz belegten. Die Frau erhielt in der Folge das Aufenthaltsrecht.

Kein Österreicher mehr

Allerdings entdeckten die Behörden bald nach der Eheschließung, auf welche Weise geht aus dem Erkenntnis nicht hervor, die zweite türkische Staatsbürgerschaft des Mannes. Der geborene Türke hatte die Staatsangehörigkeit seines Heimatlandes für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft 1993 zurückgelegt, sie ein Jahr später aber wieder angenommen. Doppelstaatsbürgerschaften sind jedoch nur in Ausnahmefällen erlaubt (siehe Infobox). Die Vorarlberger Landesregierung stellte daher 2019 mit Bescheid fest, dass der Mann seit 1994 kein Österreicher mehr war. Zum Zeitpunkt der Eheschließung gingen aber offenbar er und seine Frau noch davon aus.

Die BH Feldkirch witterte daraufhin im Aufenthaltsantrag der Frau einen Täuschungsversuch. Hatte sie nur behauptet, ihr Mann sei Österreicher, um selbst hierher kommen zu können? Sie hätte schließlich anhand des Personenstandsregisters wissen müssen, dass ihr Mann Türke sei. Damit habe sie sich unter falschen Angaben den Aufenthalt in Österreich erschlichen.
Dieser Ansicht folgte auch das Landesverwaltungsgericht und wies eine Beschwerde Ö.s gegen die Aberkennung ihres Aufenthaltsrechts im März 2021 ab.

Doppelstaatsbürgerschaften

Doppelstaatsbürgerschaften sind möglich, wenn man beispielsweise beide von Geburt an besitzt. Wer als Österreicher eine andere Staatsbürgerschaft annimmt, muss dies genehmigen lassen. Solche Ausnahmegenehmigungen werden aber nur selten erteilt, etwa für Prominente. Wer die fremde Staatsbürgerschaft dennoch annimmt, verliert die österreichische Staatsangehörigkeit damit von Gesetzeswegen automatisch. Wird das den Behörden bekannt, etwa indem ein Österreicher bei einem Amt einen fremden Ausweis vorzeigt, wird dem Betroffenen der Verlust der Staatsbürgerschaft mitgeteilt.

Rüffel vom Höchstgericht

Der Verwaltungsgerichtshof zeigte sich über diese Vorgehensweise sichtlich irritiert. Die Behörde und nicht die Frau hätte aufgrund der mitgelieferten Unterlagen erkennen müssen, dass der Ehemann kein Österreicher mehr war. Laut Verwaltungsgerichtshof wäre es für die BH Feldkirch möglich gewesen, „ohne Schwierigkeiten den tatsächlichen Sachverhalt zu ermitteln.“ Warum eine nicht rechtskundige und der deutschen Sprache kaum mächtige Türkin eine Expertise im österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht aufweisen sollte, schien den Höchstrichtern unklar. Ihr Mann hatte ihr seinen österreichischen Reisepass gezeigt, was bei ihr die Ansicht hinterließ, er sei Österreicher. Dass er nicht auch zusätzlich Türke sein konnte, wusste die Frau nicht. Um sich den Aufenthalt zu erschleichen, hätte sie in ihrem Antrag aber absichtlich „objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung“ machen müssen, die der behördlichen Entscheidung zugrundegelegt worden wären. Ein solches Erschleichen könne aber nicht vorliegen, urteilte der VwGH, da die Frau nicht vorsätzlich gehandelt und die Behörde es verabsäumt hatte, die eigenen Unterlagen zu sichten.

Falsche Fragen

Dass sich die Vorarlberger Instanzen darauf versteiften, der Türkin ein Mitwissen an der türkischen Staatsbürgerschaft ihres Mannes zu unterstellen, erwies sich außerdem als Sackgasse. Sie hätte vielmehr wissen müssen, dass er kein Österreicher mehr war. Der Verwaltungsgerichtshof stellte fest, dass es „an sich nicht maßgeblich war, ob deren Ehegatte auch türkischer Staatsangehöriger war oder nicht“. Eine Doppelstaatsbürgerschaft ist zwar selten, aber an sich kein Hindernis für das Aufenthaltsrecht eines Ehepartners.
Dass die neuerliche Annahme der türkischen Staatsbürgerschaft durch den Mann 1994 nicht genehmigt worden war und er deshalb seine österreichische automatisch verlor, stand auf einem anderen Blatt Papier. Dass die Bezirkshauptmannschaft der Frau vorwarf, sie habe in ihrem zweiten Antrag die türkische Staatsbürgerschaft ihres Mannes verschwiegen, gehe schon allein deshalb ins Leere, weil der Mann zu diesem Zeitpunkt – offenbar im Versuch, seine österreichische Staatsbürgerschaft zu retten – seinen türkischen Pass erneut zurückgegeben hatte. Dadurch wurde er allerdings nicht wieder Österreicher, sondern staatenlos. Derzeit ist auch sein weiterer Aufenthalt Gegenstand eines Verfahrens.

Die zentrale Frage, ob die Frau „vom Verlust der österreichischen Staatsangehörigkeit ihres Ehegatten wusste, ob sie diesen Umstand mit Irreführungsabsicht verschwieg und ob sie wissentlich unrichtige Angaben zur österreichischen Staatsangehörigkeit ihres Ehegatten tätigte, wurde weder vom Verwaltungsgericht noch von der Behörde erörtert“, heißt es im Erkenntnis. Man habe sich auch nicht damit auseinandergesetzt, dass die Frau angegeben hatte, den Pass ihres Mannes gesehen und ihn deshalb für einen Österreicher gehalten zu haben. Dadurch hätten bei den Vorarlberger Instanzen Zweifel an der Täuschungsabsicht entstehen können. Das Landesverwaltungsgericht habe seine Entscheidung so letztlich „mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet“.
Nun wird die Bezirkshauptmannschaft erneut über den Aufenthalt der Frau entscheiden müssen.