Wie man mit Kindern über Krankheit spricht

Krankheit und Schmerzen: Darüber mit Kinder zu sprechen ist nicht einfach.
Das Kind liegt im Bett, die Geschichte ist fast zu Ende gelesen, da sagt der Zwerg: „Ich hab’ Bauchweh.“ Oder aber: „Ich kann nicht schlafen, weil mir mein Kopf wehtut.“ Als Elternteil versucht man im Normalfall ruhig zu bleiben. Hin und wieder mag auch der Gedanke aufkommen, dass das Kind vielleicht einfach noch nicht schlafen möchte. Doch bleiben die Beschwerden bestehen, stellt sich die Frage: Wie ernst ist es wirklich? Sollen wir gleich ins Krankenhaus, oder vielleicht doch noch abwarten?
Wie also dringt man bei Kindern zum Kern der Sache vor? Wie spricht man mit jungen Menschen über Krankheiten? Komplexe Fragen, auf die es nicht die eine richtige Antwort gibt. „Grundsätzlich muss man auf die Situation immer individuell reagieren“, sagt Almuthe Hauer, Ärztin für Kinder- und Jugendheilkunde am Univ. Klinikum Graz. „Bei Kindern, die gesund zur Welt gekommen sind und die keine Beeinträchtigungen haben, kann man davon ausgehen, dass sie etwa ab einem Alter von zwei bis drei Jahren kommunizieren können, was ihnen wehtut.“
In der Pädiatrie ist die Altersspanne der Patientinnen und Patienten eine große: Sie reicht vom Baby bis zum fast erwachsenen Jugendlichen. „Und in den meisten Fällen sprechen wir nicht mit unserem Patienten alleine, sondern natürlich auch mit einem Elternteil oder einer anderen Bezugsperson.“
Kommunizieren in einer akuten Situation
Der Kindergarten ruft an: Das Kind ist von der Schaukel gefallen, hat Schmerzen, sollte sicherheitshalber durchgecheckt werden. Schon findet man sich als Elternteil in einer akuten medizinischen Situation wieder. Wichtig auch hier: Ruhe bewahren. „Eltern sollten klar kommunizieren und keine Versprechungen machen, die sie nicht einhalten können“, sagt Hauer. Etwa „dir wird sicher kein Blut abgenommen“, wenn man es zuvor nicht sicher weiß – denn das kann während der Untersuchung für zusätzlichen Stress sorgen.
Emotionen zu zeigen, sei ok, sagt die klinische Psychologin und Psychiaterin Monika Baumann. „Authentisch bleiben, Emotionen ansprechen und dem Kind vermitteln ,Wir fahren jetzt zur Untersuchung, denn wir suchen eine Lösung‘.“
Wenn die Krankheit länger dauert
Erkrankt ein Kind schwerer an einer Krankheit, die sich länger hinzieht, oder die es auch den Rest des Lebensweges begleiten wird, rät Baumann in der Kommunikation zu einer offenen Haltung. „Man sollte dem Kind das Gefühl geben, dass es immer alles fragen kann.“ Ist man als Elternteil überfragt, sollte man das auch äußern. Zu sagen, dass man etwas nicht wisse, sei absolut erlaubt. Eine Antwortmöglichkeit wäre etwa: „Das weiß ich selbst nicht, aber wir können gemeinsam den Kinderarzt anrufen und nachfragen.“
Kindern etwas zu verschweigen, ein Geheimnis aus einer Krankheit zu machen oder zu verstummen, wenn das Kind den Raum betritt, weil man gerade medizinische Themen bespricht, sei kontraproduktiv. „Kinder merken so etwas sehr schnell“, sagt Baumann. Auch Kinderärztin Hauer rät, bei der Wahrheit zu bleiben, den Kindern nichts zu verheimlichen. „Man darf nie die Intelligenz der Kinder unterschätzen“, sagt sie.
Sprache an das Alter und die Sprachgewandtheit des Kindes anpassen
Natürlich sollte man die Sprache und die Wortwahl dem Alter sowie der Sprachgewandtheit des Kindes anpassen, aber im Grunde sollte man das Kind mit allen notwendigen Informationen versorgen. „Oft halten Kinder und Jugendliche die Ehrlichkeit aus, die Eltern aber nicht“, so Hauer. Vermeiden sollte man in jedem Fall Schuldzuweisungen.
Bei kleineren Kindern spräche auch nichts dagegen, die ganze Wahrheit nicht auf einmal, sondern eher in Teilen zu kommunizieren. „Jüngere Kinder können mit dem Begriff ,ein Leben lang‘ nichts anfangen, da geht es eher darum, die akute Situation zu verbessern.“ Grundsätzlich sollte man immer versuchen, in Bildern zu kommunizieren, je jünger das Kind ist. „Ein Bild, das ich gerne verwende, ist das des Puzzles“, schildert Baumann. „Die Krankheit sind nur zwei oder drei Puzzleteile. Dein Leben besteht aber aus so vielen mehr. Wir können immer noch Dinge tun, die das Leben lebenswert machen.“
Gerade bei Kindern, die chronisch erkranken bzw. die Krankheit nicht überleben werden, können Eltern verständlicherweise überfordert sein. Baumann rät, sich Hilfe zu holen, zum Beispiel über die Hotline von „Rat auf Draht“. Grundsätzlich gilt: Gespräche mit genügend Ruhe durchführen, nicht zwischen Tür und Angel. Egal ob akut oder chronisch: Wenn das Kind eine Frage stellt, sollte diese beantwortet werden.
Die Expertinnen
Almuthe Hauer ist außerordentliche Professorin an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Graz. Sie ist Spezialistin für Magen-Darm und Lebererkrankungen.
Monika Baumann ist klinische Psychologin und Psychotherapeutin und leitet das Brainspotting Institut Österreich.