“Wir sehen nur die Spitze des Eisberges”

Rassismus-Report kritisiert erneut fehlende Bemühungen der Politik.
Die Beispiele sind vielfältig, wie Betroffene alltäglichen Rassismus in Österreich erleben. Von fehlenden Einladungen zu Bewerbungsgesprächen bis zu rassistischen Anfeindungen auf Ämtern. Laut der Organisation Zara (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) wurden im Vorjahr 1977 Meldungen von solchen Erlebnissen dokumentiert, wie sie in ihrem Jahresbericht festhält. Das ist ein deutlicher Rückgang vom “Rekordjahr” 2020. Damals gingen – vor allem nach der Ermordung von George Floyd – 3039 Meldungen ein. 434 Meldungen kamen von den Betroffenen selbst – also in 22 Prozent aller Fälle. Im Jahr zuvor waren es nur 14 Prozent.
Die Dunkelziffer sei jedoch weit höher, so Fiorentina Azizi-Hacker, die Leiterin der Beratungsstelle. “Wir sehen vom Eisberg Rassismus, der unsere Gesellschaft zu spalten droht, immer nur die Spitze.” Viele melden Vorfälle nicht, aus Angst, selbst bestraft zu werden, oder weil sie sich schlicht daran gewöhnt haben, so Azizi-Hacker. Laut aktuellen Studien melden 86 Prozent der Betroffenen solche Vorfälle nicht. “Eine unglaublich hohe Zahl.”
Betroffenen wird oft nicht geglaubt
Mehr als die Hälfte der eingegangenen Meldungen betreffen Online-Rassismus, aber auch im “analogen” Leben wie auf Ämtern oder in der Nachbarschaft komme es immer wieder zu Vorfällen. Vor allem beim Vorgehen gegen polizeilichen Rassismus scheuen Betroffene vor Schritten zurück – wegen fehlender Aussichten, so die ZARA-Verantwortliche. Zudem werde Betroffenen dort oft nicht geglaubt.
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1155 rechtliche und nicht-rechtliche Schritte wurden 2021 von der Organisation gesetzt – in Form von Anzeigen, Interventionsschreiben und Schlichtungsgesprächen. Oft sehe man dabei, dass Rassismus für jene, von denen er ausgeht, konsequenzenlos bleibt, so Zara-Geschäftsführerin Barbara Liegl.
Davon berichtete auch der Salzburger Politologe Farid Hafez. Er war vor eineinhalb Jahren von der Razzia gegen die Muslimbrüder betroffen. Diese sei inzwischen als rechtswidrig aufgehoben worden, Verfahren zu dieser Cause ziehe man aber weiter in die Länge. Er sieht institutionalisiertem Rassismus, der unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) begonnen habe, unter seither weitergefüht werde.
Nationaler Aktionsplan
Die Organisation fordert nun einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus. Die Regierung müsse sich zum Kampf gegen diesen bekennen, bisher seien entsprechende Bemühungen kaum erkennbar. Zudem wird gefordert, Flüchtende aus der Ukraine nicht in eine “Zwei-Klassen-Gesellschaft” aufzuteilen. Die Hilfe müsse auch jenen zukommen, die dort gelebt haben, aber keinen ukrainischen Pass haben, so Liegl.
“Starken Handlungsbedarf in Sachen Bekämpfung von Rassismus” sieht auch Emmeraude Banda vom Volksbegehren “Black Voices”. Bis heute seien langjährige Forderungen nicht umgesetzt worden. Das Volksbegehren kann noch bis 6. Mai unterzeichnet werden.