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Wo das Glück der Erde liegt

30.12.2022 • 20:17 Uhr
Die Hufschmiedin und ihr Hengst Hercules. <span class="copyright">Steurer</span>
Die Hufschmiedin und ihr Hengst Hercules. Steurer

Daniela Kräutler schmiedet täglich Glück. Dieses liegt nicht auf dem Rücken der Pferde, sondern ist unter die Hufe genagelt.

Es ist beinahe still, Kuhglocken ertönen leise im Hintergrund. Und das zischende Geräusch ist zu hören, das entsteht, wenn ein heißes Eisen auf den Huf des Pferdes gedrückt wird.

Die Hitze tut dem Pferd nicht weh. Die Nase von Hengst Hercules ist nur sensibel auf den Geruch.<span class="copyright"> Steurer</span>
Die Hitze tut dem Pferd nicht weh. Die Nase von Hengst Hercules ist nur sensibel auf den Geruch. Steurer

Es liegt ein intensiver Geruch nach verbranntem Horn in der Luft. Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr nutzt Daniela Kräutler, um ihren eigenen Hengst neu zu beschlagen.

Das Raspeln benötigt Technik und nicht Kraft. <span class="copyright">Steurer</span>
Das Raspeln benötigt Technik und nicht Kraft. Steurer

Das brauchen Pferde alle sechs bis zehn Wochen – der genaue Zeitpunkt hängt von der Abnutzung ab. Es ist wie Nägel schneiden bei Menschen – weh tut es nicht. Sonst ist Kräutlers Terminplan nämlich voll, weil die Hufschmiedin von Montag bis Freitag von Stall zu Stall fährt. Dort sorgt sie dafür, dass Pferde von anderen Besitzern gepflegte Hufe und neue Eisen haben.

Im Ofen wird das Eisen erhitzt und dann geformt. Dabei muss die Hufschmiedin aufpassen, dass sie von wegfliegenden Spänen keine Blasen bekommt.<span class="copyright">Steurer</span>
Im Ofen wird das Eisen erhitzt und dann geformt. Dabei muss die Hufschmiedin aufpassen, dass sie von wegfliegenden Spänen keine Blasen bekommt.Steurer

Mit Hercules wird der 28-Jährigen nicht langweilig. Sie nennt ihn liebevoll zwischendurch „Spitzbub“, wenn er um Futter bettelt oder versucht zu zeigen, dass er der Chef ist. Doch sie mag die Herausforderung. Denn der Hengst präsentiere sich mehr, marschiere an der Kutsche ohne Angst und sei nicht so verschlafen wie ein Wallach, meint sie. Der Elfjährige steht im Stall ihres Partners, wo er Gesellschaft von Milchvieh genießt. Er ist nicht im privaten Stall ihrer Eltern bei den anderen drei Pferden untergebracht, um Probleme mit Artgenossen zu verhindern.

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Mit Pferden aufgewachsen

Die Hohenemserin ist mit Pferden ausgewachsen und ist gewohnt, von ihnen umgeben zu sein. Ihre Eltern haben sich sogar beim Ausreiten kennengelernt. So war für sie schon früh der Berufswunsch klar: „Ich habe immer gesagt, ich will Hufschmiedin werden.“ Die Begeisterung hat sich auch im Erwachsenenalter nicht geändert. „Ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen. Ich muss nicht arbeiten, sondern ich tu es gerne“, so Kräutler. Am meisten gefällt ihr die Abwechslung. „Jeder Huf und jedes Pferd ist anders“, so Kräutler.

Alte Hufeisen werden heruntergenommen und wenn sie noch nicht so abgenutzt sind, wiederverwendet. Die pinke Einlage wird im Winter aufgrund des Schnees angebracht.
Alte Hufeisen werden heruntergenommen und wenn sie noch nicht so abgenutzt sind, wiederverwendet. Die pinke Einlage wird im Winter aufgrund des Schnees angebracht.

Auch heute noch nach der täglichen Arbeit mit Pferden sucht sie nach Feierabend gerne mal Entspannung im Stall. Dann spannt sie den Noriker vor die Kutsche und erholt sich vom anstrengenden Beruf oder hilft ihrem Freund beim Melken seines Milchviehs. Dabei genießt sie den Ausgleich zur gebückten Haltung beim Beschlagen.

Einzige Frau in Männerdomäne

Denn der Beruf als Hufschmiedin bringt Herausforderungen für den Körper mit sich. Kräutler stellt sich als einzige Hufschmiedin in Vorarlberg dieser körperlichen Arbeit. Der Beruf wird im Land sonst nur von Männern ausgeübt. Deswegen haben auch nicht alle immer an sie geglaubt. „Viele haben am Anfang zu mir gesagt, dass noch jede Frau irgendwann aufgehört hat“, erzählt sie. Mittlerweile ist sie schon sieben Jahre Hufschmiedin, auch wenn es nicht immer leicht ist. Im Sommer seien die Fliegen lästig und es sei heiß, und im Winter sei es kalt und nass, so die 28-Jährige. Außerdem beansprucht es den ganzen Körper. Stark modernisiert wurde dieser ursprüngliche Beruf nicht. „Hufschmiede werden nie durch Maschinen ersetzt werden können“, so Kräutler. Der Unterschied zur Vergangenheit ist, dass sie die Eisen nicht mehr selbst herstellt, sondern kauft – sie hätte es zwar in der Ausbildung gelernt, doch das Beschlagen wäre dann für Pferdebesitzer nur schwer leistbar.

Kräutler hebt sich durch ihr pinkes Werkzeug von den Kollegen ab. Sie wollte Farbe in den Männerjob bringen. Hier entfernt sie den früheren zurückgebildeten Zehen. <span class="copyright">Steurer</span>
Kräutler hebt sich durch ihr pinkes Werkzeug von den Kollegen ab. Sie wollte Farbe in den Männerjob bringen. Hier entfernt sie den früheren zurückgebildeten Zehen. Steurer

Die Arbeit mit dem bis auf 1000 Grad erhitzbaren Ofen, Fluchttieren und Werkzeug kann gefährlich sein. „Einmal hat es mir den Nagel durch die Hand hinuntergezogen“, erzählt sie und zeigt eine lange Narbe am Handgelenk. Doch selbst damals habe sie einfach die Wunde verbunden und weitergearbeitet.

Von den Zweifeln anderer ließ sie sich nie unterkriegen. „Doch ich habe immer gesagt: Wo ein Wille, da ein Weg“, so Kräutler. So habe sie die Ausbildung dann mit links gemacht. Sie sammelte praktische Erfahrung, indem sie einen Hufschmied zu Kunden begleitete. Schließlich bestand sie die Prüfung mit ausgezeichnetem Erfolg. Anschließend habe sie auch Neid ­wahrgenommen. Mittlerweile sticht sie unter ihren männlichen Kollegen durch ihr pinkes Werkzeug hervor – ob Helm, Amboss oder Zange ist einiges in der Farbe zu finden. „Pink gefällt mir. Und ich dachte mir, ich bringe Farbe in den Männerjob“, so Kräutler.

Der Beruf ist noch sehr ursprünglich und benötigt körperlichen Einsatz. <span class="copyright">Steurer</span>
Der Beruf ist noch sehr ursprünglich und benötigt körperlichen Einsatz. Steurer

Belastend sei die überwiegend gebückte Haltung für Schultern und Nacken. Am Abend ist sie dann deshalb ausgepowert und müde. Es käme aber auch viel auf Übung und Routine an. Beim Raspeln etwa bräuchte es die richtige Technik, sonst würde sich das Werkzeug verhaken. Dabei dürfe auf keinen Fall Gewalt angewendet werden. Gewalt sei bei so kräftigen Tieren sowieso nie der richtige Weg – denn Menschen seien immer die Schwächeren. Bei der Arbeit mit Lebewesen ist auch ein sensibler Umgang gefordert. Wichtig sei beim Beschlagen Ruhe und keine Hektik. „Wenn du selbst nervös bist, dann überträgt sich das auf das Pferd“, erklärt sie.

Angst vor Hitze und Funken dürfen Hufschmiede nicht haben. <span class="copyright">Steurer</span>
Angst vor Hitze und Funken dürfen Hufschmiede nicht haben. Steurer

Liebesbriefe, Zauberkräfte und Hochzeiten

Dieses Mal verwendet sie die gebrauchten Hufeisen wieder, denn sie sind noch nicht zu stark abgenutzt. Wenn sie zu dünn werden, dann bewahrt sie die alten Hufeisen in einer Kis­te zu Hause auf. Sie werden manchmal fürs Basteln von Traumfängern mit Kindern geholt oder auch als Tischdeko für Hochzeiten eingesetzt.

Die Hufschmiedin hat eine ganze Sammlung Glücksbringer Zuhause. <span class="copyright">Steurer</span>
Die Hufschmiedin hat eine ganze Sammlung Glücksbringer Zuhause. Steurer

Es gibt unterschiedliche Legenden, warum das Hufeisen als Glückssymbol gilt. Etwa, dass früher Liebesbriefe mit Postkutschen transportiert wurden. Ein anderer Mythos besagt, dass damals Bauern kein Geld hatten, ihr Vieh zu beschlagen, und es deswegen als Glück galt, wenn sie verlorene Hufeisen im Graben fanden. Auch dass ein Hufeisen durch Hitze verformt werden kann und das Pferd durch die Hitze keinen Schmerz verspürt, wurde einst mit Zauberkräften erklärt.

In mehreren Aspekten ähnelt es der Maniküre und pediküre: Die Hufe werden gekürzt und in Form gebracht und am Schluss gibt es einen "Nagellack". <span class="copyright">Steurer</span>
In mehreren Aspekten ähnelt es der Maniküre und pediküre: Die Hufe werden gekürzt und in Form gebracht und am Schluss gibt es einen "Nagellack". Steurer

Achtung Absturzgefahr

Auf die Frage, wie ein Hufeisen richtig aufgehängt werden soll, hat Kräutler eine klare Antwort: Mit der Öffnung nach oben, damit das Glück nicht herausfällt. Selbst hat sie nur einen Wunsch fürs neue Jahr: Sie will gesund bleiben. Ihr Neujahresvorsatz ist außerdem, die Buchhaltung täglich ­zusammenzuschreiben und nicht immer erst am Wochenende, ­damit dieses dann länger dauert.