Ned sudern: Wenn Baulärm zum Lernprozess wird

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Zu sudern über Dinge, bei denen man chancenlos ist, sie zu ändern, finde ich in der Regel einen unnötigen Energieaufwand. Wetter, Falten oder meine Legasthenie gehören hier zum Beispiel dazu. Bei letzterem kann ich wenigstens versuchen, etwas entgegenzuwirken, indem ich immer das neueste Rechtschreibprogramm auf meinem Server habe.
Es gibt aber Momente, ich gestehe, da kommen mein Wiener Einfluss und meine innerösterreichischen Wurzeln gnadenlos zum Vorschein. Ich schimpfe wie ein Rohrspatz. Wie wir wissen, im Auto und wenn sich neben meinem Wohnsitz eine Baustelle ausbreitet.
Ein Ereignis, dem ich nichts entgegenzusetzen habe. Es hilft nicht, wenn ich mich angefressen auf die Straße stelle und den werten, unbescholtenen Bauarbeitern meinen beleidigten Schnof zeige, mit dem Fuß aufstampfe und ihnen ein lautes „Ich will das nicht!“ entgegenraunze. Auf ein „Na gut, Frau Salmhofer hat was dagegen, dann gehen wir wieder heim“ warte ich vergeblich. Mir bleibt nichts anderes übrig, als es auszuhalten.
Die Baustelle ist direkt, also wirklich direkt vor meinem Fenster. Der Lkw-Fahrer, der den Schotter verteilt, kann mir bei Interesse beim Palatschinkenmachen zugucken und die Kabelverleger des Morgens mein zerknittertes Gesicht begutachten, wenn ich mir – noch immer mein Gehirn zurechtrückend meinen Kaffee rühre. In Wahrheit interessiert sich kein Mensch dafür, aber ich habe jetzt dennoch immer die Rollos etwas weiter unten und überlege, eine Klebefolie am Fenster anzubringen. Das Gefühl, dass da direkt jemand in meiner Privatsphäre herumgräbt, lässt mich nicht los.
Und dann fange ich an, mich zu ärgern. Ich schimpfe schon über Dinge, die noch gar nicht in die Wege geleitet wurden. Ich verfluche den noch nicht existenten Kran, ich keife den Zementmischer, der noch gar nicht angekommen ist, an und wettere gegen den Vorschlaghammer, welcher erst in ein paar Monaten – hoffentlich – eingesetzt wird. Die Baustelle ist noch jung, und ich teleportiere mich schon von vornherein in das ganze, laute Desaster, das noch kommen wird.
Nicht besonders gescheit. Damit begebe ich mich selbst in einen viel längeren Stressprozess, als notwendig. Aufhören zu sudern, ist nun meine Devise. Himmelzefix, ist das schwer. Aber es hilft, wenn man keine Lust auf vergrämte Tage hat, außerdem wird man lösungsorientierter. Ich weiß jetzt zum Beispiel, dass ich mir einen sogenannten Kapselgehörschutz organisieren werde.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.