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Der Schweif des Merkurs

01.02.2023 • 11:09 Uhr
Kometen, wie hier C/2022, kennt man mit Schweif. Bei Planeten ist das eher ungewöhnlich. <span class="copyright">APA/ASTRONOMISCHES ZENTRUM MARTINSBERG/MICHAEL JÄGER</span>
Kometen, wie hier C/2022, kennt man mit Schweif. Bei Planeten ist das eher ungewöhnlich. APA/ASTRONOMISCHES ZENTRUM MARTINSBERG/MICHAEL JÄGER

Besonderheiten der Merkurbahn haben vor gut 100 Jahren einen Beleg für die Relativitätstheorie gebracht. Seit wenigen Jahren weiß man, dass Merkur einen Schweif hat.

Als Astronom lernt man die Objekte des Himmels zu kategorisieren. Asteroiden sind unförmige Gesteinsbrocken, die durchs Sonnensys­tem irren. Letzten Donnerstag schrammte „2023BU“ im Abstand von nur 3600 Kilometer an der Erde vorbei. Er ist höchstens acht Meter groß und wurde vor gut einer Woche entdeckt.

Der Schweif des Kometen.

Kometen sind maximal einige Kilometer groß und überzeugen durch ihre wunderschönen Schweife. Vielleicht ist es Ihnen bereits gelungen, den Kometen C/2022 in der Nähe des Himmelspols zu entdecken. Eine gute Woche bleibt dazu noch Zeit. Und Planeten sind selten, genau acht Stück einschließlich der Erde gibt es in unserem Sonnensys­tem. Fünf davon kann man am Nachthimmel von freiem Auge sehen. Planeten haben keinen Schweif, das glaubt man seit jeher zu wissen. Die Astrozeitschrift „Sterne und Weltraum“ titelte kürzlich mit „Merkurs Schweif – der Weg zum spektakulären Astrofoto“. Es war die Dezemberausgabe der Zeitschrift und kein Aprilscherz. Merkur ist mit knapp 4880 Kilometern der kleinste Planet und umrundet die Sonne in durchschnittlich 58 Millionen Kilometern Entfernung. 430 Grad heiß ist es auf seiner Tagseite. Merkur ist ein Gesteinsplanet mit einer besonderen Umlaufbahn. Der sonnennächste Punkt der Bahn, das Perihel, wandert auf eine Art weiter, die nur die Relativitätstheorie erklären kann. So wurde der Planet zu einem Beleg für Einsteins Theorie.

Nah an der Sonne.

Merkur ist schwer zu beobachten, denn er entfernt sich nie mehr als 28 Grad von der Sonne. Morgen in der Früh befindet er sich wenige Grade über dem Südosthorizont. Sobald er höher steigt, verblasst er im Sonnenlicht.

Ein Himmelskörper benötigt eine große Masse – so wie die Erde und die Venus –, um eine Lufthülle halten zu können. Beim Merkur verflüchtigen sich die Gasmoleküle rasch im Weltraum. Die Raumsonde Mariner 10 stellte in den 1970er-Jahre fest, dass die Gasdichte im Umfeld des Merkurs geringer als das bes­te Laborvakuum ist. 2008 wies die Messenger-Sonde Natrium, Magnesium, Sauerstoff, Kalzium und andere Elemente nach. Bei Meteoriteneinschlägen verdampft das Material. Die Raumsonde hat einen Gasschweif bei Merkur nachgewiesen, der ähnlich wie bei Kometen von der Sonne weggerichtet ist.

Sebastian Voltmer ist ein Filmemacher und Komponist, als Astrofotograf wurde er international ausgezeichnet. Im Herbst 2020 präsentierte er in Bregenz seine Ausstellung „Sternenbilder“. Er griff die Satellitenforschungen auf und setzte sich zum Ziel, den Schweif des Merkurs mit seiner Kamera festzuhalten.

Der Großteil des Schweifs besteht aus Natriumatomen und reicht 2,5 Millionen Kilometer ins All. Im Spektrum der Sonne zeigt sich die Natrium-D-Linie im gelben Licht. Sie kann im Labor erzeugt werden, wenn man Natriumchlorid (Kochsalz) in einer Gasflamme erhitzt. Das Natriumlicht der Sonne und des Merkurgasstroms würden sich aufheben.

Nur wenn sich das Gas schnell gegenüber der Sonne bewegt, verschieben sich die Linien und der Schweif wird sichtbar. Dazu benötigt man einen Schmalbandfilter, der alles andere Licht wegnimmt, geeignete Kameras, einen gewogenen Wettergott, exzellente Bildverarbeitungstechnik, und extrem viel Geduld und Erfahrung. Wenige Tage blieben Sebastian Voltmer Ende April 2022 um das fast Unmögliche mit seiner Kamera festzuhalten. Ohne Bilderläuterung würde man glauben, einen Kometen oder eine Sternschnuppe zu sehen.

Der Merkurschweif neben den Plejaden ist ein ästhetisches Bild und ein gelungenes Meisterwerk.

Robert Seeberger