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Ein Plädoyer für weibliche Solidarität

09.02.2023 • 07:00 Uhr
Die Frauen einer religiösen Kommune diskutieren, wie ihre Zukunft aussehen soll. <span class="copyright">UPI</span>
Die Frauen einer religiösen Kommune diskutieren, wie ihre Zukunft aussehen soll. UPI

Ein emotionaler Film mit herausragender Besetzung und zwei Oscar-Nominierungen – unter anderem als bester Film.

In „Die Aussprache“ wird tatsächlich viel gesprochen. Der Sprechakt ist in Sarah Polleys neuem Film aber nur ein Vehikel. Denn hier müssen jene eine Entscheidung treffen, die sich sonst von anderen leiten lassen: Frauen einer religiösen Kommune, die von Männern vergewaltigt wurden. Polley schafft damit ein flammendes Plädoyer für weibliche Solidarität, das seine Darstellerinnen und Darsteller sichtlich zu Höchstleistungen anspornte.

Wir schreiben das Jahr 2010. Zu lange hat man den Frauen einer mennonitischen Gemeinde glauben gemacht, übernatürliche Gestalten wären für die nächtlichen Überfälle, die sie körperlich wie psychisch verletzt oder gar schwanger zurückließen, verantwortlich gewesen. Dass sie vielmehr von Männern, in deren Händen alleine die Entscheidungsmacht über die Kommune und die Frauen liegt, unter Drogen gesetzt wurden, zwingt die Frauen, erstmals selbst aktiv zu werden. Die sonst so passive weibliche Bevölkerung muss also entscheiden: Wollen Sie die Kommune verlassen? Den Männern selbstlos vergeben? Oder bleiben und kämpfen? In Abwesenheit der Männer rufen die Frauen zur ersten Wahl ihres Lebens auf und erkennen: Nichtstun ist keine Option. Ob man gehen oder kämpfen möchte, sollen wenige von ihnen in einer Diskussion entscheiden. Auf dem dunklen Heuboden krachen unterschiedliche Charaktere aufeinander – etwa die schwangere, sanftmütige Ona (Rooney Mara), die kämpferische Salome (Claire Foy) oder die mitfühlende Greta (Sheila McCarthy). Trotz fehlender Bildung verhandeln sie komplizierte Konzepte wie Schuld, Macht und Verantwortung. Nur an der im Film allgegenwärtigen christlichen Religion mit ihren patriarchalischen Vorgaben wird kaum gerüttelt.

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Als Unterstützung haben sich die Analphabetinnen den einfühlsamen August (Ben Whishaw) ins Boot geholt, dem sie allerdings kein Stimmrecht zubilligen. Der Lehrer hält nicht nur als Protokollführer, sondern auch als Beispiel eines Mannes her, der mit den richtigen Werten erzogen wurde. Denn seine Mutter hatte sich einst gegen das sexistische System der Kommune aufgelehnt und diese verlassen, wodurch der Sohn den Duft der Freiheit schnuppern durfte.

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Alte Welt und neue Konzepte

Polley, die Regie führte und das Drehbuch verfasste, überschwemmt im auf realen Ereignissen basierenden „Die Aussprache“ eine alte Welt mit neuen Konzepten. Sie konfrontiert die Kommune, in der das Pferd das primäre Fortbewegungsmittel und der Flechtzopf die einzig akzeptierte Frisur darstellen, mit dem Wunsch nach (nicht nur) sexueller Selbstbestimmung, Pazifismus und weiblicher Solidarität. Sie scheinen gut dorthin zu passen. Dass diese Ideale auch in unserer Gesellschaft mehr gelebt werden sollten, wird das Publikum im Kopf behalten.