Bürgerrecht auf Information auf der Wartebank

Bereits vor zehn Jahren wurde die Abschaffung des Amtsgeheimnisses versprochen.
Vor 677 Tagen endete die Begutachtungsfrist für das Informationsfreiheitsgesetz. Nach viel Kritik liegt der fertige Entwurf zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses seit fast zwei Jahren zur Reparatur im Verfassungsministerium von Karoline Edtstadler (ÖVP). Noch im ersten Halbjahr 2023 – also spätestens bis Ende Juni – will sie einen überarbeiteten Entwurf vorlegen, sagte die Ministerin nun dem Nachrichtenmagazin “profil”.
Die Zeit wäre bereit: Österreich ist “die letzte Demokratie in Europa, in der die Bürgerinnen und Bürger kein Recht auf staatliche Dokumente haben”, sagt Mathias Huter, Obmann des Forums Informationsfreiheit (FOI), das – wie das politische Versprechen zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses – heuer seinen zehnten Geburtstag feiert. Transparente Entscheidungswege könnten für mehr Verständnis in der Bevölkerung sorgen. In jedem anderen EU-Land gibt es daher ein Informationsfreiheitsgesetz.

Effizientere Verwaltung und weniger Korruption
Von der Pflicht zur Transparenz würde aus Huters Sicht auch der Staat selbst profitieren. So könnte etwa ein Krankenhaus, das ein neues Gerät anschaffen will, Einblick in die Kaufverträge einer anderen Klinik nehmen. Auch die Verwaltung wäre effizienter, wenn sie auf das Wissen anderer Bereiche direkt zugreifen könnte, so Huter: “Mehr Transparenz bei Anschaffungen ist absolut zum Vorteil der öffentlichen Hand.”
Vor allem aber ist Transparenz das wirksamste Mittel gegen Korruption. Egal, ob Rechnungshof, U-Ausschuss oder Europarat Vorgänge in Österreich prüfen, im Ergebnis wird meist das Informationsfreiheitsgesetz eingefordert. Denn, wenn Absprachen hinter geschlossenen Türen die Ausnahme sind, fallen unsaubere Deals leichter auf – und können rascher verhindert werden. Das Bewusstsein dafür gibt es nun schon seit zehn Jahren, beschlossen wurde aber nichts.
Aufwand für Beamte und Bürger
Denn so schön Informationsfreiheit klingt: Irgendjemand muss sie auch umsetzen. Während NGOs wie dem Forum Informationsfreiheit (FOI) der Entwurf der Regierung nicht weit genug geht, befürchteten die betroffenen Stellen durch die Pflicht zur Transparenz einen nicht zu bewältigbaren Arbeitsaufwand. “Ungeeignet, praxisfern, kostentreibend und legistisch schlecht aufbereitet” nannte der Gemeindebund den Entwurf der Regierung. Die Landtagspräsidentinnen und Präsidenten orteten gar das “Ende des politischen Diskurses“.
Auch ORF, Bundesministerien, Arbeiterkammer und Co. kritisierten, dass der Verwaltungsaufwand zu groß und die Frist zur Auskunft innerhalb von vier Wochen zu kurz sei. “Wenn eine intransparente Verwaltung auf Transparenz umschalten muss, bedeutet das, dass sich gewisse Sachen ändern müssen”, gesteht Huter einen Umstellungs-Aufwand zu. Allerdings gebe es auch heute schon eine Auskunftspflicht.
Statt mühsam einzelne Informationen herauszusuchen und zu prüfen, ob sie nicht der Amtsverschwiegenheit unterliegen, wäre es einfacher, ganze Dokumente herauszugeben, argumentiert er. Verwaltungen mit geringeren Ressourcen wie Armenien oder Albanien müssten gar binnen zehn Tagen ihren Bürgerinnen und Bürgern Informationen liefern: “Ich glaube nicht, dass der Verwaltung der Zusammenbruch drohen würde, wenn endlich Transparenz einkehren würde”, sagt Huter.

Unterstützung für Gemeinden, nicht für Bürger
Genau das befürchten jedoch kleinere Gemeinden: Auch durch einzelne Bürgerinnen und Bürger mit stark gesteigertem Informationsbedürfnis könnte ihnen ein Verwaltungsstillstand drohen, heißt es. Verfassungsministerin Edtstadler kalmiert nun: Haben kleine Gemeinden kein juristisches Personal, soll die Datenschutzbehörde Rechtsberatung anbieten. Einem von NGOs und Grünen geforderten Informationsfreiheitsbeauftragten erteilt die ÖVP-Politikerin aber eine Absage.
Der Informationsfreiheits-Aktivist Huter kann das nicht nachvollziehen. Bürgerinnen und Bürger wären dann erst recht wieder auf sich alleine gestellt und müssten ihr Recht über die Verwaltungsgerichte einklagen. “Es bräuchte einfach bürgerfreundliche Lösungen, um das Recht auf Transparenz auch in der Praxis durchsetzen zu können.”
Ohnehin ist fraglich, ob es überhaupt so weit kommt. Denn für den Beschluss des Informationsfreiheitsgesetzes wäre eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat notwendig. ÖVP und Grüne setzen hier auch auf die Stimmen der SPÖ. Als Transparenz-Aktivist in Österreich sei er zwar “Berufs-Optimist”, sagt FOI-Obmann Huter dazu, freuen wird er sich aber erst “wenn wir das Gesetz beschlossen sehen – und es den Namen Informationsfreiheitsgesetz auch verdient”.