Kriminalität wieder auf Niveau vor Pandemie

Nach lockdownbedingten Rückgängen steigt die Kriminalität wieder, vor allem im Internet.
Statistiken verleiten gern zu falschen Schlussfolgerungen. Wenn man etwa hört, dass die Ausländerkriminalität in Vorarlberg zwischen 2021 und 2022 von 37,7 auf 43,8 Prozent angestiegen ist, hat man oft rasch bestimmte Ursachen im Kopf. Den einen großen Grund für solche Entwicklungen gibt es aber selten. Einmal kamen 2021 aufgrund der pandemiebedingten Einreisebeschränkungen und Lockdowns weniger Fremde ins Land. Dann wiederum fielen manche Asylwerber, die zuvor keinen Aufenthaltstitel hatten, neu in die Fremdenstatistik. Und schließlich gab es einen Anstieg der fahrlässigen Körperverletzungen um 360 Prozent, der sich hauptsächlich auf Unfälle im Freizeitbereich zurückführen lässt. An den deutschen Skifahrer, der etwas zu schnell um die Kurve biegt, denken bei Ausländerkriminalität freilich die wenigsten.
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Pandemiebedingte Unschärfe
Die Zahl der angezeigten Straftaten stieg im Vergleich zum Vorjahr um beachtliche 14,5 Prozent an. Die Vergleichswerte der Kriminalstatistiken von 2021 und 2022 sind jedoch insgesamt mit Vorsicht zu genießen: Im Vergleich zum Vor-Coronajahr 2019 beläuft sich der Anstieg auf lediglich 0,5 Prozent. Während der Pandemie waren die Anzeigen außerdem bei gewissen Deliktsgruppen rückläufig, während sie bei anderen anstiegen. So gab es 2022 zwar weniger Anzeigen wegen häuslicher Gewalt (1061 statt 1088), allerdings liegt das Niveau noch immer höher als 2019 (927). Insgesamt stiegen die Gewaltdelikte um 6,5 Prozent an. In 65,3 Prozent der Fälle standen Täter und Opfer vor der Tat in einer Beziehung zueinander. Gewalttateten zwischen Unbekannten sind also seltener. Zu ihnen gehören auch Tathandlungen wie gefährliche Drohungen oder Erpressungen über das Internet. Statistisch gesehen müsse man sich vor Bekannten mehr fürchten, erklärte der Leiter des Landeskriminalamtes, Oberst Philipp Stadler, bei der Präsentation der Kriminalitätsstatistik am Montag in Bregenz. Besonders deutlich wird das bei jenen 46 Fällen, in denen im Vorjahr eine Vergewaltigung angezeigt wurde: In nur einem Verdachtsfall kannten sich hier Täter und Opfer nicht.
Kriminalitätsstatistik
Die polizeiliche Kriminalitätsstatistik basiert auf angezeigten gerichtlich strafbaren Handlungen. Pro Tathandlung wird ein jeder Täter einmal gezählt. Drei Männer, die sich gegenseitig verprügeln, scheinen also als drei Zählpunkte bei Gewaltverbrechen auf. Wird einer von ihnen in einem anderen Zusammenhang nochmal straffällig, wird er auch erneut gezählt. In der Statistik nicht enthalten sind Delikte, die bei den Stadt- und Gemeindepolizeien angezeigt wurden sowie Verwaltungsübertretungen.
Rückgang bei Asylwerbern
Deutlich zurückgegangen seien die Anzeigen gegen Asylwerber – sie sanken von 724 im Jahr 2019 auf 297 im Jahr 2022. Ob das auf eine gelungene Integrationsleistung, Ausreisen oder die Tatsache zurückzuführen ist, dass Verdächtige aus diesem Teil der Statistik fallen, wenn sie einen Aufenthaltstitel erhalten, ist nicht klar.
Bei den angezeigten Fremden, also nicht-österreichischen Staatsbürgern, liegen die Deutschen an erster Stelle, gefolgt von Türken und Rumänen. Bei der polizeilichen Kriminalitätsstatistik handelt es sich aber um eine Anzeigenstatistik – sie sagt nichts darüber aus, ob sich jemand tatsächlich strafbar gemacht hat, angeklagt oder verurteilt wurde.
„Rein statistisch gesehen müsste man mehr Angst vor Menschen haben, die man kennt.“
Philipp Stadler, Landeskriminalamt
Problem Cyber-Kriminalität
Besondere Sorgen bereitet der Vorarlberger Polizei die Internetkriminalität. Sie verhagelt ihr nicht nur die Aufklärungsquote – diese sank auf hohem Niveau um 1,9 Prozentpunkte auf 61,4 Prozent –, sondern nimmt auch beständig zu. Mittlerweile machen Anzeigen gegen Hacker oder Onlinebetrüger zehn Prozent der gesamten Kriminalstatistik aus.
Bei den hohen Summen, die von den Opfern zum Teil überwiesen würden, sei es nicht verwunderlich, dass es kaum mehr Einbruchskriminalität gebe, meinte Landespolizeidirektor Hans-Peter Ludescher. Die Täter könnten hier mit deutlich geringerem Risiko vom Ausland aus operieren. Das mache Ermittlungen schwieriger und die Präventionsarbeit umso wichtiger. Er könne der Bevölkerung nur raten, hier äußerst vorsichtig vorzugehen und Unbekannten oder vermeintlich Bekannten nicht auf Nachrichten oder Anrufe hin Geld zu überweisen. Man habe beinahe jeden zweiten Tag eine Anzeige, weil ein Mann mit Nacktaufnahmen aus Chatportalen im Internet erpresst werde, ergänzte Stadler.
Stolz zeigte man sich auf die verhältnismäßig hohe Aufklärungsrate bei Einbruchskriminalität. Sie liegt bei 39,3 Prozent – höher als überall sonst in Österreich.