Voller Wut und Liebe auf der Bühne

Interview. Bipolar Feminin eröffnet heute das Dynamo Festival auf dem Parkdeck des Rhomberg-Areals. Frontfrau Leni Ulrich spricht über Emotionen und Feminismus in der Musik.
Wie bist du zur Musik gekommen und was hat dich für deine Lieder inspiriert?
Leni Ulrich: Angefangen Gitarre zu spielen hab ich, weil eine Freundin von mir Gitarre gespielt hat, ich hab das immer cool gefunden. Wir haben gemeinsam gesungen, und ich wollte mich selber auch begleiten beim Singen, dann ist es nicht so seltsam. Dann hab ich mit Youtube-Videos und meinem Bruder Gitarre gelernt und immer wieder angefangen, Texte zu schreiben. Ich glaub Ende 2018 haben wir darüber geredet, eine Band zu gründen, mein Bruder, ich und zwei Freunde von uns.
Eure Texte sind sehr direkt, welche Botschaften wollt ihr durch die Musik vermitteln und wie hofft ihr, dass diese vom Publikum aufgenommen werden?
Ulrich: Ich schreib oft aus der Emotion heraus. Wenn mich was beschäftigt, ich etwas nicht versteh oder mich was aufregt oder was mehr berührt als der Alltag, dann ist es oft für mich gut gewesen, das niederzuschreiben. Das ist mehr oder weniger immer noch so, mittlerweile sammle ich auch im Alltag Dinge, die ich sehe, oder Wortfetzen, die jemand gesagt hat, und schreib dann daraus einen Song. Ich weiß, bei mir sind es viele und oft auch schwierige Emotionen, ich glaub es kommt sehr unterschiedlich beim Publikum an. Was mir auf jeden Fall schon aufgefallen ist: Was ich denke und fühle, wird eine andere Person nie denken und fühlen, weil wir alle ganz andere Prägungen mitnehmen, und ich würd mir wünschen, dass es für die Menschen einfach Musik ist, die sie gern hören, aus unterschiedlichen Gründen.

Eure Musik wurde als feministischer Punk beschrieben. Würdest du das auch so sehen und was bedeutet der Begriff für euch?
Ulrich: Ich würd mich auf jeden Fall selbst als Feministin bezeichnen, weil es mir ein Anliegen ist, dass alle Menschen in der Gesellschaft einen Platz haben, mit dem sie sich wohl fühlen, und dass alle zumindest sehr ähnliche Chancen haben und diese nicht aufgrund ihres Geschlechtes oder ihrer Herkunft oder was auch immer beeinflusst werden. Manche Songs sind ganz klar feministisch, weil sie patriarchale Strukturen ansprechen. Nicht alles ist immer als feministisch zu erkennen, aber da meine Lebensrealität eine feministische ist, spielt’s halt immer mit bei den Songs. Und Punk, ja ich weiß nicht, ich hab früher viel Punk gehört und würd auch gern Punk machen, aber wir in der Kombination machen nicht unbedingt Punk. Es ist eher im Rock- und Indie-Bereich, vielleicht auch ein bisschen Post-Punk oder so New-Wave-Einschläge … Punk ist es von der Bühnenattitüde, aber nicht von der Musikrichtung.
Gibt’s für dich als Frau in der Musikindustrie besondere Herausforderungen, mit denen Männer nicht konfrontiert werden?
Ulrich: Ich hab schon am Anfang gemerkt, dass zum Beispiel oft gegenüber der Tontechnik mir als einziger Frau in der Band mehr Vorurteile entgegengebracht werden – weniger Geduld, oder es wurde mehr vorausgesetzt, dass ich mich da nicht so gut auskenne, oder dass ich mein Instrument nicht so gut kann. Meine Emotionen werden auch ganz anders interpretiert von Menschen. Ich kenn halt diese Wut und Aggression aus dem Punk, Rock und Metal-Bereich sowieso, das ist auch Teil der Musikrichtung und für mich nichts Arges. Bei mir ist es aber sehr oft so betitelt worden: „Boah, die ist aber wütend“ und „Boah, die braucht einmal ein bisschen Entspannung“ oder „Ja, sie singt so, weil sie keinen Mann kriegt“ und solche Dinge hab ich schon erlebt. Ich glaub, weil ich die einzige Frau in der Band bin, ist es trotzdem noch so, dass ich weniger Diskriminierung erfahre. Befreundete Bands von mir, die nur aus Flinta-Personen (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans- und agender-Personen, Anm. der Redaktion) bestehen, bekommen da viel mehr Misstrauen. Es wird auch von den Veranstaltern nicht geschaut, dass eine realistische Widerspiegelung der Gesellschaft auf der Bühne steht. Ich merke das auf jeden Fall, wenn an einem Abend mit vier Bands ich die einzige Frau bin. Das finde ich schade. Aber im Moment bin ich an einem Punkt in meiner Musik, wo ich relativ wenig angegriffen werde.

Wie hat sich eure Musik seit der Gründung von Bipolar Feminin entwickelt und wo seht ihr eure Zukunft?
Ulrich: Wir setzen uns mittlerweile intensiver mit dem Aufbau von Songs auseinander. Also es ist nicht nur der Inhalt Thema, sondern auch das Komponieren an sich. Mit dem beschäftigen wir uns mehr, weil wir einfach eine größere Reichweite haben, und wir wollen selber Musik machen, die uns gefällt, und das ist eh schwierig, aber zumindest streben wir es an. Sozusagen hat sich einfach die Auseinandersetzung mit der Musik verändert. Ich bin auch reflektierter beim Texten, ich denk mehr darüber nach, wie wohl ich mich mit dem Text fühle und wie er ankommt. Das kann man natürlich nie sagen, weil alle alles anders hören, aber es ist auf jeden Fall mehr Thema. In nächster Zeit werden wir auch ein Album veröffentlichen und auf Tour gehen und hoffen, dass wir noch lange Musik machen, so wie wir es jetzt machen, und dass uns Leute noch buchen für Konzerte. Andererseits hoffe ich auch, dass für die Menschen im Publikum unsere Musik Bedeutung und eine Wirkung hat, über die ich mich freue. Das ist so das Ziel, würd ich sagen.