Körperformen der jungen Tanzszene

Am Freitag startet das tanz ist Festival im Spielboden Dornbirn. Im Fokus stehen junge Nachwuchskünstler aus Kanada.
Das Tanz ist Festival bringt Newcomer und die jüngere Generation der kanadischen Tanzszene nach Dornbirn, wo es statt der üblichen drei Produktionen heuer fünf geben wird. Um das zu ermöglichen, werden die Performances nicht nur im Spielboden, sondern auch nebenan in der Galerie Krafthaus stattfinden. „Die Galerie war für uns ein absoluter Glücksfall“, freut sich Günter Marinelli über die neue Kooperation mit dem Verein Krafthaus.
Junge Szene
Kanada kenne man im Tanzbereich eher von den großen Tourneekompagnien, die in Europa spielen, aber die Avantgardeszene mit den jüngeren Choreografinnen und Choreografen sei in Europa sehr wenig zu sehen, sagt Marinelli im Interview. Der künstlerische Leiter ist auf der ganzen Welt vernetzt und nutzt den persönlichen Austausch bei Festivals, um „so viel wie möglich zu erfahren.“
Die Kanadierin Louise Lecavalier, die im Vorjahr mitwirkte, habe ihm viel über die junge Szene in Montreal erzählt, – auch von der Ernsthaftigkeit, die die junge Generation in die Arbeit reinlege: „Das sind ganz neue Erfahrungen, das die jungen Choreografinnen und Choreografen so intensiv am Thema arbeiten.“ Die jungen Künstler beschäftigen sich sehr stark, mit dem, was gegenwärtig passiert und würden eine andere Ästhetik hervorbringen, was Marinelli auch im Konnex mit der älteren Generation interessant findet: „Sie gehen anders um mit Licht, mit Sound und auch mit Choreografie, da sind die Weiterentwicklungen ganz klar zu sehen.“ Ihm ging es darum, „Newcomer in den Vordergrund zu rücken, die schon eine gewisse Tanzgeschichte geschrieben haben.“

Gespürte Wahrnehmung
Eine der gefragtesten Newcomer ist Clara Furey. Ihre Werke seien installativ angelegt. In „Dog Rising“ erforsche sie die inneren körperlichen Strukturen, beispielsweise wie man Knochen zum Schwingen bringe. „In einer Polyphonie von Bewegung und Musik“ werden die Schwingungen aufgenommen und nach außen transportiert. „Das Spannende ist, dass sich die Tänzer auf der Bühne gegenseitig nicht über die Augen wahrnehmen, sondern über das Gespür. Wenn sie die ekstatischen und schnellen Bewegungen ausführen, müssen sie vom Gefühl her mitkriegen, was die anderen um sie herum machen.“, erklärt Marinelli diese besonders anspruchsvolle Choreographie, die sich im subtilen Licht steigere und als reines Bewegungserlebnis ohne Narration passiert.

Neben Dog Rising, wo Fureys Tanzensemble auf der Bühne steht, hat die Choreographin extra für das Festival erstmals eine „Gallery Version“ ihrer Performance „Rather a Ditch“ adaptiert, in der sie selbst auch als Tänzerin zu erleben ist. „Sie untersucht die Zwischenstationen zwischen Leben und Tod, was in der Ausführung aber sehr visuell angelegt und frei interpretierbar ist.“, sagt Marinelli.
Indigene Themen
Über die Verbindung zu Fureys Tanzensemble habe sich der Kontakt zu Be Heintzman Hope ergeben – „eine der interessantesten Entdeckungen der letzten Jahre“, wie Marinelli schildert. Auch weil Heintzman Hope sich in der Arbeit sehr stark mit den eigenen indigenen Wurzeln auseinandersetzt. Gleichzeitig gehe es um sexualisierte Gewalt und das Gewaltpotential, das die Kolonialisierung mitgebracht hat.“
Mit „blutjungen“ 23 Jahren bringe Be Heintzman Hope ganz neue Ausdrucksformen mit, arbeite viel mit Stimme und Körper. „Es ist eigentlich eine völlig neue Form, die ich auch nicht kenne, aber in einer unglaublich zeitgemäßen Ästhetik.“, beschreibt Marinelli. Vor kurzem war die Premiere von „Switch“ in Montreal, bald wird die Performance zum ersten Mal in Europa in Dornbirn zu erleben sein. Während der Dauer des Festivals von 9. bis 17. Juni zeigt Be Heintzman Hope zudem eine Video-Installation, die von Meditation und Work-Out-Videos inspiriert wurde.

Politische Verhältnisse
Mit ähnlichen Themen wie Heintzman Hope beschäftigt sich auch Mélanie Demers. Demers habe eine lange künstlerische Geschichte und da sie zufällig mit ihrer Compagnie für ein Gastspiel in Luxemburg ist, macht sie mit ihrer Performance Icône Pop einen Abstecher nach Dornbirn. Ihre Werke seien sehr stark politisch geprägt. In Icône Pop thematisiert sie die politischen Verhältnisse in Bezug auf den Umgang mit Frauen, wobei auch ihre kreolischen Abstammung einfließt. Auch Benachteiligungen und versteckter Rassismus werden thematisiert.
Wie die anderen Künstler ist auch Naishi Wang zum ersten Mal beim tanz ist Festvial dabei. Der aus China stammende und in Kanada verwurzelte Tänzer beschäftige sich in seinem Männerduo „Face to Face“ mit Social Media Codes. Auf Basis der Smileys bringe er die die Eingeschränktheit der Emojis auf sehr humorvolle Weise auf die Bühne. Das konzeptionelle Stück habe einen tiefen überspitzten Humor, erklärt Marinelli.

Unterstützung aus Kanada
Das Programm habe sich in einem langen Prozess entwickelt. Es seien viele Gespräche und Recherchearbeiten notwendig gewesen, um die Künstler nach Dornbirn zu bringen. Das diese nun beim Festival performen können, sei auch der „enormen Unterstützung“ durch die kanadische Botschaft geschuldet, die sich Marinelli auch hierzulande wünscht. „Der Botschaft ist es wirklich ein Anliegen, das die junge Generation von Künstlerinnen und Künstlern arbeiten können und Kanada in Europa repräsentieren, da ist ein politischer Wille dahinter.“