Zahl der Suizide leicht angestiegen

In Vorarlberg sterben jährlich mehr Menschen an Suizid als an Verkehrsunfällen, Mord, Drogen und Aids zusammen.
Insgesamt 44 Menschen haben im vergangenen Jahr in Vorarlberg Suizid begangen. Das zeigt der aktuelle Suizidbericht des aks, der am Freitag von den Studienautoren Reinhard Haller und Albert Lingg sowie Oliver Rohrer und Harald Schlocker von aks Gesundheit präsentiert worden ist. Im Vergleich zum Jahr 2021 ist die Zahl der Selbsttötungen um drei angestiegen. Bei der Suizidrate (Suizide pro 100.000 Einwohner) wurde ein Wert von 10,9 verzeichnet. Dieser liegt unter der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO, welche um die Jahrtausendwende das Ziel ausgegeben hat, die Suizidrate unter einen Wert von 15 zu drücken.
Deutliche Steigerungen
Österreichweit haben sich 2022 deutlich mehr Menschen das Leben genommen als im Jahr davor. 1276 Suizidopfer waren zu beklagen (2021: 1099). Zurückzuführen sei dies vor allem auf beträchtliche Zunahmen in Tirol und Wien, berichteten Haller und Lingg. Es habe sich allerdings in mehreren Bundesländern eine deutliche Steigerung bei der Suizidrate gezeigt. Dies müsse in weiterführenden Analysen untersucht werden. Besonders auffällig ist nach Angaben der Experten, ein sprunghafter Anstieg in Wien. Denn in der Bundeshauptstadt sei die Situation über viele Jahre günstig gewesen. Dementsprechend schwer sei es, die aktuelle Entwicklung zu erklären.
Prävention auf unterschiedlichen Ebenen
Bei den Altersgruppen zeigten sich in Vorarlberg keine großen Auffälligkeiten. Allerdings musste im Jahr 2022 ein Kindersuizid (Altersgruppe 0 bis 14 Jahre) verzeichnet werden. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sei jedoch keine Zunahme zu erkennen. Ebenso sei in Vorarlberg das Phänomen der Zunahme der Suizide mit dem Lebensalter milder ausgeprägt als im nationalen Vergleich. Über-75-Jährige seien in der Statistik der Selbsttötungen deutlich weniger präsent. Haller und Lingg wiesen jedoch darauf hin, dass in Vorarlberg pro Jahr weiterhin mehr Menschen an Suizid als durch Verkehrsunfälle, Morde, Drogen und Aids zusammen sterben würden. Umso wichtiger seien daher Präventionsmaßnahmen auf unterschiedlichsten Ebenen.

Zum Schwerpunkt für den heurigen Suizidbericht haben die Experten dieses Jahr die langfristigen Veränderungen im Suizidgeschehen gemacht. Generell sei die genaue Ermittlung von Suizidzahlen methodisch schwierig, da es ein großes Dunkelfeld – besonders bei den Suizidversuchen – gebe, das sich nie völlig erhellen lasse. Mit dem 1987 in Vorarlberg eingerichteten Suizidregister gebe es aber ein Forschungsinstrument, das sich in den vergangenen 35 Jahren „sehr bewährt“ habe.
Geschlechterverteilung
Geschlechterverteilung. Neben deutlich sinkender Suizidzahlen hat es dem Bericht zufolge, in Vorarlberg wenig Veränderungen gegeben. So nehmen sich etwa mehr Männer als Frauen das Leben. In den vergangenen Jahrzehnten sei das Verhältnis konstant zwischen 3:1 und 4:1 gelegen. Bei den Altersgruppen trotzt Vorarlberg dem Trend steigender Suizide bei Alten sowie Kindern und Jugendlichen. Aufgrund der demographischen Entwicklung sei aber bei den Über-60-Jährigen künftig mit steigenden Zahlen zu rechnen.
Viele Einflussfaktoren
Keinen Anstieg der Suizide habe vorerst die Coronapandemie gebracht. Dies habe wohl mit der besseren Betreuung der Risikogruppen zu dieser Zeit zu tun, erläuterten Haller und Lingg. Der national und international zu beobachtende Anstieg an Selbsttötungen im Jahr 2022 könne jedoch eine Folge davon sein, dass diese Unterstützungen wieder zurückgefahren worden seien. Allerdings seien auch andere Faktoren wie der Ukraine-Krieg, die Teuerung und die Umweltkrise dazugekommen. Eine seriöse Gewichtung dieser Einflussfaktoren auf das Suizidgeschehen sei nur schwer vorzunehmen.
Hilfe im Krisenfall
Sozialpsychiatrischer Dienst: www.spdi.at
Telefonseelsorge: Notruf 142
Rat auf Draht: Notruf 147
Selbsthilfegruppe für Angehörige: HPE Vorarlberg
Bitte lebe: https://bittelebe.at/
Im Bericht nehmen die Experten auch Bezug auf neue Risikogruppen. So hätten etwa Menschen in Gesundheitsberufen, aber auch Personen mit nicht erkannten Burnout-Symptomen ein erhöhtes Suizidrisiko. In den vergangenen zehn Jahren seien auch Menschen mit Migrationshintergrund und teilweise mit Fluchterfahrung zur Risikogruppe geworden. Die Gründe dafür seien vielfältig und reichten von posttraumatischen Belastungsstörungen über einen erschwerten Zugang zu psychosozialen Hilfseinrichtungen bis hin zur Suizidproblematik junger Türkinnen, die Konflikte wegen der traditionellen Frauenrolle in ihren Familien haben.
Vorsorge
Die in der Statistik aufgedeckten langfristigen Entwicklungen spielen nach Angaben der Studienautoren eine wichtige Rolle in der Verbesserung der Vorsorge.