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Das E-Mail ist die neue Post

30.10.2023 • 09:32 Uhr
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. <span class="copyright">NEUE</span>
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Computer, Handy, Homepage, E-Mail-Account: Wenn man in der heutigen Zeit mithalten möchte, sind das alles notwendige Digital-Utensilien, zu denen man uneingeschränkt Zugang haben sollte. Das sollte nämlich unsere Arbeit leichter machen, die Freizeit größer. „Ha, ha, ha“, hätte meine Oma milde gelächelt, sich verächtlich von diesem „neumodernen Glumpert“ abgewendet und eine Postkarte an ihre Enkerl geschrieben.

Ich bin zwischenzeitlich überzeugt davon, dass zumindest das Schreiben von Briefen, Telegrammen (gibt’s das überhaupt noch?) und Postkarten weitaus zielführender wäre. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da habe ich ein E-Mail verschickt und entweder am selben, zumindest aber am nächsten Tag kam eine Antwort retour. Egal von wo, egal von wem. Inzwischen quellen aber unsere Accounts so über, dass ein Beantworten innerhalb kurzer Zeit nicht möglich ist, ohne sich körperlich an Grenzen zu begeben, welche die Work-Live-Balance in extrem weite Ferne rücken lassen. Inzwischen ist die durchschnittliche Antwortgeschwindigkeit bei Mails auf etwa zwei Wochen angestiegen. Jeder Brief wurde und wird schneller hin- und hergeschickt.

Ich frage mich, warum wir plötzlich so viel verschriftlichen müssen? Ich wüsste nicht, dass meine Eltern pro Tag 20 Briefe (inklusive Werbematerial) in ihrem Postkasten gehabt hätten. Was ist denn hier alles neu dazugekommen? Und wieso? Nun gut, jene Mails, die einfach nur geschrieben werden, um zu bestätigen, dass man das Mail bekommen hat, ist Getippe, welches früher wohl kaum vorgekommen ist. „Sehr geehrter Herr Dr. Soundso, vielen Dank für Ihr freundliches Schreiben, welches bei uns soeben eingetroffen ist. Ich werde mich bemühen, zeitnah zu antworten. Liebe Grüße, Frau Magister Dings“, war sicher eine äußerst seltene Formulierung, die jemandem ins Haus geflattert ist.

Dennoch ist mir noch immer nicht klar, was und warum wir plötzlich so dermaßen viel miteinander zu kommunizieren haben. Via Whatsapp, Signal, Telegram, Messenger, Mail und Telefon werden wir tagtäglich mit Informationen aller Art gefüttert. Dazu kommen die mannigfaltigen Kommentarmöglichkeiten auf den unendlich vielen Plattformen des Internets. Ich bin keine Freundin des „Früher war alles besser“-Prinzips. Was früher aber zumindest anders war, ist, dass man sich wohl – aufgrund des Aufwandes – mehr Gedanken darüber gemacht hat, was man wie und warum an wen verschickt. Das ist nur eine Vermutung. Aber per se wäre es sicher nicht von Schaden, das „mehr Gedanken machen“ in jeder Hinsicht der Kommunikation wieder etwas zu forcieren.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.