Über Düfte, deren Gegenteil und erste Eindrücke

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Über mich selbst und meine Ängste den Kopf schütteln, das kann ich gut und oft. Eine ganz besondere Befürchtung meinerseits hat mit dem Besuch öffentlicher Toiletten zu tun. Ich finde dieses Prinzip der öffentlichen WC-Einrichtungen durchwegs gut durchdacht und sinnvoll. Immerhin bin ich schon sehr häufig sehr froh über deren Anwesenheit gewesen. Aber so erleichtert ich darüber in gewissen Situationen bin, so unangenehm finde ich den Besuch dieser. Diese Toiletten etwa, die oben und unten offen sind, sind mir ein Graus. Ich bin absolut keine Freundin davon, meiner Nachbarin zuzuhören, ebenso will ich nicht gehört werden. Der einzige Vorteil dieser offenen Kabinen ist, dass sich etwaige Geruchsentwicklungen verteilen und die Auslöserin derer nicht mehr ausfindig zu machen ist. Somit bin ich eigentlich froh um jede „geschlossene Abteilung“, es sei denn, ich muss so gnädig, dass ich mich in deren Räumlichkeit begeben muss, auch wenn jemand davor eher ungute Düfte darin abgestellt hat. Dann sitze ich da, versuche, so schnell wie nur möglich zu sein, und reduziere meine Atmung auf das Minimum. Gleichzeitig sind meine Ohren gespitzt, ob da nun jemand draußen wartet. Denn wenn ich die Toilette verlasse, blicke ich in Augen und Nasenlöcher, die mich umgehend als Verursacherin der befremdlichen Geruchswelt verurteilen. Das ist mir in der Tat extrem unangenehm. Sind mehrere stille Örtchen nebeneinander, kann es dann durchaus sein, dass ich mit verbarrikadierter Nase weiterhin sitze und warte, bis jene fremde Person da draußen das Kämmerchen neben mir aufsucht.
An der frischen Luft lache ich – zumindest innerlich – recht herzhaft über mich. An der Tatsache, dass es mir wohl sehr wichtig ist, was fremde Leute über mich denken, ändert es aber nichts. Selbst wenn ich dieser Person nur 30 Sekunden lang begegne, will ich nicht als „die, nach der man nicht aufs WC gehen konnte“ in Erinnerung bleiben. Bei Menschen, die ich kenne, ist es mir egal. Da wedle ich vor meiner Nase herum und stelle auf gut Wienerisch klar: „I sogs glei, i woas ned!“
In vielerlei Hinsicht ist uns einfach wichtig, wie uns die Welt im ersten Eindruck wahrnimmt, den einen mehr, den anderen weniger. Zu oft wird diese Reflexion aber eben auf Äußerlichkeiten beschränkt. Ich werde beim nächsten Mal die Toilette erhobenen Hauptes verlassen und kundtun: „Wer auch immer gerade nicht so gut riecht, sie ist sicher eine ganz herzliche Persönlichkeit.“ Ein Hoch auf unsere innere Duftigkeit.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.