Es ist nicht alles schwarz oder weiß, es gibt auch grau

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Haare, heute geht es um mein Haupthaar, welches sich in drastischer Veränderung befindet. Der Aufschrei meiner Tochter, die neben mir stehend direkten Blick auf meinen Kopf hatte, war ein eindeutiges Indiz. Mein Haar wandelt sich von dunkelbraun zu weiß. Eine Zeit lang habe ich einfach einzeln aufkeimendes graues Haar mit Farbe übertüncht. Jetzt entwickeln sich aber gerade so herrliche Strähnen, dass ich wirklich keine Lust mehr habe, mir selbst vorzugaukeln, mein Haar würde außerhalb jeden Alterungsprozesses stehen.
Die Entscheidung steht fest – ich sage JA zum grauen Haar. „Aber das sieht sehr unordentlich aus, wenn man es rauswachsen lässt!“, murmelt in mir die Stimme der inneren Jugend. Kurz hat mich das tatsächlich verunsichert, aber wie kann etwas so Natürliches unordentlich sein? Ich finde den Sonnenuntergang auch nicht total unpassend, oder nörgle über die Schmuddeligkeit der Blätter, die im Herbst ihre Farbe verlieren. Ich darf älter werden. Das ist etwas sehr Großartiges. Im Übrigen hat man sich über den grauen Ansatz von George Clooney auch nie beschwert. Ich guck jetzt schon jeden Tag, wo sich eine neue weiße Strähne offenbart und begrüße sie freudig. Und wenn sich innerhalb des Frisurstylings doch mal Unsicherheiten diesbezüglich auftun – ich habe da so einen Spray, der kaschiert die ersten Ansätzchen, sodass sich schlussendlich die ausgewachsene Strähne in voller weißer Pracht zeigen kann.
Ich schau mir jetzt immer wieder Bilder von Frauen mit grauen, langen Haaren an und hoffe, dass das dann alles bei mir genauso sexy, eloquent und selbstbewusst aussieht. Im allerschlimmsten Fall, wenn ich mich gar nicht mehr als Heidi wiedererkenne, gibt es noch immer die Drogerie oder den Friseur für eine neue Farbgebung. Wichtig ist für mich, zu sehen, ich darf alles, es ist immer und in jeder Hinsicht in Ordnung, wie ich mich und mein Haar präsentiere, solange ich – und nur ich alleine – mich damit wohl und glücklich fühle. Vielleicht schneide ich mir auch eine Glatze? Das hatte ich auch noch nie. Wobei, derzeit ist es für so etwas noch zu kalt. Dieses Zelebrieren des Älterwerdens nimmt vielleicht auch meinen Töchtern die Angst vor den körperlichen Veränderungen, die mit fortschreitendem Alter einfach so passieren. Etwas mehr Entspanntheit mit unserem äußeren Erscheinungsbild dürfen wir uns allemal gönnen. Jedenfalls meine ich, dass wir das älter werdende Frausein viel mehr zelebrieren sollten, genussvoll, liebevoll und vor allem stolz. Ich freu’ mich!
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.