Ich geh mal schnell die Welt retten oder nicht

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Freitags kam die Information über die Landeswarnzentrale Vorarlberg herein, dass wohl ein paar Satellitentrümmer auch über Vorarlberg aufgrund von Eintritt in die Erdatmosphäre verglühen werden und man womöglich sogar ein paar Überschall-Knalle (Knalls? Knaller? Um Himmels willen, was ist die Mehrheit von Knall?) hören könnte. Fein, somit brauche ich schon einmal nicht an eine Alien-Attacke zu glauben oder an Armageddon. Danke dafür! Im Moment des Lesens sind mir selbstverständlich sofort zwei bis hundert Katastrophenfilme eingefallen, in denen die Hauptakteure sowieso überleben (manchmal muss ein Überlebensmitstreiter „daran glauben“, der war aber meist auch nicht der sympathischste. Oder es stirbt ein opferwilliger Vater oder eine Präsidentenfrau etc.), um etwas Herzschmerz hineinfließen zu lassen in das Weltuntergangsdrama. Die Millionen von Stadt- und Landbürgern, die von Aliens erschossen werden, sich aufmachende Gräben hinabstürzen oder von Flutwellen verschüttet werden, reichen da meist nicht aus. In mir keimt die erschütternde Erkenntnis auf, im Falle der Fälle wäre ich keine Hauptdarstellerin, sondern eher eine der Statistinnen, die gleich in Minute eins ins Jenseits abwandern. Ich bin nicht schnell genug, um einer Flutwelle davonzukommen, kann keine Klimmzüge machen, um mich vor einem Absturz in Untiefen zu bewahren, und mit Aliens würde ich wohl zuerst versuchen, das Gespräch zu suchen, und deshalb aufgegessen werden. Sollte ich im unwahrscheinlichsten aller Fälle die erste Minute des Films überlebt haben, erwischt es mich ziemlich sicher in der zweiten Katastrophenwelle, weil ich meinen Autoschlüssel nicht finde, um rechtzeitig den Ort der Gefahr zu verlassen. Zack, erwischt. Wäre ich auch hier von Glück gesegnet und mein Schlüssel befände sich dort, wo er hingehört, geht es mir beim dritten Plot Point an den Kragen, weil ich entweder in die falsche Richtung fahre, im ungünstigsten aller Momente auf die Toilette muss oder mir schlichtweg das Herz stehenbleibt, weil mich der Traktorstrahl der Aliens 200 Meter über dem Boden schweben lässt und ich vor Höhenangst einen Herzinfarkt bekomme. In der am allerwenigst möglichen Wahrscheinlichkeit, dass ich auf einem Asteroiden lande, um die Menschheit zu retten und eine Verkabelung der rettenden Bombe nicht mehr passt, wird mir meine Legasthenie zum Verhängnis, und ich schneide das falsche linke Kabel durch. Aber vielleicht findet ET dann diesen Text und kann darüber ein wenig schmunzeln. Das wär’ doch auch schon was.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.