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Anschlag auf Konzerthalle in Moskau

23.03.2024 • 12:16 Uhr
Russia Terrorist Attack 8647870 22.03.2024 A view shows the burning Crocus City Hall concert venue following a shooting incident, outside Moscow, Russia. The Russian Federal Security Service FSB said that there are people dead and injured as a result of the terrorist attack in the concert hall in Moscow region. A massive fire has also broken out at the venue. Maksim Blinov / Sputnik Moscow region Russia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxESTxLTUxLATxNORxSWExDENxNEDxPOLxUKxONLY Copyright: xMaksimxBlinovx
Männer in Tarnkleidung schossen während eines Konzerts in einer Moskauer Konzerthalle auf Menschen, sie warfen Brandbomben und Granaten. IMAGO/ maksim Blinov

Nach brutalem Anschlag auf Moskauer Konzerthalle mit mindestens 115 Toten, darunter drei Kinder, wurden elf Verdächtige festgenommen.

Nach dem Anschlag bei Moskau auf eine Konzerthalle sind elf Verdächtige festgenommen worden. Mindestens vier von ihnen sollen direkt an dem Angriff auf das Veranstaltungszentrum beteiligt gewesen sein, wie FSB-Chef Alexander Bortnikow nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass am Samstag sagte. Die Zahl der Toten bei dem Anschlag stieg unterdessen auf mindestens 115, darunter sind mindestens 3 Kinder.

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Waffen und Munition sichergestellt

Ermittler hätten zudem Waffen und Munition in dem Gebäude sichergestellt. Das zeigte ein kurzes Video, das vom Staatlichen Ermittlungskomitee Russlands am frühen Samstagmorgen veröffentlicht wurde. Zu sehen waren eine Maschinenpistole vom Typ Kalaschnikow und Gurte voller Magazine. Säckeweise sammelten die Ermittler die Hülsen verschossener Patronen ein.

Tarnkleidung

Die Opfer des Anschlags seien bis zum Samstagmorgen alle aus dem Gebäude gebracht worden, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf einen Korrespondenten am Ort des Geschehens.  Bewaffnete in Tarnkleidung eröffneten am Freitag mit automatischen Waffen das Feuer auf die Menschenmenge in der Konzerthalle „Crocus City Hall“. Sie sollen zugleich Brandbomben und Granaten geworfen haben, es gab Explosionen.

Nach Behördenangaben wurden mindestens 115 Menschen getötet und etwa 145 Menschen verletzt, zu denen auch Kinder zählten. 115 von ihnen seien in Krankenhäuser gebracht worden. Unter den Toten sind auch mindestens drei Kinder. Die Behörde rief die Menschen auf, Blut für die Verletzten zu spenden. Es wurden mehrere Stellen dafür eingerichtet.

IS bekennt sich zur Tat

Spezialeinheiten der russischen Nationalgarde waren an der Crocus City Hall in der Stadt Krasnogorsk im Moskauer Gebiet auf der Suche nach den Tätern. Die Hintergründe sind unklar, auch wenn sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu dem Anschlag bekannt hat.

Anschlag auf Konzerthalle in Moskau
Die Agentur veröffentlichte Freitagabend Aufnahmen von einem großen Brand, der in der Crocus City Hall Ausgebrochen ist, in der zu dem Zeitpunkt gerade ein Konzert lief. Stringer

Um wie viele Angreifer es sich handelte, war vorerst nicht bekannt. Auf Videos ist zu sehen, wie Menschen um ihr Leben rannten. Auch die Hintergründe des Angriffs sind noch unklar. Das Ermittlungskomitee hat ein Verfahren wegen eines mutmaßlichen Terrorakts aufgenommen, wie die Behörde im Nachrichtendienst Telegram mitteilte.

Anschlag auf Konzerthalle in Moskau
In der Crocus City Hall seien zudem über 100 Menschen verletzt worden, so die Behörden laut der Agentur Interfax. AFP/ Olga Maltseva

Die Terrormiliz Islamischer Staat hat den Anschlag für sich reklamiert, wie das IS-Sprachrohr Amak am Freitag im Internet unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen meldete. IS-Kämpfer hätten „eine große Zusammenkunft (. . .) am Rande der russischen Hauptstadt Moskau“ angegriffen. Experten gehen davon aus, dass dieses Bekennerschreiben echt ist.

Anschlag auf Konzerthalle in Moskau
IMAGO/ Maksim Blinov

Schüsse und Explosionen

Am Freitagabend gab es Behördenangaben zufolge Schüsse und Explosionen in der Veranstaltungshalle. Mehrere Unbekannte in Kleidung in Tarnfarben hätten die Crocus City Hall kurz vor einem Konzert der Rockgruppe Piknik gestürmt und das Feuer eröffnet, teilte die russische Generalstaatsanwaltschaft mit. Bei den Opfern soll es sich russischen Medien zufolge sowohl um Mitarbeiter als auch um Besucher der Konzerthalle handeln. Westliche Botschaften hatten zuletzt vor Terroranschlägen in Moskau gewarnt. Der Kreml hatte dies als Provokation des Westens bezeichnet und kritisiert nun, dass genauere Informationen nicht mit Russland geteilt wurden.

Anschlag auf Konzerthalle in Moskau
Sergei Vedyashkin

Feuerwehrleute kämpften über Stunden gegen ein Feuer in dem riesigen Gebäude, das auf fast 13.000 Quadratmetern Fläche brannte. Nachdem es zunächst geheißen hatte, das Feuer sei unter Kontrolle, zeigten sich morgens erneut offene Flammen, wie Tass meldete. Sie schlugen aus dem Gebäudeinneren und waren auf dem Dach klar zu sehen. Die Feuerwehr löschte mit Wasser von außen. Löschhubschrauber, die anfangs im Einsatz waren, seien aber abgezogen worden.  Das Dach soll eingestürzt sein. Dutzende Rettungswagen waren im Einsatz und viele Busse, um Menschen in Sicherheit zu bringen. Die Lage war über Stunden unübersichtlich. Das russische Gesundheitsministerium sprach von 145 Verletzten, zu denen auch Kinder zählten. 115 von ihnen seien in Krankenhäuser gebracht worden. Etwa 60 Erwachsene seien schwer verletzt.

Anschlag auf Konzerthalle in Moskau
Spezialeinheiten der russischen Nationalgarde im Einsatz. IMAGO/ Dmittry Golubovich

Auf X, vormals Twitter, kursieren Videos aus der Halle, Schüsse und laute Schreie sind zu hören, man sieht Menschen, die verzweifelt versuchen, sich zu verstecken. Panisch drängen sich die Besucher zu den Ausgängen, auf der Flucht vor den Angreifern. Immer wieder sind Schüsse zu hören. „Ich bin in den Keller geflüchtet und habe mich versteckt, bis mich die Sicherheitsleute holten“, erzählt ein geschockter Besucher später auf einem Video.

Anschlag auf Konzerthalle in Moskau
IMAGO/ Viktor Tolochko

Crocus City Hall

In der Crocus City Hall gibt es mehrere Veranstaltungssäle, die auch für Messen genutzt werden. Es ist eine der beliebtesten Freizeitstätten für die Moskauer und die Menschen im Umland der russischen Hauptstadt. Immer wieder sind dort auch Stars aufgetreten.

Russlands Präsident Wladimir Putin ließ sich nach Kremlangaben „seit der ersten Minute“ über die Geschehnisse informieren. Er erhalte über die entsprechenden Dienste ständig alle wichtigen Informationen über das Geschehen und die eingeleiteten Maßnahmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

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IMAGO/ Maksim Blinov

Warnung vor Anschlägen

Die US-Botschaft in Moskau hatte zuletzt vor unmittelbar bevorstehenden Anschlägen gewarnt. Hintergrund war das Ausheben von zwei Terrorzellen des „Islamischen Staates“ (IS), bei dem laut „NZZ“ mehrere Menschen getötet worden sein sollen. Die Zellen sollen Anschläge auf Synagogen in Moskau geplant haben. Damals hatte die US-Botschaft eine diesbezügliche Warnung ausgesprochen, die am 8. März unter anderem auch vom österreichischen Außenministerium übernommen worden war. Putin hatte seinerseits am Dienstag „provokative Erklärungen einer Reihe von offiziellen westlichen Strukturen“ über einen möglichen Terroranschlag in Russland heftig angeprangert. „All das erinnert an offene Erpressung und die Absicht, Angst zu verbreiten und unsere Gesellschaft zu destabilisieren“, hatte er ausgerechnet vor den Spitzen des für Terrorbekämpfung verantwortlichen Inlandsgeheimdiensts FSB erklärt.

Vergeltung

Die Chefin des Föderationsrats, dem Oberhaus des russischen Parlaments, Valentina Matwijenko, drohte den Drahtziehern des Anschlags mit Vergeltung. „Diejenigen, die hinter diesem fürchterlichen Verbrechen stehen, werden die verdiente und unausweichliche Strafe dafür erhalten“, schrieb sie auf ihrem Telegram-Kanal. Der Staat werde zugleich alles tun, um den Hinterbliebenen zu helfen, kündigte sie an.

Das russische Außenministerium nannte die Attacke ein „blutiges terroristisches Attentat“: „Die gesamte Weltgemeinschaft muss dieses verabscheuungswürdige Verbrechen verurteilen“, schrieb Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa Freitagabend auf Telegram.  Russlands zentrales Ermittlungskomitee nahm unterdessen ein Verfahren wegen eines mutmaßlichen Terrorakts auf. Das teilte die Behörde auf Telegram mit.

Die Witwe des verstorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, sprach den Familien der Opfer ihre Anteilnahme aus. Nawalnaja lebt im Exil. Ihr Mann, einst scharfer Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin, war erst vor wenigen Wochen in einem russischen Straflager gestorben.

Anschlag auf Konzerthalle in Moskau
imago/ vladimir gerdo

Theater und Museen geschlossen

Als Konsequenz des Anschlags bleiben am Wochenende alle Theater und Museen in Moskau geschlossen, darunter weltberühmte wie die Tretjakow-Galerie und das Puschkin-Museum. Zuvor hatte der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin gesagt, dass alle Großveranstaltungen in Europas größter Stadt abgesagt seien. Auch im Moskauer Umland sagten die Behörden Massenveranstaltungen ab.

Kein Verdacht auf Ukraine

Das ukrainische Außenministerium wies den Verdacht einer ukrainischen Verwicklung zurück. Die USA mahnten in einer ersten Reaktion ebenfalls an, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer mit den Schüssen zu tun hatten“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington. Man könne noch nicht viel zu den Details mitteilen, rate aber zu diesem frühen Zeitpunkt eindringlich von der Annahme ab, dass es eine Verbindung zur Ukraine gebe. Das US-Außenministerium riet amerikanischen Staatsbürgern vor Ort, große Menschenansammlungen zu meiden.

Das russische Außenministerium hat kritisiert, dass die USA sehr schnell die Ukraine als möglichen Drahtzieher des Anschlags auf die Moskauer Konzerthalle entlastet haben. Es werfe Fragen auf, wenn die USA bereits solche Schlussfolgerungen zögen, während die Tragödie noch im Gang sei. Das sagte die Sprecherin des Ministeriums, Maria Sacharowa, am Freitagabend im russischen Fernsehen. „Wenn die USA oder ein anderes Land verlässliche Fakten haben, sollten sie diese der russischen Seite zukommen lassen.“ Wenn es solche Fakten nicht gebe, hätten weder das Weiße Haus noch sonst jemand das Recht, vorab eine Absolution zu erteilen, sagte Sacharowa.

EU schockiert

Die Europäische Union verurteilte den Angriff. Die EU sei schockiert und entsetzt, schrieb EU-Kommissionssprecher Peter Stano auf der Plattform X (früher Twitter). Die EU verurteile jegliche Angriffe auf Zivilisten. „Unsere Gedanken sind bei allen betroffenen russischen Bürgern.“ UN-Generalsekretär António Guterres und der UN-Sicherheitsrat verurteilten den Anschlag ebenfalls.

2002 hatten tschetschenische Bewaffnete 850 Menschen in einem Musical-Theater in ihre Gewalt gebracht. Am vierten Tag des Dramas betäubte der Inlandsgeheimdienst die Geiselnehmer und die Geiseln mit einem Gas. Die Terroristen wurden erschossen. 135 Geiseln kamen ums Leben, die meisten von ihnen durch unzureichende medizinische Versorgung.