Allgemein

In jemand sein dürfen oder nicht, das ist die Frage

15.04.2024 • 11:51 Uhr
Neue Kopfkino Salmhofer Kolumne
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Meine jüngere Tochter zelebriert ihre Teenie-Phase ausgiebig. Hauptmerkmal dabei ist, dass sich 95 Prozent ihrer täglichen Gedankengänge um Jungs drehen. Auf wen hat man einen „Crush“, welche Freundin ist gerade „mit wem“, und welcher ist gerade der „Cuteste“ in der Gegend. Abgesehen davon findet sie alle asiatischen Jungs zum Heiraten, trällert südkoreanische Lieder, isst alles, was irgendwie geht, mit Stäbchen und lernt mithilfe von YouTube und TikTok, wie man sich dort unterhält. „Ja“, „Nein“, „Guten Tag“, „Schlaf gut“ und „Du bist süß!“ kann sie schon. Momentan die wichtigsten Sprachelemente für eine eventuelle Partnerschaft. Aber nachdem es hier nun mal seltener passendes männliches Beuteschema für meine Tochter gibt, ist sie noch Single (Himmel sei Dank!), dennoch kommt sie mit durchaus spannenden Fragen zu mir.

Letztens beim Essen (ich habe tatsächlich extra für sie Asiatisch gekocht, damit Stäbchen auch mal wirklich gut eingesetzt werden können) fragt sie mich: „Mama, wenn eine Freundin mit ihrem Freund Schluss macht oder umgekehrt, ist es dann okay, wenn ihre BFF (Best Friend Forever) mit ihrem Ex zusammenkommt?“ „Jössas!“, dachte ich mir, das ist eine Grundsatzfrage, an welcher weitaus ältere und lebenserfahrenere Menschen schon gescheitert sind. In meinem Hirn dampften die Gedankenzahnräder, und ich musste mir ausnahmsweise einmal kurz Zeit nehmen, um eine passende Antwort zu finden.
„Liebe ist etwas total Schönes“, meinte ich nach einmal tief Luft holen. Und ich glaube, wenn eine Freundin von mir meinen Exfreund wirklich liebt und umgekehrt, dann ist das total okay. Auch wenn es für mich sicher anfangs sehr schmerzlich wäre, wenn ich selbst noch etwas für ihn empfinden würde. Eine seelische Verletzung heilt aber nicht, wenn ich anderen ein Glück nicht gönne. Und wenn ich selbst eine Beziehung beendet habe, weil ich mit jemandem nicht mehr zusammen sein will, dann wäre es sowieso absurd, Menschen, welche ich gernhabe, ihre Liebe zu verwehren.

„Wichtig,“ meinte ich dann im Nachsatz, „wichtig wäre mir aber in jeder Hinsicht, dass mich meine Freundin nicht belügt und ehrlich ist.“ Meine Tochter nickte verständnisvoll, schaufelte sich gekonnt einen Bissen Basmatireis mithilfe zweier Stäbchen in den Mund und murmelte kauend: „Mhm. Wir haben ausgemacht, ich werde nie in einen Ex sein und meine Freundin auch nicht in meinen.“ Damit war das Gespräch über Beziehungskisten beendet. So einfach kann es natürlich auch gehen.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.