Was sich jetzt beim Zivildienst ändern soll

Seit 50 Jahren gibt es in Österreich den Zivildienst als Ersatz für den Wehrdienst. Eine Gesetzesnovelle ist seit Kurzem in Begutachtung.
Was soll sich jetzt beim Zivildienst ändern?
ANTWORT: Am Montag hat Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) den Entwurf einer Gesetzesnovelle in Begutachtung geschickt. Vorgesehen ist, dass man den Zivildienst im Härtefall künftig zeitlich aufteilen kann (wie auch schon beim Grundwehrdienst). Und zwar dann, wenn „besonders berücksichtigenswerte wirtschaftliche oder familiäre Interessen vorliegen“, etwa wenn Saisonarbeiter sonst fehlen oder es Schicksalsschläge in der eigenen Familie gibt. Außerdem möglich wird ein Papamonat, für den Fall, dass der Zivildiener Vater wird. Bald sollen auch mehr Zivildiener „Berufsmodule“ während des Zivildienstes absolvieren dürfen. Vor allem für Rettungsorganisationen soll das Erleichterungen bringen, weil sie den Zivildienern eine Ausbildung anbieten und so mehr helfende Hände für sich gewinnen können.
Gibt es sonst noch Änderungen?
ANTWORT: Ja, jene jungen Menschen, die ihre Entschuldigung vom Zivildienst mit ihrem psychischen Zustand argumentieren, könnten sich bald einer fachärztlichen Untersuchung unterziehen müssen. Die Zivildienstbehörde kann ihnen das vorschreiben. Pro Jahr geht es um etwa 220 Zivildienstpflichtige, die ihren Dienst nicht antreten und das mit einer ärztlichen Bescheinigung zu ihrem psychischen Gesundheitszustand untermauern. Auskunftsersuchen an die Krankenkasse haben aber gezeigt, dass diese sehr wohl einer anderen Beschäftigung nachgingen oder selbstständig arbeiteten.
Wie viele machen eigentlich Zivildienst?
ANTWORT: Jedes Jahr treten in etwa 14.000 junge Männer den neunmonatigen Zivildienst an, das sind rund 45 Prozent der Wehrpflichten. Den größten Boom gab es bei der Abschaffung der Gewissensprüfung, bei der diejenigen, die einen Zivildienst machen wollten, glaubhaft darlegen mussten, dass sie aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe ablehnen und deshalb nicht Grundwehrdiener sein können. 1992 stieg die Zahl der Zivildiensterklärungen also prompt sprunghaft von 4573 auf 12.039 an. Insgesamt haben beinahe 425.000 junge Männer den Wehrersatzdienst geleistet. Man muss für den Dienst mindestens 17 und höchstens 35 Jahre alt sein.
Was bedeutet der Zivildienst für Einsatzkräfte?
ANTWORT: Besonders für das Rettungs- und Pflegewesen spielen Zivildiener eine große Rolle. 40 Prozent der Zivildiener sind im Rettungsbereich beschäftigt, gefolgt von Sozialhilfe, Hilfe für Menschen mit Behinderung und Betreuung von Älteren. Aber auch in Kindergärten helfen sie zum Beispiel mit. Immer wieder betonen Organisationen wie das Rote Kreuz oder Samariterbund, wie wichtig „die Zivis“ für ihre Arbeit sind. Von den Einrichtungen wurde voriges Jahr ein Bedarf von 16.309 Zivildienern gemeldet, zu 89,7 Prozent konnte er gedeckt werden. Der Bedarf ist im Steigen, dass Zivildiener fehlen, ist „eine große Belastung für Rettungs- und Sozialorganisationen“, sagt etwa Samariterbund-Bundesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller. Von den Maßnahmen der Regierung erhofft er sich Verbesserungen, er fordert aber noch mehr Änderungen, um den Dienst zu attraktivieren.
Lohnt sich das?
ANTWORT: Eine Studie der Wirtschaftsuni Wien hat 2012 und 2017 das System Zivildienst untersucht, mit dem Ergebnis, dass die positiven Auswirkungen überwiegen. Demnach entsteht durch den Zivildienst ein finanzieller Mehrwert von fast 680 Millionen Euro und der Zivildienst würde den jungen Menschen bei der Berufsentscheidung helfen. Eine neue Studie hat Plakolm bereits beauftragt, erste Ergebnisse sollen im Juli vorliegen. 585,10 Euro erhalten Zivildiener (seit 1. Jänner 2024) und monatlich bis zu rund 400 Euro Verpflegungsgeld oder kostenlose Mahlzeiten. Außerdem sind Zivildiener kranken- und unfallversichert und erhalten, wenn Voraussetzungen erfüllt sind, Wohnkostenbeihilfe und/oder Familien-/Partnerunterhalt. Für die neun Monate des Zivildienstes erhalten Zivildiener das Klimaticket Österreich. Die Sozialistische Jugend kritisiert die Entlohnung: Zivildiener bräuchten einen höheren Lohn und dürften nicht als „billige Arbeitskräfte eingesetzt werden, um Bereiche am Laufen zu halten“.
Von Anna Stockhammer, Redakteurin Österreich-Ressort Kleine Zeitung