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Als ich so alt war wie du

06.05.2024 • 10:19 Uhr
Neue Kopfkino Salmhofer Kolumne
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Ich glaube, jedes Elternteil hat die unterbewusste Hoffnung, dass sein Teenagerkind das erste in der Evolutionsgeschichte des Homo sapiens ist, welches den Satz: „Weißt du, ich war auch einmal so alt wie du!“ verstandesmäßig korrekt verarbeiten und diesen dann ebenso für sein weiteres Heranwachsen zum eigenen Vorteil nutzen kann – in all seinen Facetten, wie ihn schon meine Mutter zu mir, meiner Mutter Mutter und meiner Mutter Mutter Mutter bereits ihren Teens liebevoll bis streng ins Ohr geträllert haben. Kurz gesagt, aus den Erfahrungen der älteren Generation im Hinblick auf die Lebensentwicklung zu lernen.

Inzwischen gehe ich – zugegeben ohne wissenschaftliche Evidenz – davon aus, dass dieser eine Teenager nie auf die Welt kommen wird. Never. Trotzdem wiederholen wir weiterhin hoffnungsvoll Sätze, die wir schon wirkungslos von unseren Eltern gehört haben.

Meine eigenen Klassiker sind: „Als ich so alt war wie du, hat es das (Handy/Netflix/Videotelefonie etc.) noch nicht gegeben, und ich hab – oh Wunder – dennoch überlebt“, „Wie kann man in so einem Saustall leben?“, „Bitte geht respektvoll mit dem Essen um, anderswo verhungern Kinder“, „Ich durfte das nicht, als ich so alt war wie du!“ Dann überkommt mich doch glatt der Geistesblitz. Es geht nämlich gar nicht darum, dass unsere Kids endlich die ersten sind, die daraus lernen, sondern dass wir – die Erwachsenen – lernen. Je gelassener und eigenständiger wir unsere sogenannte Erziehung nämlich gestalten, je weniger wir uns herkömmlichen Normen wie „das war schon immer so“ hingeben und Neues, Liebevolles (!) an Sprache unseren Kindern gegenüber ausprobieren, umso großartiger können sich unsere Kids entwickeln.

Anstatt also meinen Teens diese aus mir reflexartig heraussprudelnden Altersweisheiten um die Ohren zu säuseln, sollte ich diese überdenken. Allesamt. Das heißt, eine kurze Schweigeminute, bevor ich das wiederhole, was ich schon von meiner Mutter unwirksam vernommen habe. Weil, wenn’s bei mir nicht geholfen hat, wie sollte es dann bei den Mädels wirken, die meinen Genen entsprungen sind. Eine logische Schlussfolgerung, wenn man es genau nimmt.

Ich bin jetzt einmal in der Testphase. Letztens ist mir statt „Ich war auch einmal jung“ ein „Ich war damals viel ärger als du. Bin froh, dass du so vernünftig bist!“ herausgerutscht. Das bekomme ich jetzt jedes Mal unter die Nase gerieben, wenn ich wage, etwas am Tun ­meiner Töchter zu bekritteln. Aus ­Fehlern lernt man, auch noch Ende 40. Aber ich gebe nicht auf!

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.