Mein Name ist Heidi und ich bin ein Schussel

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Es gibt ein Verhaltensmuster an mir, das habe ich nun, nach über 40 Jahren Versuch der Selbstoptimierung, als gegeben akzeptiert. Ich bin ein Schussel. Das gebe ich offen und ehrlich zu. Ich verlege täglich mehrmals die Schlüssel, meine Brille ist überall, nur nicht auf meiner Nase, der Kaffee verstreut sich beim Umleeren in die Dose grundsätzlich zu 50 Prozent auf der Arbeitsfläche und überhaupt ist die Konzentrationsfähigkeit auf gerade nur ein Vorhaben unmöglich.
Es folgt ein kurzer Einblick in meine Hausarbeit, um den „Salmhofer-Schusseligkeits“-Sachverhalt verständlich zu machen. Ich räume den Geschirrspüler aus, währenddessen sehe ich am Küchenfenster Flecken. Die eben noch in der Hand gehaltene saubere Kaffeetasse verschwindet damit nun nicht in der für sie vorgesehenen Stellage. Ich wusle in das Badezimmer, um den Glasreiniger zu holen. Auf dem Weg dorthin sumselt mir ein Lied von Peter Fox im Ohr herum. Daraufhin stehe ich im Badezimmer und weiß nicht mehr, was ich dort wollte. Mein Blick fällt auf den Zahnspangenbehälter meiner Kinder und ich frage mich, ob ich den nächsten Zahnarzttermin der zwei Mädels in meinem Kalender stehen habe. Weil ich das in meinem elektronischen Erinnerungssystem überprüfen will, suche ich mein Handy. Das Telefon lässt sich nach zehnminütiger Fahndung im Keller auf der Waschmaschine ausfindig machen. Dort bemerke ich erstaunt, dass ich nur die nasse Wäsche aufgehängt, aber die schmutzige nicht mehr in die Waschmaschine gestopft habe. Seltsam, wie konnte mir das nur passieren? Pflichtbewusst und im Sinne der Bekleidungsfähigkeit schalte ich die Waschmaschine ein. Am Weg retour in den Wohnbereich schüttle ich den Kopf, warum genau habe ich nochmals mein Telefon in der Hand? Ach ja! Ich öffne den Kalender – fast. Denn zuvor muss ich noch schnell meine Mails checken. Himmel! Da gibt es aber einige, auf die ich schnell reagieren sollte. Ich haste also zu meinem Computer.
Fazit: Der Geschirrspüler wartet noch immer hoffnungsfroh auf die Leerung, die Zahnarzttermine sind nur vielleicht eingetragen, der Fleck am Fenster bleibt noch zumindest für eine Woche und die Mails sind schlussendlich nur teilweise beantwortet, weil zwischenzeitlich meine Katze miaute und ich sie vor dem Hungertod retten musste. Nichtsdestotrotz habe ich inzwischen ein halbes Jahrhundert auf dieser Welt gemeistert und ich nehme mir fest vor, auch die zweite schusselige Hälfte mit viel Lebensfreude zu bewältigen. Denn: Nobody is perfect.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.