„Ein Kind ist eine Familienaufgabe“

Der heutige Tag ist den Vätern gewidmet. Immer noch eine Minderheit geht in Elternkarenz. Markus Preißinger ist aktuell in Väterkarenz und erzählt warum.
In Vorarlberg ist meist noch ein konservatives Rollenbild in Sachen Familie und Beruf in vielen Köpfen präsent – die Frau geht in Karenz, der Mann verdient das Geld. Der Vater eines zehn Monate alten Sohnes, Markus Preißinger, hat auch schon Erfahrungen gemacht, wo er dies zu spüren bekam. Als er sich mit der NEUE am Sonntag an seinem Arbeitsplatz, der Fachhochschule Vorarlberg (FH V), trifft, sitzt sein Sohn Caspar lachend auf dem Tisch oder krabbelt unter den Stühlen herum und zieht an den Schuhbändern. Denn Markus Preißinger ist aktuell selten ohne ihn unterwegs, denn er ist in Karenz und seine Ehefrau arbeitet. An der FHV ist er Teil einer Minderheit, denn aktuell sind nur 20 Prozent der sich in Karenz befindenden Mitarbeitenden dort Männer.
Er verbildlicht das noch traditionelle Denken mancher mit der Erzählung eines aktuellen Erlebnisses seiner Ehefrau. Er berichtet, dass sie zuletzt von Kunden gefragt wurde, warum sie als frischgebackene Mama bereits wieder berufstätig ist: „Dann hat sie gesagt, sie arbeitet jetzt 100 Prozent. Die Kunden haben geantwortet: Dann macht dein Mann jetzt Babysitting. Meine Frau hat geantwortet: Nein, er macht verdammt noch mal seinen Job als Vater.“ Auch andere einzelne hinterfragende Stimmen gab es. „Dass ich wieder arbeiten gehe, hat keinen interessiert“, sagt er.
Fulltime-Job Mama und Papa
Doch der Großteil der Freunde und Familie war nicht überrascht. Denn der 40-Jährige sieht es genauso wie seine Partnerin und hat dies auch immer so kommuniziert: „Ein Kind ist nicht eine Mama-Aufgabe, sondern eine Familienaufgabe.“ Statt gemütlichem Radfahren mit dem Kind, wie sich manche wohl die Väterkarenz vorstellen, gehören dazu auch Kinderarztermine ausmachen, zu Impfungen gehen und weiteres, erzählt er aus seinem aktuellen Alltag. „Da merkt der Mann erst mal, was alles daran hängt“, betont der gebürtige Deutsche. Für den Wahldornbirner war klar, dass für solche Erkenntnisse kein Papamonat ausreicht, weil dann sowohl Vater und Mutter zu Hause sind.

Erst während der Karenz lastet von halb sieben am Morgen bis um halb sechs am Abend die komplette Verantwortung auf seinen Schultern. „Das würde, glaub’ ich, vielen Männern guttun: auch für das Verständnis für die eigene Frau, was das eigentlich für ein Fulltime-Job ist, sich um ein Kind zu kümmern“, meint Markus Preißinger. Er hatte zwar bereits zuvor eine Vorstellung davon, was die Pflege eines Kindes bedeutet, und ihn hat nichts überrascht. Doch er merkt erst jetzt, welchen Druck und welche mentale Belastung die Verantwortung und Organisation mit sich bringt. So kann es schon eine Herausforderung sein, während des Duschens die Wasserratte Caspar davon abzuhalten, voll bekleidet in die Dusche zu krabbeln. „Männer tun sich in meinen Augen oft schwer, zu verstehen, dass diese alltäglichen Sachen wirklich anstrengend sind“, kritisiert der 40-Jährige.
Stärkere Bindung
Diese gemeinsame Zeit schweißt auch zusammen. „Mir war es wichtig, dass auch ich eine engere Bindung zum Kind aufbaue. Zudem war es auch meiner Frau wichtig, wieder in den Beruf zurückzukehren“, erklärt er, warum er und Jacqueline Preißinger diesen Weg gewählt haben, sich die Karenz aufzuteilen. Sie ist als Juristin bei einem großen Maschinenbauunternehmen in Vorarlberg tätig. „Wenn ich mich für ein Kind entscheide, dann will ich auch etwas von ihm haben“, ist für ihn klar. Sein vorher angestrebtes Ziel konnte er bereits erreichen: „Die Bindung ist deutlich stärker geworden.“ Während früher ein Nachmittagsschläfchen unmöglich war, kann er ihn jetzt ins Bett bringen oder beruhigen. Um halb sechs Uhr abends beim Öffnen der Tür ist Schluss mit „Alle Augen auf Papa“: „Dann zählt nur noch die Mama, denn die hat er den ganzen Tag nicht gesehen.“

Für Markus Preißinger war es schon immer klar, dass auch er einen Teil der Elternkarenz in Anspruch nehmen möchte. Dies war für ihn sogar beim Gespräch mit dem Geschäftsführer eine Bedingung, als er sich 2019 für die offene Stelle als Forschungsleiter an der Fachhochschule Vorarlberg (FHV) bewarb. „Ich habe praktisch schon im Vorfeld mitgeteilt, dass ein halbes Jahr Väterkarenz mein Plan ist, und habe trotzdem den Karrieresprung gemacht“, so der 40-Jährige. Denn er wurde schlussendlich für die Stelle aus den Bewerbern ausgewählt. Für ihn war es also kein Problem, Familie und Karriere zu vereinen.
Preißinger sieht aber in Sachen Karrieremöglichkeiten in vielen Unternehmen noch Nachholbedarf. Besonders kenne er viele Frauen, denen dieser Schritt aufgrund eines bestehenden Kinderwunsches nicht ermöglicht werde – oder auch, weil ihnen als verheiratete Frau mit 30 Jahren ein Kinderwunsch automatisch vom Arbeitgeber unterstellt werde. „Dieses Prophylaktische ist ein Riesenproblem, weil es gibt ja auch Frauen, die keine Kinder bekommen können oder wollen“, ergänzt er. Dass viele qualifizierte Frauen links liegen gelassen werden, bezeichnet er ebenfalls als Problem für die Wirtschaft.
Erst drei Jahre nach diesem Bewerbungsgespräch, bei welchem er die Karenz schon abgeklärt hatte, war es dann so weit: Seit März ist er in Väterkarenz. Finanziell sieht er seine Familie glücklicherweise in einer privilegierten Lage, weil sich die Gehälter nicht derart stark unterscheiden. Außerdem müssten sie nicht jeden Cent umdrehen, wie womöglich andere Familien, welche sich keine Väterkarenz leisten können.

Die Finanzen sind nicht nur beim Gehalt ein Thema. Auch in anderen Situationen wäre wahrscheinlich eine Karenz der Mutter einfacher und besser für die Geldtasche. Wie etwa, als Markus Preißinger samt Caspar für eine Woche nach Wien mitgereist ist, als Jacqueline Preißinger dort berufliche Termine hatte. Denn das Stillen funktioniert nicht ohne sie. An gewöhnlichen Arbeitstagen bekommt Caspar die abgepumpte Milch vom Vortag. Doch der Aufwand und die zusätzlichen Kosten sind es ihnen wert.
Ab Juli wird nochmals seine Partnerin für drei Monate in Karenz gehen. In dieser Zeit wird Caspar dann an die Kinderbetreuung gewöhnt. Später wird Preißinger dann Vollzeit arbeiten und sie mit 70 Prozent beginnen.
elternkarenz
Einschätzung Familienverband
Vorarlberg hat Nachholbedarf in Sachen Väterkarenz. Dass sich statistisch in den vergangenen Jahren wenig getan hat, erklärt Pascal Sickl mit dem finanziellen Aspekt und den traditionellen Rollenbildern hierzulande. Er ist Teamleiter für Projekte beim Familienverband. „Die letzten Zahlen sind bedrückend“, meint er in Hinblick auf die Karenzzahlen. Er beobachtet zwar bei Gesprächen mit Vätern, dass diese vermehrt Interesse für Erziehungsthemen und weiteres zeigen und sich mehr einbringen wollen. Doch karenzierte Väter würden oft auf überraschte Reaktionen stoßen, wenn sie davon erzählen. Sickl bezeichnet es als Tabuthema. Damit sich etwas ändert, hält er eine Veränderung bei den Rollenbildern für gefragt. Das brauche bei lang bestehenden Rollen jedoch Zeit, erklärt er. Er hält es für wichtig, dass Kinder Einflüsse von beiden Elternteilen bekommen.