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Flatz – gereift, aber radikaler als je zuvor

09.06.2024 • 10:00 Uhr
Flatz – gereift, aber radikaler als je zuvor
Flatz stand der NEUEN am Sonntag in Dornbirn Rede und Antwort.Hartinger

Gefeiert und gehasst, geliebt und gefürchtet: Nach seiner Retrospektive in der Münchner Pinakothek und der umstrittenen Aufführung an der Wiener Burg sprach Wolfgang Flatz in Dornbirn mit der NEUEN am Sonntag.

NEUE: Willkommen zurück an Ihrer alten Wirkungsstätte. Welche Bedeutung hat die alte Heimat für Sie?

Wolfgang Flatz: Vorarlberg ist und bleibt meine Heimat, das sind meine Wurzeln, die ich nie verleugnet habe, auch wenn ich viele Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet habe. In Deutschland wurde ich oft als deutscher Künstler betrachtet, besonders bei großen Gruppenausstellungen, während ich in Österreich, abgesehen von meiner Heimat, oft übersehen wurde. Dornbirn und Vorarlberg sind daher für mich Orte der Beständigkeit und Zugehörigkeit. Hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich meine ersten künstlerischen Erfahrungen gesammelt. Trotz meiner internationalen Karriere bleibt Vorarlberg ein fester Bestandteil meiner Identität.

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Sie kehren mit Fotos ihrer damals heftig diskutierten Performance „Schuldig. Nicht schuldig.“ zurück. Was waren damals die größten Hindernisse, und wie wurde Ihre Arbeit rezipiert?

Flatz: Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. In Innsbruck zum Beispiel reichten die Reaktionen von Hilfeangeboten, die versuchten, meine Arbeit zu unterbinden, bis hin zu latent versteckter Aggression. Innsbruck ist eine Studentenstadt, und ich hörte oft, wie Studenten Wetten abschlossen, in welcher Runde ich zusammenbrechen würde. Die härteste Reaktion kam jedoch nach der Performance: ein Auftrittsverbot der Bürgermeis­terin.

Flatz – gereift, aber radikaler als je zuvor
Flatz in seinem Museum, mitten in Dornbirn.hartinger

Es war kurios, denn der einzige andere Künstler, der ein solches Verbot erhielt, war Marilyn Manson. In Vorarlberg führte das damals aufkommende Internet zu zahlreichen anonymen Drohungen, die mir Angst machten und mich dazu brachten, nicht mehr dorthin zurückzukehren. Es gab Aussagen wie „den Arsch den Stich ab“ und Kommentare wie „sag mal Bescheid, damit wir ihn sauber treffen“. Solche Drohungen waren neu und erschreckend für mich.

Flatz – gereift, aber radikaler als je zuvor
Flatz weiß, wie er mit sich zu inszenieren hat.hartinger

Ihre Arbeiten sind oft provokativ und fordern die Gesellschaft heraus. Braucht unsere Gesellschaft Ihrer Meinung nach heute mehr Zivilcourage als je zuvor?

Flatz: Definitiv. Angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage und dem Rechtsruck in vielen Ländern Europas ist es wichtiger denn je, aufzustehen und zu handeln. Wenn man sich Länder wie Italien, Ungarn oder Frank­reich ansieht, wo die nächste Wahl Le Pen gewinnen könnte, wird klar, dass wir uns gegen diese Entwicklungen wehren müssen. Auch in Deutschland und Österreich zeigt sich dieser Trend, und es ist Zeit, den Finger zu erheben und zu sagen: „Denk mal nach, was schon alles passiert ist.“ Es ist wichtig, dass wir aus der Vergangenheit lernen und die demokratischen Werte verteidigen, die unsere Gesellschaften zusammenhalten.

Flatz – gereift, aber radikaler als je zuvor
Stilechte Ankunft im Porsche.hartinger

Sie nutzen auch Social Media und sind politisch aktiv, zum Beispiel bei Demonstrationen. Wie war die Reaktion auf Ihre Performance am Burgtheater in Wien?

Flatz: Für mich war das eine optimale Erfahrung. Es war mein erstes Theaterstück, das ich je geschrieben habe, und es wurde am renommiertesten deutschsprachigen Theater der Welt aufgeführt. Anfangs gab es Widerstände und Überlegungen, die Aufführung zu verbieten. Am Ende hat es doch geklappt. Die Reaktion war überwältigend positiv, und drei Tage später schrieb mir die damalige Standard-Chefredakteurin, dass ganz Wien darüber spricht. Das war genau mein Ziel: Meine Arbeit sollte in den öffentlichen Dialog treten und eine Auseinandersetzung anregen. Es ging darum, dass meine Gedanken und Handlungen hinterfragt werden. Das Burgtheater als Plattform war ideal, um diese Diskussion auf einer breiten gesellschaftlichen Ebene zu führen.

„Das Beste, was ich je in meinem Leben gemacht habe, ist mein Sohn.“

Flatz anlässlich des Vatertags

Ihre Kunst setzt oft auf Aktionismus und Schockeffekte. Wie schwer ist es heutzutage, eine durch die Informationsflut abgestumpfte Gesellschaft noch zu schockieren?

Flatz: Es ist definitiv nicht einfach, die richtigen Mittel zu finden, um Menschen noch zu berühren. Mein Ansatz war immer, Arbeiten zu schaffen, an denen man nicht vorbeigehen kann, ohne eine Meinung oder Haltung dazu zu entwickeln. Diese Haltung kann auch negativ oder ablehnend sein, das ist völlig in Ordnung, solange eine Auseinandersetzung stattfindet. In Zeiten von Social Media und ständiger Informationsflut ist es eine besondere Herausforderung, die Menschen zu erreichen und aus ihrer Gleichgültigkeit herauszuholen. Es geht darum, tiefere Emotionen und Gedanken zu wecken.

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Flatz im Gespräch mit der NEUEN am Sonntag.hartinger

Wie hat sich ihr Duell mit einem Investor um ihr Atelier in München entwickelt? Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Flatz: Das war kein Krieg mit der Stadt, sondern mit einem privaten Investor, der sich als psychopathischer Narzisst herausstellte. Nach vier Jahren Kampf hat er am Ende verloren und musste 200.000 Euro Strafe zahlen. Er hat für seinen Hochmut und seine kriminellen Handlungen die Quittung bekommen. Es war ein langer und harter Kampf, aber letztendlich hat die Gerechtigkeit gesiegt. Ich darf ihn öffentlich als Kriminellen, Erpresser und Kunstvernichter bezeichnen. Und sein Hochmut ist ihm teuer zu stehen gekommen.

Flatz – gereift, aber radikaler als je zuvor
hartinger

Wie unterscheidet sich der heutige Flatz vom Flatz von damals?

Flatz: Ich würde sagen, ich bin reifer geworden. In meiner Radikalität bin ich eher klarer und schärfer geworden. Angst kenne ich nicht, wenn es darum geht, das zu übersetzen, was ich denke und vermitteln möchte. Meine Erfahrungen haben mich gelehrt, dass es wichtig ist, konsequent und kompromisslos zu sein, um eine klare Botschaft zu vermitteln.

Was schockiert Sie persönlich?

Flatz: Unmenschlichkeit und Dummheit, sowie Unbeweglichkeit, sei es im politischen, gesellschaftlichen oder privaten Bereich.

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Flatz beim Video-Interview. hartinger

Was bedeutet Vatertag für Sie?

Flatz: Eigentlich nichts, weil ich finde, dass Vater und Sohn eins sind. Und dahinter steht eine „saugute Mutter“. Das Beste, was ich je in meinem Leben gemacht habe, ist mein Sohn. Er ist jetzt 20 und geht seinen eigenen Weg, und das macht mich sehr glücklich. Der Vatertag ist für mich kein besonderer Tag, weil die Beziehung zu meinem Sohn jeden Tag wichtig ist. Ich bin stolz auf ihn und auf das, was er erreicht hat, und das ist für mich das Wichtigste.

Zur Person

Wolfgang Flatz
Der inzwischen 71-jährige Aktionskünstler, Bühnenbildner, Musiker und Komponist mit Wohnsitz in München polarisiert wie kaum ein anderer Vorarlberger Künstler. Im Flatz-Museum sieht man aktuell Fotoarbeiten zu seiner international kontrovers rezipierten Performance „Schuldig. Nicht schuldig.“.