Allgemein

Aussage und Geschworen-Befangenheit

18.07.2024 • 14:28 Uhr
ABD0042_20240717 – INNSBRUCK – …STERREICH: †bersicht im Schwurgerichtssaal Prozess wegen Mordverdachts im Falle eines sechsjŠhrigen Buben, der im August 2022 tot in der KitzbŸheler Ache gefunden worden war am Mittwoch, 17. Juli 2024 in Innsbruck. – FOTO: APA/EXPA/JOHANN GRODER
Übersicht im Schwurgerichtssaal Prozess wegen Mordverdachts im Falle eines sechsjährigen Buben. APA/EXPA/JOHANN GRODER

Beim international beobachteten Prozess gegen den Vater, den die Tötung seines Sohnes angelastet wird, haben mehrere Zeugen ausgesagt.

Der Mordprozess gegen einen 39-Jährigen, dessen Sohn im Sommer 2022 in der Kitzbüheler Ache in St. Johann tot aufgefunden worden war, ist am Donnerstag am Innsbrucker Landesgericht fortgesetzt worden. Nachdem Befangenheitsanträge der Verteidigung gegen zwei Geschworene und den gerichtsmedizinischen Sachverständigen Walter Rabl aufgrund eines gemeinsamen Gesprächs abgewiesen worden waren, wurden erste Zeugen befragt.

Nachdem die Verhandlung kurz vor Mittag mit ihrem eigentlichen Tagesprogramm gestartet war, wurde der Mann befragt, der den 39-Jährigen aufgefunden hatte. Der Hundebesitzer gab an, den Beschuldigten gegen 4.30 Uhr früh regungslos, am Bauch liegend und mit aufgestellten Füßen entdeckt und anschließend die Rettung verständigt zu haben. Verteidiger Albert Heiss versuchte indes, Widersprüche in den Aussagen zu entdecken, indem er die Farbe der Schuhsohlen, die Position des am Boden liegenden Regenschirms oder etwa die offenbar ursprünglich angenommene Vermutung des Zeugen, dass der am Boden Liegende tot sei, ins Treffen führte.

Die Verteidigung beharrt auf Raubüberfall-Theorie

Einer der Rettungssanitäter erzählte, dass der Angeklagte dann schnell zu Bewusstsein gekommen und rasch orientiert gewesen sei. Auf Nachfrage nach dem leeren Kinderwagen, der sich neben ihm befunden hatte, habe er dann nach seinem Sohn gefragt und gleichzeitig gemeint, dass der Bub vielleicht wegen seiner Affinität zu Wasser bei der Ache sein könnte. Weitere Rettungssanitäter schlossen sich wie auch der Notarzt größtenteils der Aussage seines Kollegen an. Der Arzt sowie die behandelnde Spitalsärztin sprachen von keinen schweren Verletzungen, die der Angeklagte von dem angeblichen Raubüberfall mitsamt Schlag mit einer Flasche auf den Hinterkopf davongetragen hatte.

Am Vormittag hatte zuvor indes die Frage nach der Befangenheit von Geschworenen und Rabl geklärt werden müssen. Bei dem Gespräch nach der Verhandlung am Vortag soll einer der betroffenen Geschworenen Rabl auf einen „schiefen Gürtel“ angesprochen haben, wie dieser sagte. Der Gutachter soll außerdem zu den zwei Geschworenen gemeint haben: „Na, da habt‘s einen Fall ausgefasst“. Der erfahrene Verteidiger Heiss merkte an, dass die „Optik der Befangenheit“ ausschlaggebend sei. Der Richtersenat unter dem Vorsitz von Andreas Fleckl bestellte Rabl daher ein, wobei dieser beteuerte, nicht befangen oder voreingenommen zu sein. Da nicht über den Inhalt des Verfahrens gesprochen worden war, lehnte der Richtersenat die Befangenheitsanträge letztlich ab.

Staatsanwalt sieht stichhaltige Beweise

Während am Mittwoch, dem ersten von insgesamt drei Prozesstagen, neben dem Angeklagten die gerichtsmedizinischen und psychiatrischen Sachverständigen zu Wort gekommen waren, standen am Donnerstag zahlreiche Zeugenbefragungen am Programm. Der tatverdächtige Vater – ein Deutscher, der in Tirol lebte – hatte sich zu Prozessbeginn nicht schuldig bekannt. Bei der Verhandlung blieben sowohl Verteidigung als auch der Angeklagte selbst dabei, dass der 39-Jährige in jener Nacht auf einer Promenade neben der Ache Opfer eines Raubüberfalls und von einem Unbekannten mit einer Flasche ohnmächtig geschlagen worden sei. Der gesundheitlich beeinträchtigte Bub soll dann selbstständig aus dem Kinderwagen gestiegen, in die Ache gestürzt und ertrunken sein. Der gebürtige Deutsche beteuerte teils emotional sehr bewegt die Liebe zu seinem Sohn und führte gesundheitliche Fortschritte des Buben ins Treffen.

Staatsanwalt Joachim Wüstner sah dagegen stichhaltige Beweise gegen den Mann vorliegen. Videoaufnahmen würden etwa zeigen, dass sich im Kinderwagen eine Sektflasche befunden habe und darauf DNA-Spuren vom Kind nachweisbar gewesen seien. Es gebe zudem keine DNA-Spuren von einem etwaigen Täter am Handy oder der Kleidung des Angeklagten – somit sei dies nicht mit dem angeblichen Raubüberfall in Einklang zu bringen. Auch vor Gericht dargetane Gutachten belasteten den Angeklagten. Rabl führte etwa unter anderem aus, dass die Verletzung des Angeklagten – eine kleine Rissquetschverletzung am Hinterkopf und einige Abschürfungen im Gesicht – wohl nicht zu einer so lange andauernden Ohnmacht geführt haben dürfte. Auch für die psychiatrische Sachverständige Gabriele Wörgötter war eine lange Bewusstlosigkeit aus neurologischer Sicht nicht erklärbar, es gebe keinen „objektiven Grund“ dafür.

Großes Medieninteresse und hohe Straferwartung

In dem für großes Aufsehen sorgenden Fall war man ursprünglich von ebenjenem Raubüberfall auf den Vater ausgegangen. Doch nach monatelangen, intensiven Ermittlungen, bei denen sich keine heiße Spur nach dem angeblichen Räuber herauskristallisierte, geriet der 39-Jährige selbst ins Visier und wurde schließlich am 27. Februar 2023 festgenommen.

Für den unter großem Medieninteresse aus Österreich und Deutschland Schwurgerichtsprozess wurden angesichts des beträchtlichen Verhandlungsumfanges drei Verhandlungstermine anberaumt. Verhandelt wird auch noch am 1. August. Der Beschuldigte muss sich neben des Verdachts des Verbrechens des Mordes auch wegen des Verdachts der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung verantworten. Ihm droht bei einer Verurteilung bis zu lebenslange Haft.