“Trump wird dadurch zum US-Messias”

Was bedeutet das gescheiterte Attentat auf Donald Trump für den weiteren Wahlkampf?

Markus Crepaz: Für den Wahlkampf bedeutet das, dass Trump von Stimmengewinnen durch „desillusionierte Trumper“ profitieren könnte. Das sind Wähler, die sich nach seiner Verurteilung von ihm distanziert haben, ihn nun aber wieder unterstützen.

Das macht vielleicht nur ein bis zwei Prozent der potenziellen Stimmen aus, aber das kann ausreichend sein. In den USA spricht man von den „Double Haters“ – Wählern, die keinen der beiden Kandidaten wollen und nicht zur Wahl gehen. Durch dieses Attentat könnte diese Gruppe kleiner werden, da es auch christliche Wähler anziehen wird, die Trump als von Gott auserwählt betrachten.

In den USA kann man den Trend eines „Christian Nationalism“ beobachten, bei dem manche glauben, Trump sei der Messias. Sie sehen in der Tatsache, dass er nur leicht verletzt wurde, ein Zeichen Gottes, dass er der nächste Präsident sein soll. Trump hat sich ja bereits mehrfach mit Lincoln, Jesus und Mandela verglichen.

Das Bild des ehemaligen US-Präsidenten umringt vom Secret Service ging um die Welt. Wie verändert sich dadurch das Narrativ des Republikaners?

Crepaz: Dieses Foto wird sicherlich historisch. Trump ist ein exzellenter Showman: das Blut, seine erhobene Faust – er hat „Fight, fight, fight!“ gerufen – es wirkte fast inszeniert. Doch das war es nicht – ich bin kein Verschwörungstheoretiker. Aber außer, dass die Kugel nicht seinen Kopf getroffen hat, hätte es für Trump kaum besser laufen können. Er erschien als tapfere, mutige Führungsfigur. Stimmenmäßig wird das besonders auf die „Hispanic“-Wähler wirken, für die ein „Macho-Typ“ kulturell sehr ansprechend ist. Und wie bereits erwähnt wird dieses Bild die bisher unentschlossenen Trump-Wähler enorm mobilisieren.

Welche Auswirkungen hat die Unterstützung von Elon Musk für Trump?

Crepaz: Musk hat eine riesige Anhängerschaft auf „X“ und eine ähnlich kultähnliche Gefolgschaft wie Trump. Außerdem ist Musk einer der reichsten Menschen der Welt. Es war schockierend, wie er sich direkt nach dem Attentat für Trump ausgesprochen hat. Es wird erwartet, dass Trump im Falle eines Wahlsiegs signifikante Steuererleichterungen für Millionäre und Milliardäre einführen wird – für Musk ein gefundenes Fressen.

Glauben Sie, dass das angekündigte „Abrüsten der Worte“ lange Bestand haben wird?

Crepaz: Das „Abrüsten der Worte“ ist schon vorbei – das hat drei Sekunden gedauert.

Kritiker und Verschwörungsideologen auf der ganzen Welt wittern einen „Inside Job“. Wie sieht die Berichterstattung in den USA aus? Wäre so etwas überhaupt denkbar oder Donald Trump zuzutrauen?

Crepaz: Ich halte das für komplett falsch. Eine Verschwörung würde bedeuten, einen 20-jährigen Attentäter zu finden, der bereit ist zu sterben. Ihn auf ein Dach zu stellen, das 150 Meter von Trump entfernt ist, und auf ihn zu schießen, dann aber nur leicht zu verletzen, damit Trump behaupten kann, er sei von Gott auserwählt. Trump ist zu allem fähig, aber das ist zu viel des Guten. Die etablierten Medien in den USA kommentieren das gar nicht. In den dunklen Ecken des Internets mögen solche Theorien kursieren, aber nicht in den zentralen Medien.

Denken Sie, dass ihm damit der Wahlsieg sicher ist?

Crepaz: Bis jetzt gibt es noch keine Umfragen nach dem Attentat, aber ich bin überzeugt, dass es ihm zusätzliche Stimmen bringen wird.

Wie steht es um das Urteil des Obersten Gerichtshofs? Welche rechtlichen Hürden stehen noch zwischen Donald Trump und einer erneuten US-Präsidentschaft?

Crepaz: Das Urteil wurde von den meisten unabhängigen Juristen und Kommentatoren als hoch politisch beschrieben. Trump gelang es während seiner Amtszeit, drei Richter auf Lebenszeit zu ernennen, wodurch die Balance eindeutig auf der konservativen Seite liegt. Der Oberste Gerichtshof hat bestimmt, dass Trump für alle „offiziellen“ Aktivitäten „absolute“ Immunität genießt, und teilweise auch für inoffizielle. Das bedeutet für viele unabhängige Beobachter, dass Trump über dem Gesetz steht. Das wird als „unamerikanisch“ betrachtet, könnte ihm aber helfen, mit seinen anderen Anklagen besser umzugehen. Sollte er gewinnen, könnte er zwei der drei Anklagen („Classified Documents Mar-a-Lago“ und „Election Interference“ beim Sturm auf das Kapitol) ohnehin abwenden. Die dritte Anklage, nämlich die „gefälschten Wahlmänner“ in Fulton County, Georgia, könnte ihm jedoch zum Verhängnis werden, da es sich um eine Staatsangelgenheit handelt und nichts mit den Bundeswahlen zu tun hat.

Wie stehen Sie zur Debatte um Joe Biden? Wieso haben die Demokraten ein so offensichtliches Problem bei der Auswahl eines Kandidaten, der dem Republikaner die Stirn bieten kann?

Crepaz: Nur Joe Biden kann entscheiden, ob er nicht mehr kandidieren will. Er hat die Vorwahlen gewonnen, ist der Einzige, der Trump in Wahlen geschlagen hat und sagt, dass die Präsidentschaft kein „College Debating Club“ ist. Als Präsident war er auch sehr effektiv – leider wird sein Alter sichtlich bemerkbar. Die Demokraten haben ein riesiges Problem: Wer sollte ihn ersetzen? Kamala Harris, die Vizepräsidentin, wäre eine Möglichkeit.

Oder Gretchen Whitmer, die Gouverneurin von Michigan, oder Gavin Newsome, der Gouverneur von Kalifornien. Das Problem ist, ob sich die Demokraten in sehr kurzer Zeit auf einen Kandidaten und Vize einigen können. Wie sollten die Delegierten, die sich auf Biden eingeschworen haben, auf neue Personen umgestimmt werden? Was, wenn sich die potenziellen Kandidaten in einer rauen, zerreißenden „Mini-Vorwahl“ verwickeln? Und über allem steht Joe Biden, der sagt: „Ich gehe nicht.“ Und die Zeit drängt. Mein Tipp ist, dass die Demokraten ihre eigene Zäsur schaffen sollten, indem sie Biden durch einen neuen, dynamischen, jungen Kandidaten ersetzen. Das würde den „News Cycle“ für ein paar Tage bestimmen und die demokratische Basis mobilisieren.

Im Falle eines Wahlsieges, welche Auswirkungen hätte die Präsidentschaft von Donald Trump auf Europa?

Crepaz: Sollte Trump gewinnen, wären die Auswirkungen auf Europa enorm. Es ist durchaus möglich, dass Trump die USA aus der Nato herausholt, womit Europa praktisch nackt dastehen würde. Er möchte Einfuhrzölle einführen, was die europäische Wirtschaft negativ beeinflussen und global Inflation generieren würde. Er würde Klimaverträge aufkündigen. Er würde mit Putin Friedensverhandlungen auf Kosten der Ukraine führen. Trump ist ein Tyrann, er hat ein autoritäres Persönlichkeitsprofil. Er würde seinen „Kollegen“ Orban, Fico, oder Le Pen Auftrieb geben und mithelfen, Europa in „illiberale Demokratien“, sprich autoritäre Systeme, zu verwandeln. Und es wäre kein Alptraum auf Zeit: Mit seinem Vizepräsidenten J.D. Vance hat Trump den Erhalt von „MAGA“-Ideen für Generationen gesichert.