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Kreisläufe im Leben und in der Musik

06.08.2024 • 19:00 Uhr
Bregenz am 5.8.2024 Bregenzer Festspiele. OK Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker 3, Dirigent Petr Popelka. Dirigent Petr Popelka
Der designierte Chefdirigent der Wiener Symphoniker Petr Popelka am Montag beim dritten Orchesterkonzert der Bregenzer Festspiele. Dietmar Mathis (2)

Petr Popelka , der neue Chefdirigent der Wiener Symphoniker, gab am Montag in Bregenzer Festspielhaus einen tollen Einstand.

Abschied und Neubeginn, blühende Romantik und vielstimmig aufgefächerte neue Musik, zart Verlöschendes und Lärmendes erlebte man im dritten Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker in mehrfacher Hinsicht: Zwar dauern die Bregenzer Festspiele noch knapp zwei Wochen und für das traditionsreiche Festspielorchester, die Wiener Symphoniker, bedeutet das noch einige Aufführungen der erfolgreichen Seebühnenproduktion von Webers „Freischütz“.

Ein Dank für viele Jahre

Auch die Intendantin Elisabeth Sobotka bleibt natürlich bis zum Schluss, bevor sie nach Berlin geht, und wird unter anderem noch den Rossini/Puccini-Doppelabend des Opernstudios und die Uraufführung von Ena Brennans „Hold your breath“, zwei ihrer Herzenskinder, genießen. Die Wiener Symphoniker aber musizierten am Montag ihr letztes Orchesterkonzert der Festspielsaison, zugleich war es das erste Konzert des neuen Chefdirigenten Petr Popelka in Bregenz und so nutzte Orchesterintendant Jan Nast die Gelegenheit, der Festspielintendantin mit einem Arm voller Sonnenblumen für viele gemeinsame Jahre, Ideen und Projekte zu danken.

Der 38-jährige gebürtige Prager Dirigent, Kontrabassist und Komponist Petr Popelka eröffnet das Programm mit den hochromantischen Klängen von Carl Maria von Webers Ouvertüre zu „Euryanthe“ und Robert Schumanns dritter Symphonie: Plastisch modellierend mit impulsiver (manchmal etwas zu starker) Körpersprache präsentiert er den optimistischen Aufschwung der Ouvertüre, das lyrische Seitenthema und die markante Schlussgruppe.

Glückliche Zeiten

Die Oper ist wegen dramaturgischer Schwächen unbekannt geblieben, mit der Ouvertüre dazu aber kann ein Orchester immer wieder glänzen. Robert Schumanns dritte Symphonie, die „Rheinische“, scheint aus Webers Ouvertüre herauszuwachsen, prächtig, optimistisch, im klangschönen Zusammenspiel der Orchestergruppen erzählt das 1851 in Düsseldorf uraufgeführte Werk von einer glücklicheren Zeit im Leben des Komponisten. (Nur drei Jahre später versuchte Schumann, sich in eben diesem Fluss zu ertränken.) Nur wenige Kilometer von der Rheinmündung in den Bodensee entfernt erschafft Popelka mit seinem Orchester einen warmen, farbenreichen Klang mit samtigen Streichern, sprechenden Holzbläsermotiven und prägnanten Blechbläsern. Die beiden Mittelsätze sind eher lyrisch und wiegend gestimmt, geheimnisvoll und poetisch in der Ausdruckswelt der Romantik, im Finale leuchten die Linien.

Bregenz am 5.8.2024 Bregenzer Festspiele. OK Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker 3, Dirigent Petr Popelka. Dirigent Petr Popelka
Das Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker prahlt eine einzigartige Besetzung.

Affinität zu Japan

Der Tiroler Komponist Thomas Larcher ist den Bregenzer Festspielen seit einigen Jahren eng verbunden, nicht nur durch die 2018 höchst erfolgreich uraufgeführte erste Oper „Das Jagdgewehr“. Als Auftragswerk für den Mitteldeutschen Rundfunk, die Bregenzer Festspiele, die Filharmonie Brno und die NTR ZaterdagMatinee am Concertgebouw Amsterdam entstand das im März dieses Jahres uraufgeführte neue Werk „Love and the Fever“. Wie in der Oper zeigt Larcher seine Affinität zur japanischen Kultur, das neue Stück verbindet acht Gedichte von Miyazawa Kenji zu einem enorm facettenreichen Zyklus für Chor und Orchester. Neben Miniaturen von wenigen Zeilen stehen längere Gedichte über den berührenden Abschied des Dichters von seiner sterbenden Schwester, der er schmelzenden Schnee zur Erfrischung bringt.

Mit einem großen Schlagwerkapparat, präpariertem Klavier, Celesta, Akkordeon, Harfe und einigen Zusatzinstrumenten der Bläserregister erweitert Larcher das Farbspektrum des Orchesters, lässt es manchmal wild aufheulen, kann es aber auch ganz kammermusikalisch reduziert wispern lassen. Der Prager Philharmonische Chor in der Einstudierung von Lukáš Vasílek zeigt in großer Besetzung sein Können in Pianissimo-Passagen ebenso wie in kraftvollen Steigerungen. Die Verbindung von Text und Musik, Chor und Orchester ist spannend gelöst, in den Zwischenspielen entwickelt Popelka mit den Symphonikern zauberische und überwältigende Klänge. Das Publikum feierte den Komponisten und die beiden Klangkörper und ließ sich ebenso von der „Berliner Luft“ begeistern, die das Orchester der Intendantin auf dem Weg zu ihrer neuen Wirkungsstätte mitgab.

www.bregenzerfestspiele.com

Von Katharina von Glasenapp