Allgemein

Der Inhalt dieses Papiers sprengt die Vorarlberger Landesregierung

11.08.2024 • 07:00 Uhr
Der Inhalt dieses Papiers sprengt die Vorarlberger Landesregierung
Heiß umstritten ist der Bau, oder Nicht-Bau, von der Bodenseeschnellstraße S18. Montage

Der NEUE am Sonntag liegt das Gewesslersche Arbeitsübereinkommen vor, das für Landeshauptmann Wallner unannehmbar ist und eine S-18-Lösung in weite Ferne rücken lässt.

Parteipolitisches Vorwahlkampfgeplänkel oder Suche nach sachorientierter Lösung? Das von Umweltministerin Leonore Gewessler dem Land Vorarlberg vorgelegte Arbeitsübereinkommen liegt der NEUE am Sonntag vor und beinhaltet Sprengstoff, der nicht nur das Lustenauer Ried teilt, sondern in dieser Form das Ende der schwarz-grünen Zusammenarbeit auf Vorarlberger Regierungsebene bedeuten könnte.

Zusammenfassung

Überblick über die Inhalte des Arbeits­übereinkommens „S 18 Bodensee Schnell­straße“:

Hintergrund und Historie:

  • Auftrag: Der Nationalrat beauftragt 2021 das Klimaschutzministerium, Alternativen zur S 18 zu prüfen.
  • Untersuchung: Gemeinsame Arbeitsgruppe untersucht Verbindung nach Schweiz (Lustenau Süd).
  • Ergebnis: Alternative bringt verkehrliche Vorteile und schont Klima und Natur.

Ziele des Übereinkommens:

  • Keine neue hochrangige Straßenverbindung: Kosten, lange Umsetzung und geringe Genehmigungsaussichten.
  • Niederrangige Straßenverbindungen: Rasche und umweltfreundliche Entlastung des Verkehrs im Rheintal.
  • Finanzierung: Bund übernimmt Kosten für niederrangige Lösungen und Sofortmaßnahmen.

Fokus:

  • Verkehrsentlastung: Durch niederrangige Straßen und Sofortmaßnahmen.
  • Erhalt von Agrarflächen: Minimaler Bodenverbrauch bei Verkehrsinfrastruktur.
  • ÖPNV und Radwege: Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs und Ausbau von Radwegen.

Sofortmaßnahmen:

  • Temporeduktion und Nachtfahrverbot: Für LKW in Ortsdurchfahrten.
  • Sichere Querungen: Für Fußgänger in Lustenau.
  • Digitalisierte Zollabwicklung: Verbesserung der Grenzabfertigung.
  • Radprojekte: Umsetzung von Radwegprojekten im Ballungsraum.

Nächste Schritte:

  • Planung: Grundlagen für niederrangige Straßenverbindungen durch Land Vorarlberg.
  • Gesetzesänderung: Novellierung des Bundesstraßengesetzes zur Herausnahme der S-18-Abschnitte und Finanzierung der Alternativen.
  • Ziel: Schnelle Entlastung der Bevölkerung und umweltfreundliche Verkehrsverbesserung.

Kontroverse Diskussion

Für die beiden ÖVP-Regierungsvertreter Landeshauptmann Markus Wallner und Wirtschaftslandesrat Marco Tittler stellt das Papier einen Affront gegenüber dem Land Vorarlberg dar. „Schon in den ersten Passagen wird deutlich, dass die Ministerin offenbar plant, die S 18 aus dem Bundesstraßengesetz herauszunehmen. Vorarlberg wird sich hüten, den Bund aus der gesetzlichen Verpflichtung zu entlassen. Damit würde das Land zum Bittsteller und die Finanzierung des Projekts würde in Frage gestellt“, informiert der Landeshauptmann. Im Original-Entwurf liest sich die Passage folgendermaßen: „Das Klimaschutzministerium kommt daher mit dem Land Vorarlberg überein, unter Einbindung der Partner und Partnerinnen in der Schweiz und im Land Vorarlberg die vertiefenden Planungen zu niederrangigen Alternativen aufzunehmen. Das Ziel ist dabei eine möglichste rasche Entlastung der Bevölkerung vor Ort und eine gezielte Verbesserung des Verkehrsnetzes, ohne dabei einzigartige Naturräume zu gefährden. Voraussetzung für die Umsetzung dieser Landesstraßen ist eine Herausnahme des Streckenverlaufes der S 18 aus dem Bundesstraßengesetz bei gleichzeitiger gesetzlicher Regelung zur 100-prozentigen Finanzierung der niederrangigen Lösungen durch den Bund.“

Vier Fragen an Landeshauptmann Wallner

Welches Konzept steht für Sie an erster Stelle?
Markus Wallner: Vorarlberg pocht auf die Umsetzung und Finanzierung durch den Bund. Eine hochrangige Verbindung, wenn möglich mit einer Unterflurlösung ab dem Dornbirner Kreisverkehr. Und nicht niederrangig durch die Dörfer, ohne Absprache mit der Schweiz.

Wie beurteilen Sie die Haltung von Verkehrs-Landesrat Daniel Zadra?
Wallner: Wenn ein Vorarlberger Landesrat aufgrund grüner Klientelpolitik gegen die Interessen des eigenen Bundeslandes argumentiert, kommt man in Versuchung, Begrifflichkeiten wie Amtsmissbrauch zu verwenden. Ohne ihm das zu unterstellen.

Was bedeutet das für die Wahlen im Herbst?
Wallner: Die Umsetzung der Trasse ist Koalitionsvereinbarung. Wenn die Landes-Grünen diesen Gewessler-Vorstoß gutheißen, ist eine Fortführung einer Regierungskoalition im Herbst eine quasi unüberwindbare Hürde.

Lustenau lehnt die Trasse laut Volksbefragung ab. Ist das nicht zu respektieren?
Wallner: Die Volksbefragung war zu einem Zeitpunkt mit einer anderen Projektierung sowie mit einer missverständlichen Fragestellung. Und die Unterflur-Lösung mit Rückgabe an Flächen könnte man erneut zur Frage stellen.

Markus Wallner, Marco Tittler und Hans-Peter Lorenz
Landeshauptmann Markus Wallner äußert sich zu diesen vier Fragen. Hartinger

Leeres Versprechen?

Zwar verspreche die Umweltministerin bei der Umsetzung eine vollständige Finanzierung, die nicht das Land Vorarlberg belasten würden, was aber laut dem Landeshauptmann ein leeres Versprechen sei, das weit über die Kompetenz von Gewessler hinausgehen würde.

Entscheidung des Nationalrats

Derselben Meinung ist man auch im Büro von Wirtschaftslandesrat Marco Tittler: „Die Herstellung einer hochrangigen Verbindung zwischen der Österreichischen A 14 und der Schweizer Autobahn im Unteren Rheintal ist im Bundesstraßengesetz verankert und damit gesetzlich vorgesehen. Dies hat der Nationalrat so entschieden und kann nicht durch ein Arbeitsübereinkommen zwischen einem Ministerium und einem Bundesland einfach so revidiert werden. Der Bund ist mit der Aufnahme in das Bundesstraßengesetz eine Verpflichtung zur Planung, zum Bau, zum Betrieb, zur Erhaltung und zur Finanzierung einer hochrangigen Verbindung eingegangen. Die Vorarlberger Bevölkerung erwartet sich dementsprechend eine möglichst rasche, gesetzeskonforme Umsetzung von der verantwortlichen Stelle und keine politisch motivierten Taschenspielertricks.“

Der Inhalt dieses Papiers sprengt die Vorarlberger Landesregierung
Marco Tittler ist derselben Meinung. Stiplovsek

Gewessler-Variante als Sackgasse

Und auch für Kurt Fischer, den Lustenauer Bürgermeister, bedeutet das viel zitierte und heftig diskutierte Papier vonseiten des Umweltministeriums nicht viel Konstruktives: „Wir waren alle von der Gewessler-Variante brüskiert, gerade auch auf Schweizer Seite. Gerade mit den Verantwortlichen über der Grenze ist so eine Lösung nicht gangbar. Umweltministerin Gewessler, mit der ich ansonsten ein sehr gutes Verhältnis pflege, hat dieses Thema in eine Sackgasse manövriert. Und erst eine gemeinsam handelnde, nicht gespaltene Regierung wird wieder fähig sein, sich einer konstruktiven Lösung zu widmen.“ Denn seines Erachtens handle es sich nun um parteipolitisches Säbelrasseln, vor der Nationalratswahl sei hier nicht mit viel konstruktiven Beiträgen zu rechnen. Nichtsdestotrotz habe man sich in Lustenau zumindest mithilfe des Landes um einige, kurzfristige Lösungen wie die Fahrradbrücke bemüht, um dem Verkehr Herr zu werden.

Der Inhalt dieses Papiers sprengt die Vorarlberger Landesregierung
Kurt Fischer, Bürgermeister von Lustenau, ist kein Freund der S18. Hartinger

Unendliche Geschichte

Damit wäre die unendliche Geschichte um den Bau oder wohl eher Nicht-Bau der Bodenseeschnellstraße um ein Kapitel reicher. Am 11. November 2024 würde sich die Entscheidung für die Trassenwahl zum vierten Mal jähren. Zwar Faschingsbeginn, aber immer noch ein schlechter Scherz, auf Kosten der ganzen Bevölkerung im Rheintal.