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Von der Badewanne ins Weinregal

17.08.2024 • 10:00 Uhr
Von der Badewanne ins Weinregal
Stefan Birkel in seinem Kost.Raum in Hohenems. Stiplovsek

Das Thema Weinanbau beschäftigte Stefan Birkel schon in der Studienzeit. Heute ist der 61-jährige Nebenerwerbswinzer, produziert im kleinen aber feinen Rahmen Bioweine.

Schon während seines Biologie-Studiums in Innsbruck spielte Stefan Birkel mit dem Gedanken, den akademischen Weg zu verlassen und Weinbauer zu werden. Doch die Zeiten in den 1980er-Jahren waren düster für die österreichische Weinwirtschaft.

Der Weinskandal, einer der größten Lebensmittelskandale Österreichs, erschütterte die Branche. Weine wurden mit Glykol versetzt, künstlicher Wein als echter verkauft. „Die Winzer, die ich zu dieser Zeit kontaktierte, rieten mir alle dringend davon ab, diesen Beruf zu ergreifen. Der Weinbau lag damals am Boden“, erinnert sich der heute 61-Jährige. Doch seine Leidenschaft für den Weinbau blieb bestehen. Noch während seines Studiums zog es ihn immer wieder nach Italien, wo er an diversen Weinlesen mithalf. „Danach schlief bei mir das Thema Weinbau ein wenig ein. Ich konzentrierte mich auf meinen beruflichen Werdegang“, sagt Birkel. Nach seiner Tätigkeit als Naturschutzanwalt in Vorarlberg wechselte er zum Österreichischen Ökologieinstitut in Bregenz.

Zur Person

Name: Stefan Birkel
Geboren: 14. Jänner 1963 in Dornbirn
Familienstand: Verheiratet mit Sabine, zwei erwachsene Kinder
Wohnort: Hohenems
Ausbildung: Biologiestudium in Innsbruck
Hauptberuf: Inhaber und Geschäftsführer Eco Bra!n (Unternehmensberatung zu einer umweltfreundlichen Betriebsführung)
Vorheriger Beruf: Naturschutzanwalt Vorarlberg, Mitarbeiter beim Österreichischen Ökologieinstitut (Außenstelle Vorarlberg)
Nebenberuf: Bio-Weinbauer

Firma gegründet

Im Jahr 2000 gründete er die Firma Eco Bra!n, eine Unternehmensberatung für umweltfreundliche Betriebsführung. Dabei arbeitete er beim Aufbau und der Implementierung des Projekts Ökoprofit in Vorarlberg mit – eines der erfolgreichsten prozessorientierten Umwelt- und Klimamanagementsysteme – wo er immer noch seine Hauptbeschäftigung findet. In Vorarlberg sind derzeit etwa 220 Betriebe zertifiziert. Durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Betrieb, Berater und Behörden entstehen Synergieeffekte, die allen Beteiligten Vorteile bringen. Hauptthemen sind Energie, Abfall und Stoffströme und somit Ressourceneffizienz.

Nebenerwerbswinzer-Birkel
Der Anbau. Birkel

Als Stundenlöhner unterwegs

Eco Bra!n ist auch heute noch Stefan Birkels „Haupteinnahmequelle“. Das Thema Weinbau keimte jedoch immer wieder auf. „Vor 20 Jahren lernte ich in der Schweiz Leute kennen, die ein Weingut in Berneck geerbt hatten. Diese suchten Gleichgesinnte und Investoren, um das Gut wieder aufzubauen.“ Gemeinsam mit seiner Frau Sabine erwarb er Anteile und wurde Aktionär des Weinguts. Gleichzeitig machte er eine Ausbildung zum Nebenerwerbswinzer und in der Kellereitechnik. Zudem besuchte er diverse Fortbildungen im Biobereich. „Ich habe eineinhalb Jahre immer wieder als Stundenlöhner im Weingut Wetli Weine in Berneck gearbeitet.“

Von der Badewanne ins Weinregal
Die Haupteinnahmequelle ist heute auch noch Eco Bra!n. Stiplovsek

Erster eigener Weingarten

Danach ergab sich die Gelegenheit, einen Weinberg am Buchberg im schweizerischen Rheineck zu pachten. Sieben Jahre bewirtschaftete er dort die steilen Hänge, bevor er sich entschied, etwas Eigenes zu suchen. 2015 fand er schließlich in Retz im Weinviertel in Niederösterreich, nahe der tschechischen Grenze, eine Liegenschaft mit einem kleinen Weingarten. Birkel schlug zu und erwarb zudem einen weiteren Hektar abgewirtschafteter Weingärten. Zehn Jahre später tragen nun alle Früchte und sind in Ertrag gekommen. „So lange hat es gedauert, bis wir alles aufgebaut haben.“

Nebenerwerbswinzer-Birkel
Ein Viertel des Jahres ist Stefan Birkel im Weinviertel in Niederösterreich und widmet sich dem Weinbau. Birkel

Umweltfreundlich

„Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, möglichst naturnah und umweltfreundlich zu arbeiten. Daher arbeiten wir nach den Richtlinien des biologischen Landbaus und sind Mitglied der Bio Austria. Nach diesem Standard, dem zweithöchsten in Österrreich, sind wir auch zertifiziert“, erklärt der Hohenemser. Traktorarbeiten, die in den Weingärten erforderlich ist, werden von einem befreundeten Weinbaubetrieb durchgeführt. „Um Pflanzenschutz möglichst vollständig zu reduzieren, haben wir alle unsere Weingärten, die wir mit klassischen Rebsorten erworben haben, mittlerweile durch moderne, umweltfreundliche und pilzresistentere Rebsorten, sogenannte Piwi, ersetzt.“

Piwi-Rebsorte

Piwi-Rebsorten weisen eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten auf und ermöglichen eine deutliche Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Daher sind diese robusten und innovativen Rebsorten eine naheliegende Ergänzung zu herkömmlichen, traditionellen Rebsorten mit intensivem Pflanzenschutz.

Die Weinlese wird von Hand mit möglichst wenig Maschineneinsatz durchgeführt. „Dadurch können wir sicherstellen, dass nur Trauben mit bester Qualität verarbeitet werden.“ Das Ziel von Stefan Birkel war immer, „naturnahe, ehrliche Weine herzustellen, die sehr bekömmlich sind und vor allem viel Freude bereiten sollen.“

Stefan Birkel
Es steckt viel harte Arbeit in den Nebenberuf. Birkel

Start in der Badewanne

Nachdem der Vorarlberger seinen ersten Wein noch quasi in der heimischen Badewanne gekeltert hatte („Er schmeckte so lala“), läuft heute alles viel professioneller ab. Die Verarbeitung erfolgt in Kooperationen mit dem Altacher Peter Klien (Weinbau Noos), der in Niederösterreich ebenfalls einen Hektar bewirtschaftet, und dem im Weinviertel bekannten Weinbauern Erich Landsteiner. Das Presshaus wird gemeinsam genutzt. Die Weißweine gären im Keller, bis die Gärung von selbst endet, die Rotweine werden in kleinen Eichenfässern mindestens zehn Monate ausgebaut.

Aus seinen 3000 Rebstöcken in Niederösterreich gewinnt Stefan Birkel aktuell 1500 bis 2000 Flaschen Wein pro Jahr. Ziel sind bis zu 3500 Flaschen. Sein PIWI-Rebsorten-Repertoire umfasst unter anderem Donau-Riesling, Muscaris, Souvignier Gris, Pinot Nova und Cabernet Jura.

Kost.Raum

Seit dem Frühjahr 2021 hat Stefan Birkel auch einen Standort in der Marktstraße in Hohenems, wo seit 2022 im Kost.Raum seine Weine und die von Winzerkollegen zur Kostprobe sowie Verkauf bereitstehen. Weitere Informationen dazu, wie Öffnungszeiten oder Weinauswahl, gibt es auf www.bioweine-birkel.at.

Traum verwirklicht

Insgesamt verbirgt sich hinter der Nebenbeschäftigung Winzer viel Aufwand. Zehnmal im Jahr pendelt Stefan Birkel zwischen Vorarlberg und Niederösterreich. „Ein Viertel des Jahres bin ich im Weinviertel und widme mich dem Weinbau.“ Könnte er davon alleine leben? „Nein“, so die klare Antwort des 61-Jährigen. „Ich habe mir mit dem Weinanbau als Nebenbeschäftigung einen langjährigen Traum verwirklicht, der in den 1980er-Jahren noch unmöglich schien und heute Realität ist. Aber ich bin und bleibe ein Hobby-, oder besser gesagt, Leidenschaftswinzer.“ Dabei betont er, dass im Wort Leidenschaft auch Leiden vorkommt. „Weinanbau ist eine körperlich sehr anstrengende und herausfordernde Tätigkeit mit viel Handarbeit.“

Nebenerwerbswinzer-Birkel
Hinter dem Weinanbau steckt viel Handarbeit. Birkel

Das heißt, er wird sich wohl nicht ewig in den Weingärten aufhalten. Sein Plan für die Zukunft: „Mit 65 Jahren will ich den letzten Jahrgang produzieren und danach die Weinbauflächen verpachten oder verkaufen.“ Bis sein letzter Jahrgang im Verkauf landet, wird er aber noch einige Jahre mit der Verarbeitung, Lagerung und Abfüllung beschäftigt sein. „Das passt gut, die Leidenschaft für den Weinanbau wird wohl mein ganzes Leben ein treuer Begleiter sein.“