Menschenmauer gegen den Gebärzwang

Pro Choice Vorarlberg macht Abtreibungsgegnern den Platz vor dem Landeskrankenhaus strittig. Die NEUE sprach mit der Aktivistin Dunst-Ender.
Wir bilden eine menschliche Bannmeile gegen psychische Gewalt an Frauen“, erklärt Nadine Dunst-Ender. Die 43-Jährige ist Mutter zweier Kinder und engagiert sich bei Pro Choice Vorarlberg. Dienstagvormittag versammelte sie sich gemeinsam mit Gleichgesinnten vor dem Landeskrankenhaus Bregenz. Genau an jener Stelle, wo sonst Abtreibungsgegner protestieren. Um diese fernzuhalten, fordert das Landeskrankenhaus eine Schutzzone um das Spital. Pro Choice Vorarlberg schließt sich dem an: „Wenn wir hier sind, kann niemand die Betroffenen stören.“ Bis Ende Monat lädt die Gruppe jeden Dienstag- und Donnerstagvormittag zum Protest. Im September sind Treffen an allen Wochentagen vorgesehen.
Ein Erfolg auf Raten
Seit November 2023 werden im Bregenzer Krankenhaus Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Davor wurden diese nur in der Privatpraxis von Benedikt-Johannes Hostenkamp angeboten. Der Mediziner wollte im August letzten Jahres in Pension gehen. Die drohende Versorgungslücke gab der seit Jahrzehnten bestehenden Forderung, dass öffentliche Träger Abtreibungen durchführen sollen, Aufwind. Jetzt können sich Ärzte freiwillig für eine Durchführung entscheiden. „Das ist ein Erfolg, den wir ganz Österreich verdanken. Das ganze Land hat mit dem Finger auf Vorarlberg gezeigt“, erinnert sich Dunst-Ender. Dass Betroffene 720 Euro bezahlen müssen, kritisiert sie. Stattdessen fordert ihre Organisation, dass die Krankenkassen für die Kosten aufkommen sollen.
Abtreibung verwehrt
Im Mai wurde einer Frau die Abtreibung verwehrt. Sie befand sich in der 13. Schwangerschaftswoche. Ein Abbruch kann bis zur 16. straffrei durchgeführt werden. Von Seiten des Spitals heißt es, man hätte sich aus Sicherheitsgründen dagegen entschieden, da ab diesem Stadium ein viel größerer Eingriff notwendig sei. Die Betroffene wurde nach Salzburger verweisen, wendete sich aber an Hostenkampf. Der Mediziner befindet sich in Teilpension und nahm den Abbruch in seiner Praxis vor.
Auf der Hut sein
„Wir alle sollten auf der Hut sein, dass Frauenrechte nicht gekippt werden. In US-Bundesstaaten mit strengen Abtreibungsgesetzen ist die Muttersterblichkeit deutlich höher wie in anderen“, warnt die 43-Jährige. Schwangerschaftsabbrüche sind in Österreich nicht legal. Unter gewissen Umständen können sie aber straffrei durchgeführt werden. Pro Choice vertritt die Position, dass Abbrüche außerhalb des Strafrechts geregelt werden müssen.
Frauen entscheiden
Sie ist gerne Mutter und weiß was eine Geburt bedeutet, wie es ist Kinder zu haben. „Die Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch können sehr unterschiedlich sein. Was aber alle gemeinsam haben ist der Umstand, dass sie Niemanden etwas angehen. Frauen sind in der Lage, selbstständig Entscheidungen über ihren Körper zu treffen“, bekräftigt Dunst-Ender.
Drei Fragen an Nadine Dunst-Ender
Wer steht hinter Pro Choice Vorarlberg und was macht ihr?
Antwort: Nicole Ender-Jöchl, Lisabell Semia Roth und ich bilden das Kernteam. Wir unterstützen die Forderungen der weltweit aktiven Pro-Choice-Bewegung. Der Verein befindet sich gerade in der Gründung.
Was fordert ihr?
Antwort: Raus mit der Abtreibung aus dem Strafrecht. Versorgung und Zugang zu Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen durch die öffentliche Hand. Reproduktive Gerechtigkeit muss hergestellt werden.
Wie war das Treffen?
Antwort: Trotz der brutalen Temperaturen sind gut 30 Personen gekommen. Wir haben die Teilnehmenden immer wieder darauf hingewiesen, dass sie genug Wasser trinken sollen. Zum Glück haben einige Sonnenschirme mitgebracht.

Gebärzwang
„Für mich ist es besonders absurd, wenn Menschen, die gar nicht schwanger werden können, Frauen einem Gebärzwang unterziehen wollen“, klagt die Aktivistin. Daher glaubt sie nicht, dass ein Dialog mit den Abtreibungsgegnern sinnvoll wäre. Die 43-Jährige beobachtet, dass diese Gruppe immer kleiner werden. Dafür seien sie laut, gut finanziert und wirken größer als sie sind. „Ich möchte festhalten, dass die meisten Männer ihre Rolle in dieser Thematik voll verstanden haben“, lobt die Mutter.
Ja und Nein sagen können
Reproduktive Freiheiten umfassen das Recht, sich gegen, aber auch für ein Kind entscheiden zu können. „Es müssen die Möglichkeiten für beides geschaffen werden. Uns wirft man oft vor, wir seien gegen Familien. Ganz im Gegenteil. Es sind oft rechte Parteien, die gegen Abtreibungen sind. Einmal an der Macht, kürzen sie als erstes Familien- und Sozialleistungen“, kontert Dunst-Ender.
Konstante Anwesenheit
Pro Choice Vorarlberg hat auf Social Media zur Versammlung aufgerufen. Am Dienstag seien 25 und am Donnerstag 30 Personen erschienen. Ihr Ziel erreicht die Gruppe aber schon mit deutlich weniger Teilnehmenden: „Ab drei Personen ist es eine Versammlung. Unser Ziel ist es nicht möglichst viele, sondern konstant Menschen zu mobilisieren. Dann kann hier niemand anderes sein und die Betroffenen stören.“ Dunst-Ender versteht, wenn Sympathisanten nur schwer Zeit für Protest haben. Gleichzeitig ist sie von der Notwendigkeit überzeugt, dass man aktiv werden muss, um seine Rechte zu schützen.