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“Der Wert von Gold ist nicht überschätzbar”

25.08.2024 • 13:00 Uhr
Olympiazentrum
Manhart im Interview mit die NEUE am Sonntag. Klaus Hartinger (4)

Interview. Sebastian Manhart, Geschäftsführer des Olympiazentrums Vorarlberg, zieht im zweiteiligen Interview ein Fazit über die Vorarlberger Leistungen bei den Sommerspielen.

Wie haben Sie den Olympiasieg des Bregenzers Lukas Mähr zusammen mit Lara Vadlau bei den 470er-Seglern erlebt?

Sebastian Manhart: Ich kann leider nicht mit einer packenden Vor-Ort-Nacherzählung dienen. (lacht) Ich war nämlich einen Tag zu früh in Marseille, am Mittwoch, als das Medal Race nicht durchgeführt werden konnte. Ich musste danach aufgrund terminlicher Verpflichtungen zurück nach Paris und habe dort tatsächlich keinen gefunden, der mit mir am Donnerstag das Medal Race angeschaut hat. Am Ende habe ich das Medaillenrennen völlig unspektakulär allein in meinem Hotelzimmer angeschaut, ich bin mit drei Endgeräten am Bett gelegen und habe das Rennen per Livestream verfolgt. Zum Trinken hatte ich nichts anderes als einen Nescafe.

Hat es Sie geärgert, dass Sie nicht vor Ort in Marseille waren?

Manhart: Ich wäre natürlich gerne live dabei gewesen, aber ich hatte in meinem Hotelzimmer einen riesigen Vorteil gegenüber allen, die in Marseille beim Rennen waren: Auf einem Endgerät lief bei mir das Omega Timing, und das hat nicht nur den Rennstand anzeigt, sondern jeweils auch in Echtzeit den Gesamtstand mitaktualisiert. Dadurch wusste ich schon, als Vadlau/Mähr auf den letzten Metern waren, dass sie Olympiasieger sind, während in Marseille alle am Wasser und am Ufer bestenfalls annehmen konnten, dass es Gold ist. Es gab ja einige Minuten eine gewisse Unklarheit über den Endstand.

"Der Wert von Gold ist nicht überschätzbar"
Manhart zeigt die App, mit der es ausschließlich Zutritt zu den Wettkampfstätten bei den Spielen in Paris gab.

Wie es eben so ist: Vor Ort erlebt man die Emotion, bei der Übertragung hat man die Informationen.

Manhart: Ich war inklusive den An- und Abreisetagen zwölf Tage in Paris. Vom großen Ganzen kriegst du vor Ort nichts oder nur sehr wenig mit. Du erlebst natürlich einzelne Wettbewerbe viel intensiver, bekommst da die Details mit, aber du bist nie so informiert wie vor dem Fernsehgerät. Klarerweise kann man sich auch am Wettkampfort übers Handy informieren, aber bei der Handynutzung spielte in Paris das Akku-Management eine große Rolle. Denn der Zutritt zu den Sportstätten wurde ausschließlich über eine App am Handy abgewickelt. Es gab keine Papiertickets und es war in den Ticketbedingungen klar geregelt, dass es in der eigenen Verantwortung lag, wenn der Akku leer war – dann gab es keinen Zutritt. Dadurch brauchte man immer genügend Reststrom. Ich hatte zwar eine Powerbank dabei, aber der Akkuverbrauch war ein ständiges Thema. Das klingt jetzt vielleicht desillusionierend, aber von den Olympischen Spielen hat man als Zuschauer in punkto Informiertheit zu Hause mehr, als wenn man vor Ort ist.

Wie groß war in Paris die Begeisterung?

Manhart: Das ist auch so etwas, das fast unglaublich klingt. Zwei Monate vor den Spielen hat sich in Paris niemand für Olympia interessiert, es gab keine Begeisterung. In der Stadt hat man von den Vorbereitungen so gut wie nichts mitbekommen, alles passierte fernab der Öffentlichkeit. Die Reitbewerbe fanden im Schlosspark von Versailles statt. Dass da Tribünen errichtet wurden, war außerhalb der Wahrnehmung, Versailles liegt über eine halbe Stunde außerhalb von Paris. Aber: Mit der Eröffnungsfeier ist die Teilnahmslosigkeit der Franzosen in pure Begeisterung umgeschlagen, in der Metro liefen bei vielen Fahrgästen Livestreams und die Sportstätten wurden überrannt von den Zuschauern. Die Begeisterung war riesig. Es waren fantastische Spiele. Auch in Marseille war das Flair einzigartig.

"Der Wert von Gold ist nicht überschätzbar"
Manhart erzählt, wie sich die Begeisterung in Paris geäußert hat.

Womit wir einigermaßen elegant wieder bei Lukas Mähr und Lara Vadlau wären. Das Medal Race ging mit der Blockade durch die Spanier nicht gut los für die beiden. Wie war es um Ihre Nerven bestellt?

Manhart: Wenn ich sagen würde, dass ich unruhig war, wäre das eine riesige Untertreibung. Und dass Vadlau/Mähr nach dem Start an letzter Stelle lagen, hat nicht zu meiner Entspannung beigetragen. (lacht) Ich habe in der Aufregung erst nicht realisiert, dass die beiden beim Start von den Spaniern behindert wurden. Auffällig war, dass Vadlau/Mähr ganz oft ihre ganz eigene Linie gewählt haben. Wenn von den zehn Booten sieben links und drei rechts fuhren, wählten sie die rechte Linie. Nach der zweiten Zwischenzeit haben sie Boot um Boot überholt, ab der dritten Tonne war mir dann klar, dass sie eine Medaille gewinnen, die Frage war unter Anführungszeichen nur, welche Farbe sie haben würde. Und da ist halt schon eine Farbe schöner als die anderen beiden: Gold. Dann kam es zu der für mich recht komfortablen Situation, dass ich mir ausrechnen konnte, dass es der Olympiasieg wird. Vadlau/Mähr sind zwar noch vom sechsten auf den siebten Platz zurückgefallen, aber dank des Livetrackings wusste ich, dass die Japaner im Rennen sogar noch einen Platz gutmachen durften. Dieser Moment, als mir bewusst wurde, dass es sich mit Gold ausgeht, war unbeschreiblich, eine professionelle Distanz zu diesem epochalen Ereignis zu halten war unmöglich. Das Olympiazentrum unterstützt Lukas Mähr seit zwölf Jahren, also seit drei Olympiakampagnen – wir sind Lukas nach den Tiefschlägen der verpassten Qualifikationen beigestanden, jetzt durften wir mit ihm den ersten Vorarlberger Olympiasieg bei Sommerspielen seit 1960 bejubeln. Mir fehlen da fast die Worte.

Lukas Mähr hat im großen NEUE-Interview beschrieben, dass er auch während den Spielen Kontakt mit dem Olympiazentrum Vorarlberg hielt. Hat er auch Sie gemeint?

Manhart: Wir haben uns ganz kurz an dem Tag gesehen, an dem das Medal Race nicht durchgeführt werden konnte. Ich stand neben seiner Familie in der Fanzone hinter einem Absperrgitter und habe mich kurz mit ihm ausgetauscht. Mehr Kontakt hatten wir nicht. Es ist eine unserer Grundregeln, dass wir die Athleten beim Wettkampf in Ruhe lassen. Unsere Vertrauensperson von ihm war Martin Rinderer, mit ihm stand Lukas regelmäßig in Kontakt. Es ist doch so, wenn ich mich gemeldet hätte, hätte sich Lukas aufgrund meiner Position womöglich verpflichtet gefühlt, zu antworten, was nicht Sinn der Sache ist. Nein, wir handhaben das so, dass die Athleten einen Kanal zum Olympiazentrum haben. Das war in Marseille eben Martin Rinderer, bei dem sind alle Informationen zusammengelaufen.

Olympiazentrum
Manhart lässt den Kanal zum Olympiazentrum offen.

Wie viel Auftrieb gibt dem Sportland Vorarlberg diese Goldmedaille?

Manhart: Ich würde diesen Auftrieb gar nicht mal am Olympiasieg allein festmachen. Es hat mit der Bronzemedaille von Betti Plank in Tokio angefangen. Mit diesem Medaillengewinn hat sich das Selbstverständnis der Vorarlberger Athleten verändert. Die Medaille hat unseren Sommersportlern aufgezeigt: Alles ist möglich. Der Olympiasieg von Lukas Mähr zusammen mit Lara Vadlau ist jetzt die finale Bestätigung, dass wir in Vorarlberg die Bedingungen haben, um von hier aus auch den letzten Schritt auf dem Siegerpodest bei Olympia zu machen. Das Beeindruckende bei Lukas und Lara war ja, dass sie während der gesamten Olympiakampagne an ihre Medaillenchance geglaubt haben und bei der Olympia-Regatta auch nach ihrem Fehlstart im ersten Rennen dem Druck standhielten. Die beiden durften danach keinen Fehler mehr machen – und sie haben keinen Fehler mehr gemacht. Die beiden sind nach Marseille, um eine Medaille zu gewinnen- Mission erfüllt.

Mit dem Olympiasieg von Lukas Mähr hat es auch ein Ende, dass man einzig auf Hubert Hammerer verweisen muss, der 1960, zu einer ganz anderen Zeit, bei Sommerspielen Gold holte und damit 64 Jahre lang der einzige Vorarlberger Olympiasieger bei Sommerspielen war.

Manhart: Der Wert des Olympiasiegs von Lukas Mähr ist nicht überschätzbar. Das Problem unserer heutigen Zeit ist allerdings, dass die Haltewertzeit einer Olympiamedaille sehr gering geworden ist. Die Berichterstattung hat schon stark abgeebbt, jetzt folgen noch ein, zwei Empfänge, danach ist der Olympiasieg fast schon wieder vergessen. An Jahrestagen oder vor den nächsten Spielen wird daran erinnert, aber viel mehr kommt nicht mehr. Es liegt auch an uns als Olympiazentrum, die Eindrücke von den Medaillengewinnen frisch zu halten.
Nächste Woche: die anderen Vorarlberger und ein Blick in die Zukunft.